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Jaguar
Der berühmteste Geheimagent der Welt ist zweifellos James Bond. Das berühmteste Geheimagenten-Auto heißt aber nicht Aston Martin, sondern Jaguar E-Type. Den fuhr Jerry Cotton. Nur ganz wenige Sportwagen erreichten ähnlichen Kult-Status wie die englische Raubkatze. Vor genau 50 Jahren wurde sie aus dem Käfig gelassen. Blick in die Historie und eine Begegnung in der Gegenwart von Axel F. Busse
Mit einem wohlklingenden Echo auf die Neuigkeit hatte Sir Willam Lyons durchaus gerechnet, die überschwänglichen Reaktionen übertrafen jedoch alles Erwartete: Rund 200 Motor-Journalisten hatte der Gründer der Marke Jaguar am 15. März 1961 ins Hotel Parc des Eaux Vives eingeladen, um ihnen das neue Modell vorzuführen. Ein zweites Exemplar stand ein paar Kilometer weiter in der Messehalle des Genfer Automobil-Salons. Doch um die ausufernde Nachfrage nach Probefahrten zu befriedigen, konnte das Ausstellungsstück nicht eingesetzt werden. Also musste ein zusätzliches Auto beschafft werden – ein Fall für Norman Dewis.
Der Anruf aus Genf erreichte den damals 40-jährigen Renn- und Entwicklungsfahrer bei Bremsentests auf der firmeneigenen Versuchsstrecke. Da war es vier Uhr nachmittags. „Schaffst Du es, morgen früh um zehn hier zu sein?“ wollte der Anrufer wissen. Zwischen Coventry und Genf liegen 720 Meilen, etwa 1150 Kilometer, 36 davon sind Wasser. Um acht Uhr am Abend kam Norman Dewis am Hafen in Dover. Heute dauert die Überfahrt nach Calais eine knappe Stunde, schneller ging es damals sicher nicht.
Doch Norman Dewis schaffte es. Quer durch Frankreich bis an den Lac Leman raste der begnadete Rennpilot und sein Durchschnittstempo dürfte dem bei der Mille Mglia 1952 nicht unähnlich gewesen sein. Damals gewann Dewis an der Seite von Stirling Moss das berühmte Straßenrennen zwischen Brescia und Rom. Um 9.45 Uhr traf der Wagen in der Westschweiz ein, um 10 Uhr war er präsentabel hergerichtet. Nicht gerade erleichtert wurde die Express-Überführung [foto id=“350034″ size=“small“ position=“left“]nach Genf durch die Tatsache, dass Dewis einen Rechtslenker steuerte. Es war das einzige verfügbare Coupé, die Autos in Genf hatten kontinentalen Erfordernissen entsprechend das Lenkrad auf der linken Seite.
Mir sitzt die Zeit nicht im Nacken, aber sonst ist alles wie vor 50 Jahren. Das Lenkrad auf der rechten Seite, der Genfer See in Sichtweite. Der Sechszylinder schnurrt gelassen vor sich hin, mein Co-Pilot gibt freundliche Ratschläge zur Fahrtrichtung. Es ist Martyn Hopley, Ingenieur im Ruhestand und Besitzer dieses Traumes in Silber-Metallic. Die Farbe zierte auch das Fahrzeug, das die Besucher des Autosalons vor 50 Jahren in der Messehalle betrachten durften. Nur fahren durften es die wenigsten.
Sitzt man erstmal drin, geht es einigermaßen bequem zu. Nicht ganz 1,22 Meter ist die Kabine hoch, die gewölbte Frontscheibe steht steil im Wind. Vor den Schwung hinter den Volant haben die Konstrukteure die Demutsgeste gesetzt. Voller Höflichkeit knickt der Fahrer in der Hüfte ein, um die vorwitzige Ecke zu umgehen, die den Frontscheibenrahmen in den Türausschnitt ragen lässt. Ohne die Verlängerung der Tür in Richtung Kotflügel könnten Erwachsene nur in der Roadsterversion Platz nehmen. Die wurde übrigens kurz nach der Genfer Show in New York enthüllt.
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Dieses Coupé, erzählt Martyn Hopley, der nach beruflichen Jahren in Asien und Neuseeland ins Vereinigte Königreich zurück gekehrt ist, wurde am 9. Oktober 1968 von der Firma Henleys in London verkauft. Mutmaßlich gehörte es zuvor einem Schauspieler aus dem Musical „Hair“, doch Belege gibt es dafür nicht. Hopley übernahm den Wagen 1994 in Neuseeland „in einem erbärmlichen Zustand“, wie er sagt. Allem Anschein nach war das Fahrzeug 14 Jahre lang nicht bewegt worden. Eine aufwändige Restaurierung war unumgänglich.
