Nissan

Grüne Genüsse – Elektrisch auf der Whisky-Route

Die am Straßenrand dösenden, frisch geschorenen Schafe, die erst im letzten Augenblick hochschrecken, blicken verblüfft und indigniert. Ein Auto, das ohne bekanntes Geräusch auskommt und sich geradezu anschleicht? Wenn man mit einem Elektrofahrzeug in einer ländlichen Region unterwegs ist, sollte man auf das Überraschungsmoment gefasst sein.

Auf leisen Sohlen

Denn der Nissan Leaf bewegt sich auf leisen Sohlen und mit dem dezenten Surren seiner Antriebsart auf den schmalen und welligen Asphaltbändern von Islay. Die oft einspurigen Straßen führen vorbei an Heidemooren, an knorrigen Bäumen, die sich gegen den Wind stemmen, an sanft dahin rollende Hügel, an  Schaf- und Rinderherden, und einsam gelegene, weißgetünchte Weiler. Immer wieder eröffnet das Panorama den Blick auf unverbaute Buchten und auf das graue Meer, das dieses Eiland vor der Westküste Schottlands umspült. So, genauso, hat man sich immer die Highlands vorgestellt.

Rund 20 Minuten Flugzeit von Glasgow entfernt, ist Islay – von den Einheimischen „Eila“ ausgesprochen – nicht allein wegen seiner spröden Naturschönheit berühmt. Diese Insel in der rauen Hebriden-Gruppe ist für Single Malt-Whisky was Burgund für Weine. Wie die Dörfer der Bourgogne, die großen Lagen ihren Namen verliehen haben, so reihen sich auch auf Islay die alteingesessenen Destillerien mit klangvollen Namen aneinander. Bowmore, Laphroaig, Lagavulin, aber auch nur Insidern bekannte Erzeuger wie Bunnahabhain oder Caol Ila. Auf dem Eiland gehört der kostbare, bernsteinfarbene Geist aus der Flasche zum Lebensgefühl. Man kann ihn durchaus stark verdünnt schon am Morgen angeboten bekommen. Das flüssige [foto id=“427892″ size=“small“ position=“left“]Gold lockt jährlich einige Tausend Touristen an, die sich nur zu gern zu einer Verkostung verführen lassen. Dass jedes dieser Unternehmen einen Shop besitzt, versteht sich von selbst.

Anders als die aus anonymen Mischungen bestehenden Blends der industriellen Whiskys wird Single Malt ausschließlich auf der Grundlage von gemälzter Gerste hergestellt. Bei diesem Verfahren trennt man die Stärke vom Zucker, um so den Alkohol für das Destillieren zu gewinnen. Getrocknet wurde diese sortenreine Masse dann traditionell auf Torffeuern – ein natürlicher Brennstoff, der auf der Insel abgebaut wurde und dem Single Malt seine wohl berühmteste Eigenschaft verliehen hat: dieser typisch rauchige Geschmack.

Am Steuer des Leaf unterwegs…

Am Steuer des Leaf unterwegs, der auf seine Weise auch sortenrein ist, verbietet sich natürlich eine Bekanntschaft mit dem Schatz der Insel. Dafür entschädigt die windgebürstete Landschaft mit ihren wie hingemalt wirkenden Schafen, den faszinierend unterschiedlichen Rinderrassen und dem Spiel der Wolken über der Meeresweite. Der aus 192 Lithium-Ionen-Zellen zusammengesetzte Akku leistet 24 kW und hat wie jedes Stromauto ein schon beim Anfahren anliegendes Drehmoment von 280 Newtonmeter. Auf Islay leben nur 3.000 Menschen, obwohl es die Fläche von Tokio besitzt. Unser Leaf zeigt beim Start eine Reichweite von 90 Kilometern an – das dürfte genügen. Aber auch kleine Sprints nagen an der möglichen Distanz, deshalb empfiehlt sich zur inseltypischen Entschleunigung der sparsame Eco-Modus der Automatik. So kommt man sehr entspannt zu einer anderen Besonderheit von Islay.

Farmer Craigen betreibt wie viele seiner Kollegen nicht nur Vieh- und Landwirtschaft, er züchtet seit 30 Jahren Austern. Diese schmackhaften Meerestiere gedeihen bestens in den von den starken Gezeiten gespülten Buchten. Das Klima von Islay wird vom warmen Golfstrom begünstigt, der für relativ konstante Wassertemperatur sorgt. Das mögen die Austern. Und die Menschen hier mögen, dass zwischen Sommer und Winter allenfalls zehn Grad Unterschied herrschen. Im Hochsommer hat das Wasser 18 Grad und an Land ist es mitunter auch nicht viel wärmer. Farmer Craigen, der seine Austern sogar ins verwöhnte Frankreich exportiert, hat nur bisweilen ein Luxusproblem. Die Muscheltiere werden auf Grund der optimalen [foto id=“427893″ size=“small“ position=“right“]Lebensbedingungen manchmal ein wenig groß. Exemplare mit anderthalb Kilo Lebendgewicht hat er schon aus den Zuchtkörben geerntet. Selbst für Pariser Gourmets ist das zuviel des Guten.

