Fahrbericht

Jaguar I-Pace: Stromernder Kater kann auch Kralle

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Die Sehnsucht der Kunden nach dem ersten Elektro-Jaguar war enorm: Der primäre Produktionsschub war im Nu ausverkauft, später zwangen Lieferengpässe bei den Batterien die Interessenten zur Geduld. Knapp 1000 Mal wurde der Jaguar I-Pace der Gegenwart vergangenes Jahr in Deutschland neu zugelassen – einen davon haben wir uns in der Praxis ganz genau angesehen.

Elektrifiziert und elektrisierend

Jaguar will sich mit seinen Vollzeit-Stromer als Pioner wahrgenommen wissen. Und als SUV. Dabei ist er fast zehn Zentimeter flacher als zum Beispiel ein Modell E-Pace und von erhöhter Bodenfreiheit – gewöhnlich ein Erkennungsmerkmal von SUV – ist selbst im offiziellen Datenblatt des Herstellers nichts zu lesen. