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Mercedes-Benz darf sich zu den Pionieren des Elektroautos zählen. 1995 stand eine ernst zu nehmende Studie auf der IAA: One-Box-Design mit der Batterie im Sandwichboden unter dem Fahrgastraum. Doch aus der Serienproduktion wurde nichts; die Amerikaner hatten eingesehen, dass ihre Forderung nach Null-Emissions-Fahrzeugen mit der vorhandenen Batterietechnik nicht erfüllbar sein würde. Aus der Elektro-Studie wurde die A-Klasse, und das Elektroauto war kein Thema mehr.
1995 war Dr. Dieter Zetsche noch Entwicklungschef bei Mercedes-Benz. Heute, als Vorstandsvorsitzender der Daimler AG und Chef von Mercedes-Benz, hat Zetsche das Thema wieder auf der Tagesordnung, nicht nur in den USA, sondern global. Klimaschutz und die Forderung nach Alternativen zu fossilen Treibstoffen, aber auch die Entwicklung bei der Batterie und bei anderen Energieträgern wie dem Wasserstoff treiben heute die Phantasie, die Elektro-Traktion könne viele Probleme lösen.
Erste Kleinserien entstanden; alle Großen befassen sich wieder mit dem Thema und überholen sich gegenseitig mit Ankündigungen. Doch was können wir vom Elektroauto wirklich verlangen. „Beim heutigen europäischen Energiemix haben wir eine etwa ein 20-prozentige Möglichkeit zur CO2-Reduzierung über den Weg des Elektroantriebs. Das ist natürlich nicht Null-Emission, aber es ist doch besser als der heutige Weg – von „well to wheel“ betrachtet. Das ist schon ein Gewinn, aber nicht der gesamte Gewinn, den wir anstreben“, sagt uns Dieter Zetsche dazu. „Das gilt auch bei der heutigen Form der Wasserstoffgewinnung, typischerweise über Gas und Erdgas. Dort haben wir die Verbesserung in der CO2-Bilanz in der gleichen Größenordnung.“
Mercedes-Benz befasst sich mit dem gesamten Spektrum der Elektro-Traktion. Da rollt der E-Smart schon in einer größeren Kleinserie vom Band. In dieser Woche, bei Pariser Automobilsalon, wird die die A-Klasse wieder einmal zum Erprobungsträger für einen alternativen Antrieb. 5000 Fahrzeuge mit einem rein batterieelektrischen Antrieb sollen vom Herbst an gefertigt werden. Reichweite: 200 Kilometer. Und in der S-Klasse bewegt sich der S 400 als erstes Hybridfahrzeug von Mercedes-Benz erfolgreich im Markt. Andere betreiben Prototypen, bei denen die Batterie von einem kleinen Motor nachgeladen wird oder Brennstoffzellen sorgen für den Strom, seien es Personenwagen oder Nutzfahrzeuge.
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Zetsche legt sich nicht fest, welchem System sein Unternehmen die größten Chancen einräumt: „Ich befinde mich nicht im Religionsstreit. Es hängt vom Einsatz ab, auch davon, welche Koalitionen man zusammenstellen kann. Denn es sind nicht nur technische Fragen, sondern auch interessenspolitische Fragen, die darüber entscheiden, welche Richtung hier letztendlich eingeschlagen wird. Aber ich muss sagen, von den technischen Möglichkeiten und von den wirtschaftlichen Randbedingungen ist die Brennstoffzelle eine sehr attraktive Alternative oder Ergänzung zum batterieelektrischen Antrieb.“
Im Gespräch wird dennoch deutlich, dass der Daimler-Chef Wasserstoff für den elegantesten Energiespeicher hält, wenn er denn umweltfreundlich gewonnen wird: „Da gibt es eine ganze Menge von Ansätzen, wie man Wasserstoff regenerativ erzeugen kann. Eine Möglichkeit, die zunächst von vielen als absurd bezeichnet wird: Wir erzeugen regenerativ Strom und mit dem Strom über Elektrolyse Wasserstoff, um den im Auto wieder in Strom zu verwandeln. Das wird dann etwas überlegenswerter, wenn man weiß, dass der Strom dann entsteht, wenn der Wind bläst oder die Sonne scheint und nicht dann, wenn man ihn braucht. Eine Menge von Experten wollen daher den regenerativ gewonnenen Strom als Energie in Form von Wasserstoff speichern.“ Wenn man diesen Weg der Speicherung gehe, dann sei das Fahrzeug eine sinnvolle Anwendung.
Trotz des Umwegs über den Wasserstoff sieht Zetsche die Brennstoffzelle gegenüber der Batterie bei den Kosten im Vorteil: „Ein Problem bei den batterieelektrischen Fahrzeugen ist die erhebliche Menge an Batterie-Rohmaterialien, die sich auch in Gewicht ausdrückt. Anders als bei der Elektronik ist für den Materialinhalt schwerlich damit zu rechnen, dass es hier zu schnellen und großen Kostenreduzierungen kommen wird.“ Bei Brennstoffzellen sieht Zetsche „die Möglichkeit, ähnlich wie bei der Katalysator-Entwicklung die Kosten signifikant senken zu können“.
Doch Wasserstoff benötigt eine Infrastruktur, die es heute noch nicht gibt. Deswegen sieht Zetsche: „Es ist natürlich ein Vorteil des batterieelektrischen Fahrzeugs, dass es erst einmal mit einer existierenden Infrastruktur beginnen kann. Die reicht zwar nicht aus. Aber sie erlaubt im Unterschied zum Wasserstoff die ersten Schritte.“
An den Laternenparkplatz mit Steckverbindung fürs Elektroauto glaubt der Mercedes-Chef nicht: „Das ist eine Erkenntnis, die vielen nur sehr langsam klar wird: Dass ich auch für das batterieelektrische Fahren eine Infrastruktur brauche, und diese Infrastruktur letztlich teurer wird als die für Wasserstoff, weil ich mich eben viel länger an einer Steckdose aufhalten muss und damit mehr von diesen Ladestationen als Wasserstoff-Tankstellensäulen brauche. Das wird gern in der Diskussion vergessen.“
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Zu den Kosten eines Elektroautos und den in der Zukunft zu erwartenden Preisen für diese Fahrzeuge hält Zetsche einen kleinen Exkurs bereit: „Wir haben auf der Positivseite, dass der Betrieb eines Elektrofahrzeugs kostengünstiger stattfinden kann als der eines benzinbetriebenen Fahrzeugs. Das gibt für ein höheres Anfangsinvest einen gewissen Return. Der ist aber begrenzt.“ Auf der anderen Seite fehle aber noch die praktische Erfahrung mit der Lebensdauer der Batterien. „Also auch da gibt es noch eine offene Kostenfrage.“
Es sei – so Zetsche – eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, wenn sich Mercedes-Benz in einem vernünftigen Zeitraum der Wettbewerbsfähigkeit mit einem konventionellen Antrieb nähern wolle. „Ich bin nicht beliebig optimistisch, dass es tatsächlich gelingen kann. Aber wir rechnen heute damit, dass wir in fünf sechs Jahren auf der Kalkulationsbasis von rund 100 000 Einheiten pro Jahr in der Lage sein können, ein Brennstoffzellen-Fahrzeug in der Kostengrößenordnung eines High-tech Diesel-Hybrids darzustellen.“
Gleichzeitig weist Zetsche darauf hin, dass die Amortisation des Anfangsinvests für ein Elektroauto nicht auf ewig so günstig bleiben wird wie heute: „Es ist völlig klar, dass wir bei diesen Kalkulationen ebenfalls von einer Brücke ausgehen müssen, die nicht endlos ist. Wenn wir in Stückzahlen kämen, würde die Begehrlichkeit wachsen, dann die eine Quelle durch die andere zu ersetzen“, spricht er und meint damit den Finanzminister und wohl auch die Energieversorger.