Weltweit hat Nissan schon über 32.000 Modelle des Leaf verkauft. Einer dieser Kunden heißt Mark Reynier, er lebt auf Islay und betreibt eine Single Malt-Destillerie, die sich dem innovativen Eigensinn verschrieben hat. Als er zusammen mit anderen Investoren die verschuldete Destillerie Bruichladdich (ausgesprochen: Bruckladdi) unter hochdramatischen Umständen vor zwölf Jahren kaufte, wendete sich das Blatt zum Besseren und, wenn man so will, auch zum Grüneren. Die inzwischen preisgekrönten Malts des jungen, weil erst 1881 gegründeten Herstellers, schmecken nicht nur köstlich (inzwischen wurde der Leaf wieder an seine Ladestation gehängt), sie sind auch noch nachhaltig. Aus den liebevoll gepflegten viktorianischen Brennblasen aus Kupfer steigt  aromatischer Alkohol auf, ein paar Stufen höher im nächsten Raum der Destillerie entwickelt allein schon die gemälzte Gerste, die in riesigen Holzbottichen dampft ein betörendes Parfum. Das verwendete Getreide stammt zur Hälfte aus lokalem Anbau, die anderen 50 Prozent bezieht Bruichladdich von Biobauern auf dem schottischen Festland. Doch diese Destillerie führt noch aus einem anderen Grund das Wort „Progressive“ im Namen. Reynier war urspünglich Weinhändler in London und hat sein Wissen von der Erzeugung in den besten Anbaugebieten auf die Single Malt-Herstellung übertragen. Als Grand Vin bezeichnet man in Frankreich einen Wein, der, wie Vinologen das in ihrer Fachsprache nennen, aus ausgesuchten Lagen zusammengebaut wird. Das ist das genaue Gegenteil von einem Cuvee-Verschnitt oder einem Blended Whisky. Die Lage, der bestimmte Boden mit seinen aromatischen Charakteristiken ist das sogenannte Terroir. Nach genau dieser Philosophie werden auch Bruichladdich-Malts komponiert. Folglich haben sie auch nie dieselbe Farbe, und ein erst fünfjähriger Single Malt kann mehr Aromen entwickeln, als der zwanzigjährige eines Konkurrenten.

Bruichladdich produziert 750.000 Flaschen im Jahr. Hinter den traditionsreichen Namen vieler anderer Malt-Destillerien verbergen sich heute Spirituosen-Multis, die bis zu 7,5 Millionen Flaschen im Jahr abfüllen und geschickt den Manufakturgedanken vermarkten. Single Malt liegt seit Jahren im Trend, dessen Genuss signalisiert Kennerschaft und Fans sind auch bereit, über 100 Euro für eine Flasche zu bezahlen. Reynier hat sich mit Leidenschaft dem Whisky verschrieben, [foto id=“427894″ size=“small“ position=“left“]aber er zelebriert ihn nicht. „Dieser Alkohol hat über 100 Geschmackskomponenten (zum Vergleich: Käse hat nur sieben), daher muss man ihn mit Wasser verdünnen. Dann erst entwickeln sich die unterschiedlichen Aromen im Glas.“ Zeit ist wie bei der Herstellung auch ein wesentlicher Faktor beim Trinken.

Den Leaf hat er sich nicht als Ausdruck grünen Gewissens gekauft, sondern weil ihm das Design auf Anhieb gefallen hat. Und weil die stromversorgte Reichweite für Islay mehr als ausreichend ist. Gerade entwickelt er eine Biogasanlage, um die Energie für die Destillerie völlig autark zu erzeugen. Ein Teil des Gerste-Abfallprodukts geht zurück an die Bauern, um damit das Vieh zu füttern, der andere versorgt Bruichladdich mit Strom. Der Leaf profitiert an seiner Ladestation auf dem Werksgelände ebenfalls von der wundersamen Verwandlung von Gerste in Strom.

Und noch etwas könnte irgendwann Schule machen, dass jetzt auf Islay vorgestellt wurde. Nissan hat kleine Generatoren entwickelt, die im nach Fukushima unterversorgten Japan den Batteriestrom des aufgeladenen Leaf ins Haus leiten. Die Kapazität genüge für zwei Tage, so der Hersteller. Ob sich dieses Konzept auch in Europa umsetzen ließe, wird geprüft. Bis dahin kann man in aller Ruhe noch einen Schluck Single Malt auf der Zunge zergehen lassen.

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