Gastkommentar: Der falsche Mann

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wird zum nationalen Problemminister. Immer wieder muss er sich selbst korrigieren, lernt nicht dazu und macht seine arrogante Attitüde zu seinem Markenzeichen.

„Das Bundesverfassungsgericht wird unseren Kurs bei der Pendlerpauschale bestätigen“, tönte er noch vor Kurzem selbstsicher, als sitze er persönlich im erlauchten Kreis der Verfassungsrichter und kenne bereits deren Schlussfolgerungen. Und selbst nach dem pendlerfreundlichen Urteil bleibt er dabei, dass die Richter dann wohl geirrt haben müssen. Der britischen Regierung gibt er gute Ratschläge zur Krisenbewältigung und macht damit einen großen Fehler, der die Briten nicht nur gegen ihn selbst aufbringt, sondern alte Ressentiments gegen die Deutschen aufleben lässt. „The Reich is back“, war in einer Zeitung zu lesen. Steinbrück ist der Überzeugung, dass alle anderen Politiker, Wirtschaftsfachleute, Topexperten, ja selbst Nobelpreisträger irren, nur er weiß, wie es richtig geht. Fatal: Die Kanzlerin folgt ihm in blindem Vertrauen und eigener Urteilslosigkeit.

Es ist schon ein besonderer Beweis politischer Kunstfertigkeit, die eindeutige Klatsche vom Bundesverfassungsgericht flugs in eine Art Konjunkturprogramm umzudeuteln, fast so, als wäre das alles vom Merkel-Steinbrück-Team von langer Hand geplant gewesen. Es ist eben kein Konjunkturprogramm, sondern schlicht die Rückgabe verfassungswidrig vereinnahmter Gelder, die den Bürgern gehörten, die vom Staat in Summe in einer Weise abgezockt werden, dass es einem graust. Vor etwa 30 Jahren waren in Deutschland drei Prozent in der höchsten Steuerklasse, heute sind es über 85 Prozent der Menschen, die arbeiten. Dass da was nicht stimmen kann, muss auch dem Steuerlaien einleuchten. Tatsächlich werden in etwa fünf bis acht Jahren alle Einkommensempfänger in den Spitzensteuersatz rutschen, sagen die Fachleute, die das Phänomen „kalte Progression“ nennen. Denn die Steuerprogression wird nicht der Geldentwertung angepasst. Mathematisch eigentlich ein Unding. Alle Regierungen haben diese automatische Steuererhöhung, die nie als solche in den Zeitungen steht, genutzt, um mehr Geld ausgeben zu können. Jede Regierung hat geschworen, diese Art der Steuererhöhung abschaffen zu wollen – gemacht hat es keine.

Dass Minister Steinbrück der falsche Mann ist, sehen viele so. Selbst in der Regierungskoalition. Der Affront Großbritannien gegenüber dürfte auch der Kanzlerin missfallen. Sie, die immer auf Harmonie und Kompromisse setzt, spürt jetzt den kalten Wind der Feindseligkeit. Diplomatisch verbrämt zwar, aber deutlich genug. Jetzt hat sich sogar der Wirtschafts-Nobelpreisträger Paul Krugman zu Wort gemeldet und der Bundesregierung, ganz besonders Steinbrück, Dummheit vorgeworfen. Die Bundesregierung sehe tatenlos zu, wie die Weltwirtschaft abstürze. Den Sturzflug abzumildern, sei in jedem Fall Aufgabe der Regierung. Krugmann kritisiert zu Recht, dass Steinbrück/Merkel sich einer internationalen Koordination verweigern. Deutschland habe eine höhere Verantwortung für Europa und verhindere eine wirksame gesamteuropäische Antwort auf den Abschwung. Deutschland trage damit erheblich zum globalen Abschwung bei. Deswegen, so der Nobelpreisträger, vervielfache sich der Effekt der „Dummheit der gegenwärtigen deutschen Regierung“.

Krugman ist nicht das Bundesverfassungsgericht. Aber wie für dieses hat Steinbrück auch für den Wirtschaftswissenschaftler nur arroganten Hohn übrig. Ein Finanzminister, der resigniert und sagt: „Die Rezession ist unvermeidbar“, hat eigentlich schon seinen Eid gebrochen, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Sich dem Jammern hinzugeben und zu sagen, wir können eh nichts tun, ist nicht das, was man von einem Minister erwartet. Es wird Zeit, dass die Kanzlerin sich andere Berater sucht. Steinbrück ist der falsche Mann.

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