Honda Crosstourer: V-Mann fürs Grobe

Sportler sind out, Reiseenduros sind in – auf diesen kurzen Nenner lässt sich die Entwicklung im hiesigen Zweiradmarkt bringen. Schade für den Branchenriesen Honda, der bislang mit keinem Modell dort so richtig punkten konnte – die in die Jahre gekommene Varadero 1000 findet kaum noch Zuspruch, die ebenfalls überalterte Transalp wird mit ihrem schwachbrüstigen 680-ccm-V2-Motor nicht richtig ernst genommen. Doch Abhilfe naht: Ab März soll die neue Crosstourer diese Lücke im Programm schließen, dafür haben die Entwickler die Optik des Crossrunners mit dem Antrieb des Sporttourer-Flaggschiffs VFR 1200 F gekreuzt.

Mit der weit heruntergezogenen Verkleidung und dem großen Motor wirkt die Crosstourer recht massig, ein Eindruck, der sich aufgesessen nur teilweise bestätigt: Es sitzt sich sehr gut auf dem breiten Polster, die Füße finden bequemen Halt und der Lenker liegt gut zur Hand. Auch der Knieschluss ist gut, wenngleich [foto id=“406155″ size=“small“ position=“left“]der Tank etwas breit baut. Den Boden erreichen Durchschnittsgrößen passabel, zwischen den Beinen spürt man einen recht hohen Schwerpunkt.

Nach dem Druck aufs Starterknöpfchen genießt man den bulligen V4-Sound aus dem halbhoch auf der rechten Seite verlegten Schalldämpfer. Anders als in der VFR zeigt sich der flüssigkeitsgekühlte V4-Motor mit 1 237 ccm Hubraum auf Durchzugsstärke im unteren und mittleren Drehzahlbereich getrimmt, so dass von einstmals 172 Pferdchen nur noch 95 kW/129 PS übrig bleiben. Lohn der Drehmoment-Kur mit geänderten Nockenprofilen und Luftführungen ist satter Druck bereits ab 2500 Touren, der eine schaltfaule und dennoch sportliche Fahrweise möglich macht – angesichts der recht langen Endübersetzung eine positive Überraschung.

Statt einem Gaszug steuert ein elektronisches Throttle-by-Wire-System die Benzineinspritzung, eine kaum merkliche Verzögerung beim Gasgeben ist die einzige negative Auswirkung. Sportliches Herunterschalten am Kurveneingang ist dank der Antihopping-Kupplung wunderbar möglich, die nach dem gleichen Prinzip wie bei der supersportlichen CBR1000RR Fireblade funktioniert. Die Komponente vermeidet das lästige Stempeln des Hinterrads zuverlässig. Ein Kurbelwellen-Hubzapfenversatz von 28 Grad erübrigt [foto id=“406156″ size=“small“ position=“right“]darüber hinaus eine Ausgleichswelle und eliminiert tatsächlich fast alle Vibrationen.

Optional gibt es eine überarbeitete Generation des automatischen Doppelkupplungsgetriebes DCT im Einsatz – bei Honda noch bei den vier Modellen VFR, NC 700 X und S sowie Integra. Hier liegen die zwei Kupplungen hintereinander auf einer Wellenachse, dadurch steht der Kupplungsdeckel rechts etwas weiter heraus. Links fehlt dem DCT der Kupplungs- und Schalthebel. Stattdessen gibt es am linken Lenkerende eine Schaltwippe zum manuellen Hoch- und Runterschalten. Am Lenker rechts kann zwischen den Automatikmodi D für die spritsparende Tour und S für Sport oder der manuellen Gangwahl gewählt werden. Neu ist, dass der Zentralrechner nach dem manuellen Herunterschalten zum Überholen oder vor der Kurve das normale Fahrverhalten wieder “erkennt“ und selbsttätig den vorher gewählten Automatikmodus einschaltet. Das funktioniert ausgezeichnet, der fast ohne Unterbrechung vorhandene Kraftschluss zwischen Motor und Kardan macht das Fahren kinderleicht. Nur in langsam gefahrenen Abschnitten schaltet das DTC [foto id=“406157″ size=“small“ position=“left“]manchmal mehrfach zwischen erstem und zweitem Gang hin und her und nervt mit Geräuschen und kleinen Vortriebsschwankungen. Neben dem Zuschlag von 1 000 Euro auf den Basispreis von 13 490 Euro trägt das DTC zehn Kilo Eigengewicht zu den ohnehin üppigen 275 Kilo bei.

