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Bentley
Das Festival of Speed im südenglischen Goodwood hat sich zu einer Art inoffizieller Automesse entwickelt. Immer mehr Hersteller präsentieren hier Neuvorstellungen. Zur 21. Wiederkehr der Festival-Premiere knüpft Bentley an seine Rennsport-Tradition an.
Adlig und obendrein noch Großgrundbesitzer zu sein, ist vor allem in England kein Zuckerschlecken. Schon der Unterhalt eines einfachen Schlosses kann Unsummen verschlingen. Charles Henry Gordon-Lennox, der Earl of March, ist dennoch aus dem Gröbsten raus. Für ihn zahlen Auto-Enthusiasten aus aller Welt.
Warum nicht Teile seiner weitläufigen Besitztümer für ein Treffen von Sportwagen-Fans öffnen? Der Earl hat selbst Benzin im Blut, besitzt etliche klassische Automobile und mit Gleichgesinnten lässt sich bekanntlich gut feiern. Das „Festival of Speed“ war geboren. Im Jubiläumsjahr ist das Ereignis schon zu einer Art inoffizieller Auto-Messe geworden, denn Hersteller aus aller Welt stehen Schlange, um beim Earl neue Kreationen von [foto id=“474655″ size=“small“ position=“left“]Sportwagen und Gebrauchsautos zeigen zu dürfen. Diesmal nahm Bentley Gelegenheit vorzuführen, mit welchem PS-Boliden die englische Traditionsmarke die internationale GT3-Szene aufzumischen gedenkt.
Der Niedergang der britischen Automobil-Industrie steht in krassem Gegensatz zur Begeisterung der Inselbewohner für jedwede vierrädrige Fortbewegung. Nachdem alle Marken von Bedeutung entweder pleite oder in ausländischer Hand sind, ist auch noch die bis 2006 in London ansässige British Motor Show sanft entschlummert. Gemeinsam haben der Earl of March und zahlreiche Hersteller es verstanden, die Lücke zu füllen und das Interesse nicht nur des britischen Publikum in Richtung der rund 45 Quadratkilometer großen Latifundien im Südwesten der Insel zu lenken. Wie Eingeweihte erfahren haben wollen, decken allein die Eintrittsgelder zum Festival of Speed inzwischen die Unterhaltskosten nicht nur von Goodwood House, sondern auch für die Pferdezucht, die Rennstrecke und den nahen Sportflugplatz.
Für Bentley gibt es plausible Gründe, englischen Boden für die dynamische Premiere ihres neuen Rennwagens zu wählen. Die Marken zehrt schon lange von verblichenem Ruhm. In den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts dominierte sie die Rennstrecken, vor genau zehn Jahren gelang mit dem Sieg im 24-Stunden-Rennen von Le Mans ein fulminantes Comeback. Dass unter der in British Racing Green gehaltenen Karbon-[foto id=“474656″ size=“small“ position=“right“]Oberfläche reichlich deutsche Audi-Technik steckte, interessierte nur wenige. Bentley war wieder wer im Rennzirkus. Nicht ohne Pathos spricht Motorsport-Chef Brian Gush deshalb jetzt auch vom Beginn der „dritten Ära im Bentley-Motorsport“, die mit dem Bentley GT3 beginne.
Basis für den 600- PS-Boliden ist das kommerziell überaus erfolgreiche Modell Continental GT. Ausgestattet mit einem Vierliter-V8-Motor und einem Heckflügel, der manchem Sportflieger zur Ehre gereichen würde, wird dieses Auto 2014 sein erstes Rennen bestreiten. Wie viel Abtrieb der gewaltige Spoiler bei hohem Tempo erzeugen kann, mag Gush nicht verraten: „Das würde Porsche, BMW oder Mercedes auch sehr interessieren“, gibt er zurück. Zu den prominenten Konkurrenten auf der Strecke werden außerdem McLaren, Ferrari, Lamborghini und Aston Martin gehören. „Wir sind dort in guter Gesellschaft“, sagt der Rennleiter.
Der normaler Weise rund 2,4 Tonnen schweren Fuhre wurden in einer einzigartigen Hungerkur mehr als 1000 Kilo Gewicht entzogen. Übrig blieben 1300 Kilo Kampfgewicht, gerade so viel, um in der GT3-Serie mitfahren zu dürfen. Die Leistung ist etwa so hoch wie beim Serienfahrzeug, doch es muss ganz anders gefahren werden. Während das Alltagsauto über 4×4-Antrieb verfügt, konzentriert sich die Kraft beim Rennwagen nur auf die Hinterachse. 700 Newtonmeter Drehmoment zerren an den beiden Antriebsrädern. Um eine optimale Gewichtsverteilung zu erreichen, [foto id=“474657″ size=“small“ position=“left“]wurde der Motor gegenüber dem Ausgangsmodell um gut 300 Millimeter nach hinten versetzt. Das Sechs-Gang-Getriebe sitzt an der Hinterachse, was die Experten „Transaxle-Position“ nennen.
Auch wenn mehr als 50 Elektro- und Komfortsysteme verschwanden, Ledersessel und Rückbank entfernt wurden und an ihre Stelle ein stabiler Stahlkäfig trat, ganz ohne ein bisschen Luxus geht es für diese Marke auch im Rennsport nicht. Die Türen haben komplette Innenverkleidungen – natürlich aus Sichtkarbon – und die Armaturentafel ist in der gleichen symmetrischen Schwingen-Architektur gestaltet, wie beim Kundenmodell. „Ein bisschen typische Bentley-Optik muss sein“, schmunzelt Brian Gush und deutet auf die großkalibrigen Ausströmer hin, die auch hier mit Chrom eingefasst und mit Zughebeln versehen sind.
Ob Rennfahrer Guy Smith dies als Komfortgewinn ansehen wird, wenn er um Punkte und Platzierungen fährt, ist zweifelhaft. Tatsache ist, dass die Zuschauer beim Festival of Speed die Vorführung des bollernden Boliden mit großem Hallo begleiteten. Viel Freude hat die englische Autoindustrie ihnen in den letzten Jahrzehnten auf Rennstrecken schließlich nicht gemacht.
geschrieben von auto.de/(ampnet/afb) veröffentlicht am 15.07.2013 aktualisiert am 15.07.2013
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