Deutschland verzichtet auf Subventionen für den Käufer eines Elektroautos. Andere Staaten gewähren Steuergutschriften oder zahlen nennenswert hohe Prämien. Das stellt die deutsche Industrie vor Herausforderungen. Zetsche: „Zunächst einmal sollten wir es in einem gemeinsamen Markt auch mit gemeinsamen Randbedingungen zu tun haben, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Wenn wir auch bei der Elektro-Traktion eine Leitindustrie in Deutschland haben wollen, dann müssen wir auch ein Leitmarkt werden.“ Die Problematik des Teufelskreises zu geringer Stückzahlen, zu hoher Kosten und zu hoher Preise lasse sich nicht zu Lasten des Kunden lösen und auch nicht in unbegrenzter Weise zu Lasten der Hersteller überwinden. „Das heißt, über einen Brückenzeitraum hier eine solche Anstoßfinanzierung zu leisten, ist per se absolut sinnvoll, auch im Wettbewerb zu den anderen Ländern.“
Doch Zetsche nimmt seiner Forderung die Spitze, indem er sagt: „Auf der anderen Seite bin ich auch deutscher Staatsbürger und nun nach dem Fünf-Milliarden-Paket Abwrackprämie – gegen die ich durchgängig eingestellt war – nun bei allen Fiskal-Problemen jetzt die gleiche Summe für dieses Thema auszuweisen – das ist sicherlich politisch nicht einfach.“ Zetsche sieht sich dem Henne-und-Ei-Problem gegenüber, wenn die Regierung sage, „macht doch erst einmal die Autos, und wenn es die dann gibt, dann können wir uns ja darüber unterhalten, ob und in welcher Form solche Subventionierung stattfinden kann“. Die Pläne von Mercedes-Benz müssten von kalkulierbaren Randbedingungen ausgehen. „Ob wir in unserer Markteinschätzung einen solchen Beitrag einkalkulieren können oder nicht, hat wesentliche Konsequenzen auf die Stückzahl, die wir planen können und das dann wiederum auf unsere Produktionspläne. Insofern kann man das nicht in letzter Minute entscheiden, sondern muss entsprechend Vorlaufzeit haben.“
Eine wachsende Anzahl von Experten traut den Chinesen zu, bei der Elektro-Traktion eine Schrittmacher-Funktion übernehmen zu können. Auch Zetsche sieht das, wenn er sagt: „Den Chinesen gelingt es immer mehr Menschen zu einem gewissen Wohlstand zu führen, über die Schwelle hinaus, von der an es ihnen möglich ist, ein Automobil zu erwerben. Das Interesse an dieser Art der Mobilität scheint bei den Chinesen extrem groß zu sein, auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern. Die Chinesen haben nicht vor, ihrer Bevölkerung zu sagen: Autos sind für Amerikaner; ihr fahrt bitte Fahrrad!“ Den Chinesen sei aber auch klar, dass Auto-Raten wie in den entwickelten Ländern, zu solch riesigen Zahlen führten, dass daraus auf der Basis heutiger Technologie nicht zu bewältigende Probleme erwachsen. „Also ist es eine zwingende Notwendigkeit, dass auch die Chinesen einen Weg finden, technologisch in Richtung Emissionsfreiheit und Unabhängigkeit von den fossilen Kraftstoffen zu kommen.“
Deshalb – so Zetsche – sei es nur folgerichtig, dass sie Randbedingungen setzen werden, die ihre Chancen vergrößern. Deswegen sei es für Mercedes-Benz „logisch und richtig, uns in China mit einem Partner zusammenzutun, um dort zu versuchen, mit unseren neuesten Technlogien diesen Weg mitzubeschreiten. Denn erstens profitieren wir davon und erhalten so zweitens die größtmögliche Chance, dort auch in eine wirtschaftliche Größenordnung gelangen zu können.“
geschrieben von auto.de/(ampnet/Sm) veröffentlicht am 28.09.2010 aktualisiert am 28.09.2010
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