VW

Interview: Hubert Waltl zur Produktionsstrategie für den Golf

Hubert Waltl ist Vorstand für Produktion und Werke der Marke Volkswagen. Nach Umstellung des Werkes in Wolfsburg auf den Modularen Querbaukasten und nach dem Anlauf des Golf VII ist vieles neu für die Belegschaften. Zum aktuellen Stand Fragen an Hubert Waltl.

Welches Golf-Derivat der siebten Generation ist Ihr Favorit?

„Mich begeistert besonders der neue Golf GTD, weil bei ihm Fahrspaß, Leistung und Verbrauch meiner Meinungvnach in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen.“

Welches Fahrzeug bewegen Sie derzeit als Dienstwagen?

„In der Regel fahre ich die Modelle von Volkswagen, die wir gerade neu auf die Straße bringen. Mir ist es wichtig, unsere Produkte bis ins kleinste Detail selbst beurteilen zu können. Aktuell fahre ich einen weißen Golf und einen Passat Alltrack.“

Was macht für Sie die Faszination am neuen Golf aus?

„Ganz klare Antwort: Das Design und die Präzision, die das Fahrzeug hat. Der neue Golf ist in jeder Hinsicht noch einmal eine deutliche Steigerung zu seinem Vorgänger.“

Warum ändert sich der Golf aber immer nur in kleinen Teilen – die siebte Generation ähnelt der sechsten Generation?

„Der Golf wird immer der Golf bleiben. Wir wollten bewusst kein anderes Auto erfinden. Das würde weder zur Marke, noch zum Produkt passen. Allerdings haben wir bei der siebten Generation eine komplett neue Plattform geschaffen. Die technischen Details sind auf den ersten Blick von außen gar nicht sichtbar, aber in Sachen Innovation und Gewichtsreduzierung haben wir einen großen Schritt gemacht. Der neue Golf ist rund 100 Kilogramm leichter als sein Vorgänger. Das sind in der Automobilproduktion echte Welten.“

Das Werk in Wolfsburg wurde eigens für die Golf-Produktion (MQB) umgerüstet. Wie sieht es derzeit mit der Produktionsroutine der Belegschaft aus?

„Wir haben sowohl Wolfsburg als auch unser Werk in Zwickau umgerüstet. Beide Werke haben sich hervorragend auf den neuen Golf vorbereitet und Ihre Hausaufgaben gemacht. Die Mannschaften wurden im Vorfeld in extra eingerichteten Trainingszentren auf die neue Technik hin qualifiziert. Beide Standorte wussten genauestens was sie zu tun haben. Zudem haben die Teams für kommende Anläufe auf MQB-Basis – beispielsweise für den neuen Golf in Mexiko oder im chinesischen Foshan – wichtige Erfahrungen gesammelt. Das ist gelebtes Netzwerken.“

Wo liegen die größten Unterschiede zwischen den Werken Wolfsburg und Zwickau?

„Engagement und Stolz auf das Erreichte ist bei beiden Mannschaften gleich hoch. Ein Unterschied liegt jedoch darin, dass Wolfsburg als Werk noch größer ist als Zwickau. In Wolfsburg haben wir im vergangenen Jahr insgesamt 760 000 Fahrzeuge der Modelle Golf, Golf Plus, Tiguan und Touran, gebaut – in Zwickau waren es 226 000 Golf und Passat. Die Komplexität in Wolfsburg ist damit noch höher.“

Wo lagen im Anlauf des neuen Golf die größten Schwierigkeiten?

„Jeder Modellanlauf ist an sich eine echte Herausforderung. Die Werke stehen dann voll unter Strom und arbeiten besonders fokussiert auf das Ziel SOP, also den Produktionsstart hin. Beim neuen Golf haben wir die Standorte Zwickau und Wolfsburg in extrem kurzer Zeit komplett auf die neue Baukastensystematik umgerüstet – bei gleichzeitig noch voll laufender Produktion des Golf VI. Das war wie eine Operation am offenen Herzen. Damit nicht genug mussten sich die Teams in kürzester Zeit auf neue Vernetzungen im Karosseriebau und eine neue Fertigungsrobotergeneration einstellen.“

Stichwort Drehscheibenkonzept: Kann die Produktion sämtlicher Derivate des Golf (Variant, Limousine, Zwei- und Viertürer) wirklich flexibel auf die Volkswagen Standorte in Deutschland verteilt werden?

„Absolut. Das ist ja gerade das Geheimnis unserer Baukastenstrategie: größtmögliche markenübergreifende Flexibilität. Das ausgleichende Element ist in diesem Fall der Standort Zwickau. Aktuell fahren wir den Golf in Zwickau hoch und rüsten gleichzeitig das Werk für den Golf Variant-Anlauf ein. Parallel dazu fahren wir die Passat-Produktion in Zwickau herunter und produzieren das Passat-Volumen dann im Werk Emden. Noch ein Hinweis zu den Derivaten: Der neue Elektro-Golf und der Golf GTI werdenausschließlich in Wolfsburg gebaut. Der Golf Variant dafür in Zwickau.“

Und an welchen Standorten wird dieses Golf-Drehscheibenkonzept erweitert praktiziert?

