Hintergrund: Autokrise in den USA – Horrorszenario für die Politik

Zwischen Horrorszenario und freundlichem Ausblick bewegten sich die Aussagen der Bosse der US-Automobilindustrie am 18.11.2008 vor dem US-Senatsausschuss für Banken, Wohnungsbau und kommunalen Angelegenheiten. Chrysler, Ford, General Motors (GM) und die Gewerkschaft legten den Politikern in ungewohnter schöner Einmütigkeit dar, dass sie dieses Jahr noch 25 Mrd US-Dollar Kredit brauchen, obwohl jeder von ihnen schon Großes beim Einsparen und bei der Neuausrichtung der Konzerne geleistet habe.

GM-Chef Rick Wagoner verdeutlichte mit den Zahlen seines Unternehmens, worum es bei dem Ruf nach Geld geht: „General Motors hat selbst 96 000 Mitarbeiter. Wir haben 6500 Händler, die ihrerseits 340 000 Angestellte beschäftigen. Im vergangenen Jahr haben wir Waren im Wert von mehr als 30 Mrd US-Dollar von rund 2000 Zulieferern in 46 Staaten gekauft. Unser Pensionsprogramm unterhält 475 000 ehemalige Mitarbeiter und deren Witwen oder Witwer, und unser Gesundheitsprogramm nutzen rund eine Million Amerikaner.“

Drei Millionen Arbeitslose im ersten Jahr nach einer Pleite der Großen Drei – in dieser Prognose waren sich die drei einig. Damit würden in den ersten drei Jahren rund 150 Mrd US-Dollar an Einkommen wegbrechen. Der Staat würde noch einmal etwa dieselbe Summe an Steuern verlieren. Doch auch das, was mit dem Riesenkredit auf die Mitarbeiter zukommt, klingt nicht gerade nach Zuckerschlecken. Wagoner will die Kapazitäten in Nordamerika zurückfahren, die Produktion von den Ligth Trucks und Sports Uility Vehicles (SUV) auf Limousinen und Crossover-Varianten umstellen, weiterhin Teile von GM verkaufen, die Dividendenzahlungen an die Aktionäre aussetzen, die Gehaltssteigerungen und Bonuszahlungen bei Führungskräften begrenzen und aus der Verpflichtung aussteigen, für die mehr als 65-jährigen Pensionäre die Gesundheitskosten zu tragen.

Chrysler Chief Executive Officer Bob Nardelli ließ keinen Zweifel daran, dass die Zeit drängt. Das Geld müsse noch in diesem Jahr fließen, wenn man nicht die Insolvenz bei Chrysler riskieren wolle. Spätestens mit seinem Statement wurde deutlich, dass es jetzt nicht darum geht, der Industrie einen Kredit zu gewähren, damit sie die Umstellung auf kleinere und umweltfreundliche Fahrzeuge schneller schafft. Es geht ums Überleben. Die US-Autobauer, ihre Zulieferer und Händler brauchen Liquidität, weil die Banken sie nicht zur Verfügung stellen. Chrysler benötigt, so Nardelli, 7 Mrd. US-Dollar. „Wir kommen zum Ende des Jahres gefährlich dicht an das Mindestniveau für Liquidität“, erklärte er. „Deswegen beantragen wir eine sofortige Geldzufuhr.“

Das Weiße Haus will in die Regeln für den Kredit eine deutliche Verpflichtung zu mehr umwelt- und klimafreundlichen Entwicklungen hineinschreiben und sieht deswegen keine Möglichkeit, noch in dieser Woche zu einer Verabschiedung eines Auto-Rettungs-Gesetzes mehr. Aber es mehren sich die Anzeichen, dass es tatsächlich zur verlangten riesigen Liquiditätsspritze kommen wird. Der Senat hat den Chef der Großen Drei aber dennoch aufgetragen, sie mögen beweisen, dass die Branche es wert ist, gerettet zu werden.

Dabei hatten sie wohl auch den aktuellen Zustand der Geschäftszahlen und die jüngere Vergangenheit im Blick. Ford-Chef Allan Mullaly hatte versucht dem vorzubauen. Die Kritiker, die ein neues Geschäftsmodell verlangten, hätten wohl übersehen, dass auch Ford in einer totalen Umbauphase stecke, erklärte er. Allerdings dürften die Zahlen, die er zum Beweis des Wandels anführte, die Politiker auch in der Rückschau noch einmal das Fürchten gelehrt haben. Ford hat in den vergangenen fünf Jahren 17 Werke in den USA geschlossen und in den vergangenen drei Jahren die Zahl der Arbeitsplätze um 51 000 auf nur noch 77 000 verringert. Bei den beiden anderen verlief die Entwicklung ähnlich.

Natürlich treten in den USA jetzt Kritiker auf den Plan, die Politik solle sich heraushalten und den Crash der Automobilindustrie nicht verhindern, sondern als Chance nutzen. Die Dinosaurier sollen endlich aussterben und dann im Zuge der Insolvenzabwicklung neue, bewegliche Unternehmen entstehen. Das wird sich weder die amtierenden noch die kommende Administration wohl kaum leisten wollen.

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