Die ersten Exemplare des E-Type wurden mit einem 3,8 Liter großen Sechszylinder-Motor ausgeliefert. Ein Vorläufer dieses Doppelnockenwellen-Triebwerks war bereits im Jaguar XK 150 zum Einsatz gekommen. Das sinnliche Styling des E-Type trug wesentlich zu den begeisterten Reaktionen des Publikums bei, obwohl Jaguar bereits mit einer ähnlich [foto id=“350036″ size=“small“ position=“left“]langen Motorhaube für Furore gesorgt hatte: Der D-Type war 1955 erstmals als Gesamtsieger in die Annalen des 24-Stunden-rennens von Le Mans gefahren.
Doch abgesehen von der Karosserie konnte das E-Type-Coupé mit einigen technischen Schmankerln aufwarten, die erst sehr viel später automobilen Allgemeingut werden sollten. Es gab erstmals bei einem Jaguar Einzelradaufhängung und Scheibenbremsen rundum. Mit Letzteren hatte Norman Dewis bei der Mille Miglia seinen Konkurrenten Rudolf Caracciola fast zur Verzweiflung gebracht. Mit den Scheibenbremsen konnte Dewis vor Kurven höheres Tempo halten, stärker verzögern und so immer wieder an dem leistungsmäßig überlegenen Mercedes vorbei ziehen. Dass der E-Type Scheibenbremsen bekam, erschien angesichts der mit 150 Meilen (241 km/h) angegebenen Höchstgeschwindigkeit mehr als sinnvoll.
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Die Erstausgabe der „Katze“ verfügte über 265 PS, 1964 wurde der Hubraum auf 4,2 Liter und die Leistung auf 269 PS erhöht. Gleichzeitig erhielt der Sportwagen ein vollsynchronisiertes Getriebe. Auch Martyn Hopley Auto hat diese 4-Gang-Schaltbox. Es lässt sich erstaunlich leicht schalten und das enorme Drehmoment des Motors erlaubt es, schaltfaul zu fahren. Außer den nachgerüsteten Sicherheitsgurten und dem vorübergehend an die Windschutzscheibe gepappten mobilen Navigationsgerät erinnert nichts an 2011. Das filigrane Holzlenkrad mit den gelochten Aluspeichen ist ebenso authentisch wie kargen Sitzschalen, die natürlich noch keine Kopfstützen haben. Lediglich der originale Starterknopf fehlt, dieser E-Type wird per Schlüsseldreh geweckt.
„Look how she’s pulling“, freut sich Martyn über die Durchzugskraft des Motors und fordert mich unmissverständlich auf, noch mehr Gas zu geben. Die Katze faucht verhalten, aber es geht ohne Zurückschalten energisch vorwärts und nur der Respekt vor der peniblen Auslegung der Schweizer Straßenverkehrsvorschriften lässt mich wieder vom Gaspedal gehen. Von „ihr“ hat der Besitzer gesprochen, aus seiner Sicht ist der E-Type also weiblich. Warum? „Sie ist sehr schön, manchmal etwas zickig und bisweilen kostspielig“, schmunzelt der Besitzer, dessen Auto der Kabarettist Wolfgang [foto id=“350037″ size=“small“ position=“left“]Neuss einmal einen „Penis mit vier Rädern“ genannt hat. In 27 Monaten Restaurierungszeit dürfte Hopley ein Vermögen in sein Gefährt gesteckt haben.
Als der E-Type in Deutschland eingeführt wurde, betrug der Preis für das Coupé 25.000 D-Mark, das Cabrio kostete einen Tausender mehr. Das erscheint aus heutiger Sicht fast läppisch, doch oft wird vergessen, dass das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Erwerbstätigen damals nicht einmal 6.800 Mark betrug. Wer sich heute ein gut erhaltenes Exemplar dieser Sportwagen-Ikone anschaffen will, muss tief in die Tasche langen. Auf den einschlägigen Internet-Portalen sind Preise zwischen 70.000 und 90.000 Euro die Regel, selbst für Stücke mit erheblichem Wiederherstellungsbedarf werden noch 30.000 Euro verlangt.
geschrieben von auto.de/Axel F. Busse veröffentlicht am 17.03.2011 aktualisiert am 17.03.2011
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