Gastkommentar: Bernhard is back – Willkommen zu Hause!

Niemand „beim Daimler“ glaubt ernsthaft daran, dass der einst zum Mercedes-Chef ausgerufene und kurz danach geschasste Wolfgang Bernhard auf jenem Posten bleibt, für den er jetzt für alle völlig überraschend berufen wurde. Die Aufgabe als Chef der Transporter-Sparte dürfte den umtriebigen Macher nicht ausfüllen und ist nur eine Zwischenstation auf dem Weg ganz an die Spitze von Mercedes-Benz. Daran kann es keinen ernsthaften Zweifel geben.

Daimler-Chef Dieter Zetsche hat eine gute Entscheidung getroffen, dem Aufsichtsrat Bernhards Rückkehr ins Haus zu empfehlen. Der Aufsichtsrat dürfte dem ohne Zögern zugestimmt haben, denn die Entwicklung bei Mercedes-Benz Cars macht Sorgen. Mit der Entscheidung, Bernhard für höhere Aufgaben bei Mercedes in Stellung zu bringen, hat Zetsche intern deutlich gemacht, dass er mit der Entwicklung der wichtigsten Automarke im Konzern äußerst unzufrieden ist und vieles zu ändern gedenkt. In absehbarer Zeit wird Dieter Zetsche seinen Hut als Mercedes-Boss abgeben und nur noch Daimler-Chef sein wollen.

Die Personalentscheidung Bernhard dürfte ein paar Anwärtern auf den Mercedes-Thron klarmachen, dass sie ihre Hoffnungen begraben können, einmal Mr. Mercedes zu werden. Das ist für den Einzelnen zwar bitter, aber die Marke hat in den letzten Jahren zu deutlich an Glanz verloren. Zetsche tut gut daran, einen echten Car Guy, einen leidenschaftlichen Automann mit Benzin im Blut, an Bord zu holen, der viel von Markenführung und Mercedes-Benz versteht.

Zu viel ist in den letzten vier Jahren in die falsche Richtung gelaufen, angefangen von der Werbung bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit, von der Wahrnehmung der Marke bis hin zu markenprägenden Begriffen. Hier haben BMW (EfficientDynamics) und Volkswagen (BlueMotion) Mercedes abgehängt. Die Marketingmanager haben sich zwar viele hochtrabende Begriffe (True Blue Solutions, Blue Efficiency, Blue Hybrid etc.) einfallen lassen, sie wurden aber (noch) nicht ausreichend mit glaubwürdigen Produkten und Technologien hinterlegt. Das Effizienzprogramm greift erst jetzt langsam, kommt aber zu spät, um die Wettbewerber in Sachen Umwelt- und Innovationsimage einzuholen.

Wie sehr die Wahrnehmung der Marke Mercedes-Benz gelitten hat, machte zuletzt der Wettbewerb „Die besten Autos der Welt“ von „Auto, Motor und Sport“ deutlich. In sämtlichen Kriterien musste sich die Marke mit dem Stern hinter der Konkurrenz einreihen. Für viele Mercedes-Manager eine Schmach, wie sie größer nicht sein kann. Schließlich sind die Autos nicht schlechter, sondern unumstritten immer besser geworden. In der Qualität, in der Technologie, im Design, eigentlich in allen wichtigen Kriterien. Da muss man sich bei Mercedes schon fragen, warum das von den Lesern so wenig honoriert worden ist, warum die Fakten draußen bei den Menschen nicht angekommen sind.

