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Die Pulsfrequenz steigt. Zehnmillionen Gedanken schießen durch den Kopf. Ganz cool bleiben, voll konzentrieren, bloß nichts falsch machen. Und da ist es: Das durch Adrenalin gesteuerte Zittern im rechten Fuß. Gleich gibt die Startampel am Hockenheimring das erste Saisonrennen des Scirocco-R-Cup 2012 frei. Szenenwechsel – Oschersleben, vier Wochen vorher: „Fahre in Ruhe drei bis vier Runden, damit die Reifen auf Temperatur kommen.“ Fabian Plentz ist Instruktor bei Volkswagen Motorsport und nimmt mich einen Monat vor dem ersten Gaststart meines Lebens behutsam an die Hand.
Als Rennfahrer weiß Fabian genau, was an diesem Tag zu tun ist: Nimm dem Neuling die Nervosität und gewöhne ihn an das Rennauto. Im Klartext: So ziemlich alles [foto id=“416445″ size=“small“ position=“left“]ist anders, als beim täglichen Gebrauch des privaten Pkw. Kein ESP, das Renn-ABS läßt ein Übersteuern des Autos bis zu einem gewissen Grad gnadenlos zu und bremsen sollte man am besten so spät und hart wie möglich. Ein Rennauto, wie den bis zu 285 PS starken Cup-Scirocco artgerecht über die Piste zu dirigieren, ist Herausforderung und Wissenschaft zugleich. Dank Fabian Plentz ist nach dem Testtag in der Motorsportarena eine gewisse Ahnung vorhanden, wie sich dieser Flitzer im Renneinsatz verhält und wo die eigenen fahrerischen Grenzen liegen. Eine gute Basis also für den Einsatz am Hockenheimring.[foto id=“416446″ size=“small“ position=“right“]
Wärmende Sonnenstrahlen und blauer Himmel versprechen Zuschauern und Fahrern in Hockenheim ein fantastisches Rennwochenende. Die Technische Abnahme und Dokumentenkontrolle ist abgeschlossen. In einem verpflichtenden Kurzvortrag haben die Renn-Stewarts auf Verhaltensregeln für die Fahrer und Besonderheiten der Rennstrecke hingewiesen. Besser, man hält sich an die Anweisungen, um den empfindlichen Zeitstrafen zu entgehen. Dann kann das freie Training ja kommen. Gleich hinter der Volkswagen-Hospitality stehen die Cup-Scirocco in ihren überdachten Stellplätzen. Der Scirocco-R-Cup gehört durch den Biogas-Antrieb und 80 Prozent weniger CO-2-Ausstoß zu den umweltfreundlichsten [foto id=“416447″ size=“small“ position=“left“]Rennserien der Welt.
Akribisch und geschäftig wirbeln die Mechaniker um die Fahrzeuge. Thomas „Tommy“ Krenn ist einer von Ihnen und an diesem Wochenende für mein Auto mit der Startnummer 24 zuständig. Der gelassene Bayer weiß genau, wie es in einem Menschen vor seiner Premiere im Motorsport aussieht. „Mir werden des schon schaukeln. Du schaffst des“, motiviert er in sympathisch-bayerischem Tonfall und weiter: „Des Auto steht und fällt mit dem Reifendruck. Wie hättst es denn gern?“ Jaja, die Reifen – da flammt die Sorge wieder kurz auf. In Oschersleben habe ich die hinteren Pneus nicht warm genug gefahren, um optimalen Grip zu haben. Die Folge: zwei saubere Dreher – das Auto blieb unversehrt.
30 Grad Asphalt-Temperatur gleichen dieses Problem jedoch nahezu aus. Dennoch fällt meine Entscheidung auf ein moderates Setup. Ein zahmes Pony reagiert ja auch geduldiger als ein Rodeo-Hengst. Ergo: Weiche Stabilisatoren und eine entsprechende Reifendruckverteilung auf Vorder- und Hinterachse, die [foto id=“416448″ size=“small“ position=“left“]das Auto im Grenzbereich nicht sofort übersteuern lassen. Im Zweifel fängt der Cup-Renner so erst einmal an, über die Vorderreifen zu schieben.
