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Die Darmstädter gehen an Weihnachten gerne zu einem spätabendlichen Orchesterkonzert in die Kirche. Dort fehlt es an Festtagen schon mal an Geigern. So kam es, dass sich eine Geigerin aus Karlsruhe zur Aushilfe auf den Weg nach Darmstadt machte.
Unsere Geigerin hatte die Wahl zwischen einem nagelneuen Mercedes Diesel-Kombi der E-Klasse und der fast 300 000 Kilometer alten Familienkutsche vom Typ Citroën Xantia Diesel. Die hatte in ihrer Familie viele Jahre lang treue Dienste geleistet, war gerade in einer Werkstatt in der Nähe hergerichtet worden und stand schon im Internet zum Verkauf. Sei es, dass unserer Geigerin der Mercedes noch nicht geheuer war, oder sei es, dass sie die vielen Frauen eigene Anhänglichkeit an alte Gebrauchsgegenstände spürte: Sie setzte sich in den Citroën und gönnte sich und ihm eine Abschiedstour.
Das Konzert war vorbei und die Geigerin wollte schnell heim auf der zur Festtagsnachtstunde fast verkehrsfreien A 5, als urplötzlich Flammen aus den Lüftungsschlitzen vor der Windschutzscheibe schossen und sich sekundenschnell infernalischer Gestank im Wagen verbreitete. Unsere Geigerin konnte gerade noch den Wagen stoppen, ihre Geige vom Rücksitz greifen und aus dem Auto springen. Da stand sie nun leicht bekleidet mit der Geige in der Hand, fror bei null Grad vor sich hin und konnte nicht einmal telefonieren, weil das Handy im Wintermantel auf dem Beifahrersitz in Flammen aufgegangen war.
Der erste Fahrer, der anhielt, war so deutsch, dass er nicht davon abzuhalten war, der Vorschrift zu genügen. Er machte sich mit seinem Warndreieck auf den höchst überflüssigen Weg zur Absicherung der weithin leuchtenden Brandstelle. Der zweite rief dann die 112 an und erfuhr, dass Fahrer von der Gegenfahrbahn schon den Brand gemeldet hatten.
Polizei und Feuerwehr waren schnell zur Stelle. Die Feuerwehr war ebenso deutsch, erstickte den Brand, der sich inzwischen schon eigenmächtig zum Verlöschen entschlossen hatte, und rettete so das zwölf Jahre alte unbeschädigte Reserverad aus dem Heck, das niemand verwenden konnte. Dann fuhr sie heim und schickte schnell wie ein Zahnarzt eine Rechnung über 300 Euro für ihren Einsatz nach Karlsruhe.
Die Polizei zeigte mehr Vernunft und benachrichtigte zunächst den auf seine Frau wartenden Ehemann der Geigerin in Karlsruhe. Der war auch schnell zur Stelle, obwohl er Bratscher ist, als solcher nicht eben im Ruf von Freude am Prestissimo steht und Daimlers E-Klasse-Diesel auch nicht gerade Sportwagenqualitäten zeigt. Er brachte auch die Papiere mit, die unsere Geigerin zu Hause auf dem Garderobentisch hatte liegen lassen, obwohl sie der Polizei in leichter Verwirrung erklärt hatte, die seien mit verbrannt. So stellte sich heraus, dass das abgebrannte Auto nur noch haftpflichtversichert war. Die Ordnungshüter prophezeiten, in diesem Fall müssten die Musiker wohl nicht nur eine Rechnung der Feuerwehr zahlen, sondern auch noch eine vom Autobahnbauamt für die Reparatur einiger Quadratmeter Fahrbahndecke.
Nachzutragen bleibt, dass der Chef der nächstgelegenen Citroën-Werkstatt in dieser Weihnachtsnacht die Autoruine auf seinen Betriebshof schleppte. Er wollte auch kein Geld dafür haben, als der Bratscher einige Tage später bei ihm vorbeischaute, sondern sagte nur mit dem philosophischen Tonfall altgedienter Citroën-Meister: „Da hat doch einer die Schnapsidee gehabt, den Dreck von zwölf Jahren vom Turbolader zu kratzen. Ohne die natürliche Isolierung gibt’s schon mal Feuer bei uralten Karren.“
geschrieben von auto.de/(ampnet/rm) veröffentlicht am 11.02.2010 aktualisiert am 11.02.2010
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