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Wartburg
Geheimplan! Das klingt spannend. Seitdem „Auto Bild“ von der Existenz eines Opel-Geheimplanes erfahren haben will, in dessen Mittelpunkt die Wiederbelebung der Marke „Wartburg“ stehen soll, werden in der journalistischen Gerüchteküche verschiedene Rezepte ausprobiert, um Appetit auf ein solches Auto zu machen. Es ist sozusagen angerichtet. Doch die erdachten Kreationen passen nicht so recht zusammen.
In Eisenachs Rathaus am Markt dreht sich vieles um Opel. Verständlicherweise. Immer dann, wenn sich hoher Besuch bei der Opel Eisenach GmbH anmeldet, bekommt davon natürlich auch der Oberbürgermeister der Stadt Wind. Er, Matthias Doht (SPD), war schließlich selbst mal einer, der „zu Wartburg-Zeiten“ sein Geld bei AWE, beim Automobilwerk Eisenach, verdiente. Das allein würde genügen, sein Interesse an allem wachzuhalten, was das Schicksal des Automobilwerks im Hörseltal betrifft.
Aber da ist mehr. Es schwingt Stolz mit, wenn von Opel Eisenach die Rede ist. Immerhin hat das Werk innerhalb der GM-Gruppe eine anerkannte weltweite Vorbildfunktion für modernste Fertigungsmethoden. Der Komplex an der Adam-Opel-Straße 100 gilt als einer der fortschrittlichsten europäischen Automobilstandorte. Inzwischen liegen mehr als 15 Jahre Opel-Fertigung hinter dem einstigen Wartburg-Werk. Die Corsa-Produktion läuft auf vollen Touren. 2008 wurden 157.000 Fahrzuge produziert.
Wie damals beim Opel-Produktionsjubiläum, als Bundespräsident Horst Köhler in Begleitung von Thüringens Ministerpräsidenten Dieter Althaus das Werk besuchte und erklärte, Opel Eisenach sei „eine einzigartige Erfolgsgeschichte“, stellte sich vor Tagen wiederum hoher Besuch in der Stadt ein. Diesmal allerdings gab es in den anstehenden Gesprächsrunden eher ernste, angespannte Gesichter, ging es doch um rettende Weichenstellungen für die angeschlagene GM-Tochter Opel. Gleich in zwei Missionen, als Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat, war Frank-Walter Steinmeier nach Eisenach gekommen, um mit Opel-Chef Hans Demant und Opels Gesamtbetriebsratschef Klaus Franz über Wege aus der Krise des Unternehmens zu beraten.
Beim Gespräch zwischen Demant und Eisenachs Oberbürgermeister kreisten die Gedanken auch um ein „Billigmodell“ auf Basis eines abgespeckten Corsa. Die Idee habe in der Vorstellung Gestalt angenommen, bestätigte ein Insider des Geschehens im Eisenacher Werk gegenüber „PS Automobil Report“, dass als Basis auch das in Brasilien vertriebene Stufenheckmodell dienen könnte, der Chevrolet Corsa.
In einem Anflug journalistischer Übertreibung hieß es anschließend in verschiedenen Medien, Kanzlerkandidat Steinmeier sei „begeistert“ von solchem Plan, weil er Arbeitsplätze sichere. Das Gerücht vom Dienst brachte gar einen dementsprechenden „Geheimplan“ in Umlauf, den GM-Europachef Carl-Peter Forster in der Tasche habe. Und sogleich war auch ein Markenname für das Gefährt gefunden, das vermeintlich das Überleben des Standorts Eisenach im Fall einer Opel-Pleite sichere. „Wartburg“ könne Opels Billigheimer doch heißen, schlug einer in der Runde vor.
Wo ist der Witz? – Bis auf den Dreizylinder-Motor ließen sich prägende Gemeinsamkeiten zwischen einem Billig-Wartburg und einem Corsa in der Einstiegsvariante nicht entdecken. Der zweitaktende Wartburg hat sich im Laufe seines Daseins manche Häme gefallen lassen müssen. Als Kleinwagen aber wurde er nie belächelt. So viel Erniedrigung ging dann doch nicht. Schwer vorstellbar, wie ein Konzept auf Corsa-Basis auch nur andeutungsweise eine Identifikation mit der einstigen Eisenacher AWE-Kreation hergeben soll. Mitunter bringen es Begeisterung und Fantasie fertig, dass einfachste Logik Purzelbäume schlägt.
Im Übrigen liegen die Namensrechte bei der Wartburg-Stiftung, die sich die Wortmarke „Wartburg“ für verschiedene Produkte, unter anderem auch für Automobile habe schützen lassen, wie Geschäftsführer Launert schon mal wissen ließ. Im Falle eines Falles wären zumindest Lizenzgebühren fällig, wenn es denn überhaupt eine Einigung gäbe.
Klar doch, dass Gedanken hin zu einem Billig-Wartburg von Renaults glorreichem Dacia-Feldzug initiiert werden. Aber die Kopie eines erfolgreichen Konzepts muss nicht zwangsläufig gleichermaßen überzeugend ausfallen. Ohnehin spielt der Name eines Autos zu konkurrenzlos niedrigem Preis wohl eher eine untergeordnete Rolle.
Natürlich bleibt nicht ohne Wirkung, wenn unter dem Dacia-Schriftzug „Sandero“ „by Renault“ zu lesen ist. Aber, bei Licht besehen, dient der Name der rumänischen Renault-Tochter wohl eher als Feigenblatt. Die stolze französische Mutter als „Créateur d’automobiles“ will als Geburtshelfer eines Billigautos wahrgenommen werden, mehr nicht. Anschaffen zum Niedrigpreis erledigt Tochter Dacia. Dass sie das außerordentlich emsig tut, gerät nicht zur Schande. Im Gegenteil! Renaults Vorpreschen ins Billigsegment beweist, dass es für Autos zu „volkstümlichen“ Preisen riesigen Bedarf gibt. Weltweit. Tochter Dacia ist mittlerweile gleich mit mehreren Angeboten im Geschäft. Wer ihr nachsetzen will, muss sich verdammt sputen. Opel hat vorerst anderen Ehrgeiz. Verständlicheren.
geschrieben von (automobilreport.com/Wolfram Riedel) veröffentlicht am 25.05.2009 aktualisiert am 25.05.2009
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