„Deine Linie ist okay, aber Du solltest noch ein wenig mit der Bremse experimentieren. Trete lieber später, dafür aber mit allem was Du hast aufs Pedal und danach sofort wieder rauf aufs Gas. Schnelle Fußarbeit ist ein wesentlicher Aspekt, auf den es beim Rennen ankommt“, rät Fabian Plentz bei der Datenauswertung. Und er hat recht. Legendenstarter Mika Salo – viele kennen den Finnen aus der Formel-1 – bleibt vor der „Hairpin“ satte 60 Meter länger auf dem Gas, bevor er aus Tempo 203 voll herunterbremst. Es ist nur ein Aspekt der ausführlichen Analyse, der aber in der folgenden Qualifikationsrunde zu drei Sekunden schnelleren Rundenzeiten führt. Im Motorsport eine Welt.
„Dein rechter Fuß wird anfangen zu zittern, kurz bevor es losgeht. Bei meinem ersten Start war es ganz genauso“, erinnert sich Rennlegende Jacky Ickx schmunzelnd, während er mir beruhigend noch weitere Tipps gibt: „Nach der ersten Kurve wird das aber vorbei sein. [foto id=“416449″ size=“small“ position=“right“]Fahre einfach deinen Stiefel.“
Schon bevor es auf die Einführungsrunde zum Rennen geht ist die Anspannung hoch. Tommy schaut noch einmal kurz bei mir in der Startaufstellung vorbei, spricht beruhigende Worte. Dann geht es nur noch um die 24 anderen Piloten auf der Piste und mich. Voller Fokus auf die Startampel. Linker Fuß auf die Bremse und mit dem noch zitternden rechten Fuß das Gas bis zum Anschlag. Der Turbomotor brüllt auf, die roten Ampellichter über der Zielgeraden gehen aus, der linke Fuß schnellt vom Bremspedal und der Renn-Scirocco katapultiert sich rasant nach vorne – Nummer 24 ist hinter dem Fahrerfeld unterwegs zur schnellen Nordkurve am Ende der Zielgeraden. Schlagartig kommen die Worte von Tommy in den Kopf: „Versuche einfach so lange wie möglich dran zu bleiben.“ Auf der Anfahrt zu Kurve zwei verschwindet das Zittern im Fuß – wie Jacky Ickx prohezeit hatte. „Jetzt bloß fokussiert bleiben, kein Risiko eingehen, den richtigen Bremspunkt treffen und genau fühlen, wie das Auto beim Einlenken reagiert!“ Wie ein Maschinengewehr [foto id=“416450″ size=“small“ position=“left“]rattern die Ratschläge im Kopf runter. Aber alles passt. Dann ein erstes Durchatmen auf der lang gestreckten „Parabolika“ während es mit mehr als 200 km/h direkt hinter dem Auto von Jan-Frank Kasten auf die 180-Grad-Kehre (Hairpin) zugeht.
Kasten ist dieses Jahr das Pro-Talent der Volkswagen Coaching. Aus 600 Bewerbern hat er sich für den Scirocco-R Cup-qualifiziert. „Es war ein hartes Auswahlverfahren und ich bin stolz, dass ich es am Ende geschafft habe“, beschreibt der aus Salzgitter kommende 19-jährige Auszubildende die vielen Auswahlverfahren. Sein Ziel: „Unter die ersten Zehn kommen.“ Pro Talent ist das Bindeglied zwischen der Ausbildung bei Volkswagen und der Ausbildung junger Rennfahrer. Beide Seiten haben das Ziel, den Nachwuchs bestmöglich zu fördern.
Und auch Jan-Frank weiß, dass viele Unfälle und Kollisionen in der Start- und Anfangsphase eines Rennens passieren. So auch in Hockenheim. Aufsteigende Staubschwaden [foto id=“416451″ size=“small“ position=“left“]in der Sachskurve signalisieren den Dreher von Legende Marc Surer und wenig später kämpft sich ein weiterer Scirocco durchs Kiesbett zurück auf die Strecke.
Nach der dritten Runde ist das Feld weitgehend vor mir verschwunden. Die Profis und jungen Nachwuchsfahrer des Scirocco-R-Cup verstehen eben ihr Handwerk und ich ziehe meine einsamen, aber erlebnisreichen Runden bis ins Ziel. Mission erfüllt: Auto heile, ich heile und die unvergessliche Erfahrung, mit Motorsporthelden wie Mika Salo, Marc Surer und Eric van der Poele dasselbe Rennen gefahren zu sein.
geschrieben von auto.de/(ampnet/tw) veröffentlicht am 03.05.2012 aktualisiert am 03.05.2012
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