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Irgendwann Anfang der 90er Jahre muss sich der Geschmack der deutschen Autokäufer schlagartig geändert haben. Waren bis dahin noch rund ein Drittel aller Neuwagen rot, wollte die Signalfarbe plötzlich niemand mehr sehen. „Silbergrau“ hieß das stilistische Motto der Stunde und Autos rollten von nun an im stählernen Uni-Ton von den Produktionsbändern. 2005 wurden in Deutschland 1,5 Millionen graue Autos verkauft, knapp 45 Prozent der gesamten Neuzulassungen. Das scheint sich nun zu ändern: Farbdesigner propagieren eine neue Farbigkeit. Und auch Weiß ist wieder auf dem Sprung. Mercedes-Benz etwa hat sein Luxus-Coupé CL jüngst in der mittlerweile seltenen Farbe vorgestellt. Und es sieht überraschend gut aus.
Der Wandel in der Lackmode hat nicht nur ästhetische Ursachen. Technische Neuerungen bei Farbpartikeln, Trägerchemikalien und Verarbeitungsverfahren haben in den vergangenen Jahren ganz neue Pkw-Schattierungen möglich gemacht. Die letzte große Lackrevolution war das Aufkommen haltbarer Metallic-Töne in den 80er Jahren. Bereits vor dem zweiten Weltkrieg wurden Fisch-Schuppen in den Lack eingearbeitet, um schillernde Effekte zu erzielen; doch das war teuer, so dass bald gehämmerte Aluplättchen das natürliche Perlmutt ersetzten. Mit einer zusätzlichen Schutzlackierung konnte dann in den 80ern auch das Problem der Haltbarkeit gelöst werden. Heute ist etwa bei Mercedes-Benz rund 80 Prozent der Produktion metallisch lackiert.
Und neue Glitter-Partikel erweitern die Palette möglicher Töne immer mehr. Mittlerweile changieren manche Autos gleich in mehreren Farben. Dabei ist die Entwicklung neuer Lacke teuer und zeitaufwändig. „Nicht jeder Farbton ist ohne weiteres für Autos einsetzbar. Violetttöne etwa leiden besonders unter UV-Einstrahlung und verblassen schneller“, so Berndt Bergk, Ingenieur im Stuttgarter Forschungsinstitut für Partikel und Lacke. Daher muss jeder neue Lack seine Farbechtheit bei der so genannten „Florida-Bewetterung“ beweisen. In dem US-Staat herrschen extreme Bedingungen: Sonne, salzige Luft, viel Regen. Erst wenn ein lackiertes Auto diesen Test zwei Jahre ohne Verblassen übersteht, geht die Farbe in Serie; in Deutschland soll sie dann locker drei bis vier Mal so lange halten.
Aber nicht nur neue Farbtöne revolutionieren den Autolack. Bei Nano-Lacken bilden kleinste Keramikpartikel einen Schutzpanzer, der vor Kratzern schützen soll. Forscher arbeiten zudem schon an selbstreinigenden Lacken; eine Lotus-Oberfläche etwa könnte Schmutz am Ablagern hindern, alternativ könnten chemische Bestandteile des Lacks mit Schmutzpartikeln reagieren und diese auflösen. Nissan hat sogar einen Lack entwickelt, der sich selber repariert. Stöße und Kratzer dellen nur eine Kunstharz-Schicht über der empfindlichen Farbe ein; da die Schutzschicht elastisch ist, findet sie nach ein bis zwei Tagen wieder in ihre ursprüngliche Form zurück. Eine Markteinführung planen die Japaner bereits für das kommende Jahr. Schwieriger zu reparieren sind da die Mattlacke mit Haifisch-Haut-Oberfläche: Kratzer können dort naturgemäß nicht herauspoliert werden. Dafür bringt die raue Oberfläche neben interessanter Optik auch einen günstigen Strömungswiderstand mit. BMW will die neue Lacktechnik bald auf den Markt bringen.
Zukunftsmusik hingegen ist noch das Farbwandler-Auto. Zwei oder mehr Lackschichten in unterschiedlichen Farben werden dabei übereinander aufgetragen. Mit elektrischer Spannung können dann die oberen Schichten auf „Transparent“ geschaltet werden, so dass die darunter liegende Farbe sichtbar wird. In frühestens zehn Jahren erwartet Bergk die Serienreife. Denkbar wären dann Fahrzeuge, die nachts heller und besser sichtbar würden oder bei einem Unfall in Signalfarben erstrahlen könnten. Mit LED-Zellen auf der Karosserie soll es zudem irgendwann möglich sein, sogar Fernsehbilder auf die Autooberflächen zu projizieren. Dann hätte die schwierige Wahl der richtigen Autofarbe für den Kunden endgültig eine Ende. Holger Holzer/mid
mid
geschrieben von veröffentlicht am 26.06.2006 aktualisiert am 26.06.2006
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