Die Leserbefragung bei „ams“ ist für viele Experten die ehrlichste Marktforschung, weil hier nicht Autoexperten ihre Stimme abgeben, sondern die Wahrnehmung einer Marke dort abgefragt wird, wo sie am unmittelbarsten in Erscheinung tritt: in der interessierten, autoaffinen Öffentlichkeit. Da können sich die Marketingexperten und Öffentlichkeitsarbeiter bei Mercedes noch nicht sehr auf die Schultern klopfen: Ihre nur sehr sporadisch kommunizierten guten Botschaften sind einfach nicht ausreichend in der Öffentlichkeit angekommen. Punkt.
Was ist schiefgelaufen? – Es ist wie immer, dass viele kleine Fehler, die im Einzelnen kaum zu erkennen sind, in der Summe solche Folgen haben. Es fängt bei der Werbung an. Ist die aktuelle Werbung, wie sie die als Topagentur gerühmten Werber von Jung von Matt für Mercedes kreierten, das Gelbe vom Ei? Wo sind die Spots, an die sich noch nach Jahren jeder erinnert? – Immer wieder hört man sogar bei Mercedes diese Frage, die dann gleich mit zwei Beispielen untermauert wird: Die „Ohrfeige“, mit der eine Frau ihrem Mann Fremdgehen unterstellt, weil er behauptet, eine Panne gehabt zu haben. „In einem Mercedes?!“, machte jedem sehr intelligent und humorvoll klar, dass das eine Lüge sein musste. Auch der Werbespot „Willkommen zu Hause“ stammt aus einer Zeit, in der die Marke in der „ams“-Leserumfrage immer wieder Spitzenplätze belegt hatte.
Es genügt eben nicht, ein paar (meistens unbedeutende) Markenbotschafter zu benennen oder ein Soundlogo zu komponieren, das eher an den Gesang eines Eunuchen erinnert, aber nicht als Signal für eine starke, selbstbewusste Marke verstanden wird.
Und wie kann man in der Werbung eine R-Klasse in eine Reihe stellen mit der staatstragenden Luxuslimousine Mercedes 600? Wie kann man in einem Spot angesichts eines GLK die Akteure beim Vorbeifahren sagen lassen, dies könne kein Mercedes gewesen sein? – Ja, was denn sonst? Ein Mercedes war schon immer etwas Besonderes, auch der GLK ist ganz klar ein Mercedes.

Und ist es für die Marke wirklich vordringlich, in Anzeigen den Stern nur noch „von oben“ strahlen zu lassen und den Schriftzug Mercedes-Benz woanders zu platzieren? Wahrscheinlich hat kaum jemand diese Änderungen überhaupt wahrgenommen. Und haben sie der Marke geholfen, ihre Führungsposition zu behalten? Der Initiator dieser Flops verkauft inzwischen als CEO Brillen bei Rodenstock, und sein Nachfolger muss nun erst mal reparieren, was mit viel Geld aufs falsche Gleis geschoben worden ist.

Auch die Öffentlichkeitsarbeit hat zur Erosion des Markenimages beigetragen, das vor allem auf dem deutschen Heimatmarkt geformt und geprägt wird. Wenn von führenden Öffentlichkeitsarbeitern zu hören ist, dass man vor allem die Meinung und die Überzeugungen des Vorstands zu bedienen habe, spricht das Bände über fehlende eigene Strategien in Richtung Medienöffentlichkeit. Es genügt nicht, nur darauf zu achten, dass man nach oben Erfolgsmeldungen vermitteln kann, die in Wirklichkeit keine sind. Die Sicht aus dem Elfenbeinturm verklärt die Wirklichkeit, die jetzt, im Zeichen der Marktkrise, unbarmherzig zu Tage tritt. Die momentane Krise hat mit der Markenerosion allerdings nichts zu tun. Auch wenn sich mancher Verantwortliche nun gern hinter der Krise versteckt.

Gebeutelt von immer neuen Sparrunden und geschrumpften Budgets kann man zwar keine großen Sprünge machen, aber man muss nicht auch noch die falsche Richtung einschlagen. Wie zum Beispiel bei der Präsentation der neuen E-Klasse: Es war nach meiner Überzeugung absolut falsch, sie gewissermaßen en passant auf einem Neujahrsempfang in Detroit nur geladenen Journalisten zu präsentieren, auf den Mercedes-Stand auf der Messe aber nur die alte E-Klasse zu stellen. Die Vorstellung einer neuen wurde früher in sogenannten Big-Bang-Veranstaltungen medienwirksam zelebriert, nicht im Schatten einer Art Geheimaktion, zu der nur ausgewählte Journalisten Zugang haben, auch wenn es ein paar Hundert waren.

Und dass der Verkaufsstart der E-Klasse noch vor ihrer echten „Weltpremiere“ in Genf liegt, macht das Zaudern, Zögern und die fehlende Power-Strategie in Sachen Kommunikation deutlich. Die neue E-Klasse sickert sozusagen in die Öffentlichkeit, anstatt dass sie mit einem nicht zu überhörenden Paukenschlag präsentiert und zielgenau positioniert wird. Lieber Herr Bernhard, willkommen zu Hause! (ar/Hans-U. Wiersch)

(Entnommen aus der aktuellen Ausgabe des Branchen-Informationsdienstes PS-Automobilreport)

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Gast auto.de

Februar 16, 2009 um 9:32 pm Uhr

Es ist nicht verwunderlich was mit Mercedes-Benz geschieht. Haben doch die Manager Zetsche und Bernhard schon mit Chrysler in Teamarbeit gezeigt, wohin man einen Hersteller von Automobilen führen kann. ……Sicher nicht zum Erfolg……

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