Die kommen beim Fahrwerk durch den Aluminium-Brückenrahmen, eine Upside-Down-Telegabel und die formschöne Einarmschwinge samt Kardanwelle zustande. Zahlreiche konstruktive Kniffe minimieren die Lastwechselreaktionen, doch provozierte Gaswechsel entlarven den Kardanantrieb. Bei der Abstimmung hat Honda sich für eine eher komfortable Auslegung entschieden, entsprechend dem tourigen Einsatz. So gleitet die Crossrunner sanft über unebenes Geläuf, lässt aber bei sportiver Hatz durchs Hinterland ein wenig die Präzision und Genauigkeit vermissen. Der gummigelagerte Lenker hält zwar Vibrationen von den Händen fern, sorgt aber für ein etwas indirektes Gefühl beim Einlenken vom Vorderrad.

Der engagierten Kurvenhatz über gewundene Hinterlandstraßen tut das indes keinen Abbruch, die Crosstourer rollt trotz des Gewichts erstaunlich flott auf ihren hübschen Kreuzspeichenrädern ums Eck. Die sind mit Genre-typischen Reifendimensionen von 19 Zoll vorn und 17 Zoll hinten besohlt.

Fast bedenkenlos lässt es sich am Kurvenausgang Gas geben, denn die eingebaute Traktionskontrolle greift bei zu viel Übermut oder zu wenig Grip regelnd ein. Für die durchaus möglichen moderaten Einlagen auf unbefestigten Feldwegen ist das elektronische Helferlein zudem abschaltbar. Für beste Sicherheit sorgt ein sportlich abgestimmtes ABS mit zwei 310er Bremsscheiben und Sechskolben-Festsattel vorn sowie einer [foto id=“406158″ size=“small“ position=“left“]Scheibe hinten. Knackig dosierbar und sehr effektiv verzögert die Crosstourer richtig sportiv und in jeder Lage absolut vertrauenserweckend, das serienmäßige ABS greift erfreulich spät ein.

Fazit

Kardanantrieb, Ergonomie, Windschutz und Ausstattung machen die Crosstourer zum bequemen Begleiter auf langen Touren, ohne auf Agilität und Dynamik verzichten zu müssen – auch wenn der V4-Motor ruhig etwas prägnanter sein dürfte. Für den Preis von 13 490 Euro gibt es gleich drei Jahre Garantie und Serviceintervalle von 12 000 Kilometern, für 1 000 Euro mehr kommt dazu das exklusive DTC-Automatikgetriebe.

Datenblatt Honda Crosstourer

Straßenenduro
Antrieb: flüssigkeitsgekühlter Vierzylinder-Viertakt-V-Motor,
vier Ventile je Zylinder
Hubraum: 1 237 ccm
max. Leistung: 95 kW/129 PS bei 7 750 U/min
max. Drehmoment: 126 Nm bei 6 500 U/min
   
elektronische Kraftstoffeinspritzung, geregelter Katalysator, Sechsganggetriebe, Kardanantrieb, Aluminium-Brückenrahmen, Upside-Down-Telegabel vorn, Einarmschwinge mit angelenktem Federbein hinten, zwei Scheibenbremsen vorn, eine hinten, C-ABS
   
Reifen: vorn 110/80R19, hinten 150/70R17
Sitzhöhe: 815 mm
Tankinhalt: 21,5 l
Gewicht vollgetankt: 275 kg (mit DTC 285 kg)
zul. Gesamtgewicht: 469 kg (mit DTC 479 kg)
   
Preis: 13 490 Euro (mit DTC 14 490 Euro)

UNSERE TOP-ANGEBOTE FÜR SIE

MEHR ERFAHREN AUS DEM BEREICH NEWS

Die Transformation: Mit Kia in Walla Walla

Die Transformation: Mit Kia in Walla Walla

Tesla liefert mehr Reichweite

Tesla liefert mehr Reichweite

Elektrischer Familienfreund zum Sparkurs

Elektrischer Familienfreund zum Sparkurs

zoom_photo