„Wie gesagt: Mit den Werken Emden, Wolfsburg und Zwickau innerhalb Deutschlands. Künftig erschließen wir uns aber mit der Golf-Fertigung in Foshan/China und Puebla/Mexico weitere zusätzliche regionale Absatzmärkte.“

Osnabrück baut nun neben dem Cayman und Boxster von Porsche und den Golf Cabrio von Volkswagen die Kleinserie XL-1. Ist ein weiteres Volumenmodell für diesen Standort in Sichtweite? „Wir haben derzeit drei starke Modelle am Standort – plus unserer technologischen Speerspitze, dem Ein-Liter-Auto XL1. Osnabrück ist damit spezialisiert auf Spezial- und Nischen-Modelle. Wir dürfen den Standort von der Komplexität her nicht überfrachten.“

Welche Volkswagen-Modelle werden als nächstes an die Baukästen angepasst?

„Wir werden nach dem Golf auch die weiteren Volkswagen Modelle schrittweise auf die Baukastensystematik umstellen. Wir wenden diese neue Architektur also künftig auch bei Passat, Polo, Tiguan und Touran an.“

Steigende Flexibilität, weniger Überstunden. Was bedeutet die Baukastenstrategie für die Belegschaft in Europa – vor dem Hintergrund der stagnierenden Absätze?

„Ganz wichtig ist zu wissen: Effizienzsteigerung in der Fertigung ist nicht automatisch mit weniger Personalbedarf gleichzusetzen. Vielmehr sichert unsere Modulstrategie langfristig Arbeitsplätze und Standorte. Die gestiegene Flexibilität in der Produktion ist quasi die Grundvoraussetzung für unser weiteres Volumenwachstum. Diese Hausaufgaben müssen wir machen, wenn wir weltweit erfolgreich bleiben wollen.“

Wie viele Arbeitsstunden konnten mit der Umstellung auf MPB/MQB tatsächlich eingespart werden?

„Wir sind in 2012 mit der Umstellung auf MQB gestartet und führen diese Systematik nun schrittweise an unseren Standorten ein. Wir sind überzeugt, dass unsere Strategie in den Folgejahren zur positiven Ergebnisentwicklung und auch zur Reduzierung der Arbeitsstunden je Fahrzeug beitragen wird.“

Toyota hat es vorgemacht: VW folgt dafür aber mitenormer Kraft. Die Gleichschaltung mit den Baukästen birgt Gefahren. Was tun Sie, um davor gefeit zu sein?

„Höchste Sensibilität in Qualitätsfragen steht bei uns ganz oben auf der Agenda. Wir wissen: Eine entscheidende Voraussetzung für erfolgreiches internationales Wachstum ist die Qualität unserer Produkte und unserer Prozesse. Mögliche Probleme werden bei uns schnell identifiziert, analysiert und dann in Folge abgestellt. Vieles wird über die richtige Zusammensetzung der ganzen Mannschaft entschieden – vom Facharbeiter bis zum Management.“

Golf 7 vs. Golf 6: Welche Einsparungen in Prozentbringen MQB und MPB bei Bauteilen und Produktionskosten?

„Allein beim Gewicht haben wir bei der Karosserie 23 Kilogramm eingespart. Durch die Umsetzung moderner Verfahren haben deutlich weniger Blechausschuss, was wiederum die Materialkosten senkt. Es ist also die Summe vieler kleiner Details, die den Unterschied ausmacht.“

Das Horrorszenario bei Vereinheitlichung sind Fehler, die sich multiplizieren. Wir haben aus Zulieferkreisen gehört, dass der Kabelbaum so ein Problem ist. Besonders beim Golf. Wie sehen die derzeitigen Pläne aus, diese Problematik in den Griff zu bekommen?

„Uns sind keine derartigen Probleme bekannt.“

Wie entwickelt sich die Anlaufkurve des neuen Golf und seiner Derivate?

„Genau nach Plan. Wir sind auf Zielkurs. In Wolfsburg und Zwickau bauen wir derzeit schon mehr als 2000 Autos pro Tag.“

Ist das Investitionsvolumen beim neuen Golf noch im Kostenrahmen?

„Die Ampeln stehen in allen relevanten Bereichen auf Grün. Qualität, Kosten und auch unsere ehrgeizige Hochlaufkurve haben wir im Griff.“

Die Werke sind derzeit, vor dem Hintergrund der schwachen EU-Märkte nicht ausgelastet. Was brauchen Sie in Deutschlands Standorten, um weiter profitabel zu sein?

„Wir werden weiterhin an unserer Produktivität arbeiten und uns hier stetig weiterentwickeln. Wir sind in der Lage, weltweit die besten Autos zu produzieren und damit viele Arbeitsplätze rund um den Erdball zu sichern. Dies schaffen wir, weil wir ein tolles Team und das weltweit beste Ausbildungssystem haben.“

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