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Tesla-Produktion in der Eifel
Die Glocken der St. Servatius Basilika haben damals zwar nicht geläutet. Viel hätte aber nicht gefehlt. Als sich Ende vergangenen Jahres im 5500-Seelen-Nest Prüm in der Eifel die Nachricht verbreitete, der Elektroautobauer Tesla aus dem fernen Kalifornien wolle den mittelständischen Maschinenbaubetrieb Grohmann Engineering übernehmen, war der Jubel groß.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer sprach von „einer wunderbaren Chance für die Region“ und sah vor ihrem geistigen Auge bereits eine Gigafabrik in der strukturschwachen Eifel nach dem Vorbild Teslas riesiger Batteriefabrik in Nevada entstehen. Inzwischen jedoch ist die große Euphorie vorbei. Zurückhaltende Nüchternheit beherrscht noch die Diskussion, aber die Zeichen stehen bereits auf Sturm.
Das 1963 von dem Ingenieur Klaus Grohmann gegründete und am 22. März 2017 in Tesla Grohmann Automation GmbH umbenannte Unternehmen konzentrierte sich von Anfang an auf die Entwicklung und Herstellung von automatisierten Fertigungs- und Montagesystemen. Grohmann ist bekannt für kreative Lösungen und belieferte nicht nur erfolgreich Weltmarktführer aus der Automobilindustrie wie BMW, Daimler oder Bosch. Das Unternehmen avancierte auch selbst mit seiner verhältnismäßig kleinen Belegschaft zum Weltmarktführer auf seinem Spezialgebiet. Am Standort Prüm beschäftigt es 750, insgesamt weltweit etwas mehr als 1100 Mitarbeiter.
Die Aufmerksamkeit von Tesla-Chef Elon Musk hatte Klaus Grohmann auf sich gezogen, weil sein Unternehmen an der Entwicklung des Tesla-Mittelklassewagens Models 3 eng beteiligt war, der ab Juli 2017 in Produktion gehen soll. Der milliardenschwere Musk, Besitzer dreier Staatsbürgerschaften (Südafrika, Kanada, USA) und neben seinem Elektroauto-Engagement auch Chef des Raumfahrtunternehmen SpaceX, reiste im November 2016 eigens von Palo Alto in die Eifel, um in Prüm den Grohmann-Beschäftigten die geplante Übernahme zu verkünden. Den Vortrag hielt er allerdings ohne Übersetzer in Englisch – die meisten Anwesenden verstanden nur Bla-Bla. Zunächst ging aber alles gut. Die Amerikaner versprachen, der Betrieb laufe mit den bisherigen Kunden weiter, Firmengründer und Klaus Grohmann bleibe als Boss weiterhin bei der Stange.
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Dann aber erschien im März 2017 Jeffrey Straubel, Technikchef und Mitgründer von Tesla, höchstpersönlich auf der Bildfläche und verkündete, dass ab sofort bei dem deutschen Unternehmen doch alle Aufträge mit anderen Kunden abgebrochen werden müssten. Die Arbeiten am Tesla Model 3 – konkret werden Maschinen für die Batterie- und Elektronikfertigung hergestellt – hätten unbedingt Vorrang. Daraufhin schmiss Grohmann Gerüchten zufolge beleidigt die Brocken und zog sich mit seinem Verkaufserlös für seine alte Firma in Höhe von 150 Millionen Dollar (ca. 134,5 Millionen Euro) als Privatier in seinen Landsitz bei Prüm zurück.
Andere Quellen besagen, Elon Musk habe ihm den Stuhl vor die Tür gesetzt. Bereits zuvor hatten sowohl die Deutschen als auch die Kalifornier einen Kulturschock zu verkraften. Während zum Beispiel über die Hälfte der Grohmann-Beschäftigten Mitglieder der IG Metall sind, mag der als Leuteschinder verrufene Elon Musk Gewerkschaften überhaupt nicht und findet Arbeitnehmervertreter überflüssig. Erst im vergangenen Oktober hatte er in seinem US-Werk die Zwangs-Überstunden reduziert. Zuvor waren Arbeitszeiten von zwölf Stunden täglich an sechs Tagen in der Woche die Regel gewesen. Verbürgt ist eine E-Mail von ihm an einen Mitarbeiter, der bei einer Tesla-Firmenveranstaltung fehlte, weil er bei der Geburt seines Kindes dabei sein wollte. „Das ist keine Entschuldigung, ich bin extrem enttäuscht“, schrieb Musk. „Sie müssen klären, wo ihre Prioritäten liegen.“ Zudem liegen die Löhne dort ebenso erheblich unter dem Branchenschnitt wie bei Grohmann in Prüm. In der Eifel gibt es laut Michael Ebenau, Gewerkschaftssekretär der IG-Metall-Bezirksleitung Mitte in Frankfurt, 70 bis 75 Prozent des tariflich vereinbarten Einkommens.
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Damit sich das bessert und ihnen nicht etwas Ähnliches droht, womit ihre Kollegen in Übersee seit Jahren leben müssen, fordern sie zusammen mit ihrer Gewerkschaft nun den Abschluss eines Tarifvertrags, den es zuvor in dem inhabergeführten Unternehmen nicht gegeben hatte. Zu den zentralen Forderungen gehören zudem eine Beschäftigungsgarantie und eine „Heranführung der Gehälter an das Tarifniveau“, wie Gewerkschafter Ebenau formuliert. Außerdem haben sie Angst, dass sich ihr Unternehmen in eine gefährliche Abhängigkeit allein von Tesla begibt.
Wie nicht anders zu erwarten war, weigert sich Elon Musk beharrlich, auch nur ein Wort mit der IG Metall zu wechseln. Stattdessen schrieb er im April an seine neuen Mitarbeiter in der Eifel einen Brief, in dem er jedem eine Einmalzahlung von 1000 netto, eine monatliche Lohnerhöhung von 150 Euro und ein Tesla-Aktienpaket im Wert von 10 000 Euro versprach. Musk ließ wissen, er glaube nicht, dass die IG Metall seine Mission teile, den Übergang zu nachhaltiger Energie global voranzutreiben.
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Der Gewerkschaft sowie dem Grohmann-Betriebsrat ist das Angebot allerdings nicht ausreichend, weil es nach den Worten von Michael Ebenau immer noch unter dem Tariflohn liegt. Und dabei geht es nicht nur um das Geld der bereits angestellten Beschäftigten. Das Unternehmen braucht dringend neue Mitarbeiter, heißt es. Die lassen sich aber nicht finden, solange man nicht bereit sei, den üblichen Tariflohns der Branche zu zahlen, sagt Ebenau: „Der Betriebsfrieden ist empfindlich gestört.“ Einen Streik betrachtet der Gewerkschaftler aber vorerst als das letzte Mittel: „Das ist noch nicht unser Ziel. Wir wollen nur Rechtssicherheit. Wir sind für Tesla der richtige Partner, wenn es darum geht, Deutschland als Standort für die Elektromobilität zu etablieren.“ Der Gewerkschafter betont, dass die Arbeitnehmerseite kompromissbereit sei. Doch um einen Kompromiss zu finden, müsse man miteinander reden.
Letztendlich aber dürften die Grohmänner am längeren Hebel sitzen. Kommt es zu ernsthaften Auseinandersetzungen, könnte der Produktionsbeginn des für Tesla wichtigen Models 3 verzögern, was die roten Zahlen des Unternehmens weiter in die Höhe treiben würde. Für 2016 musste das Unternehmen einen Verlust von 600 Millionen Dollar verkraften und im ersten Quartal 2017 weitere 330 Millionen.
geschrieben von AMP.net/jri veröffentlicht am 12.06.2017 aktualisiert am 12.06.2017
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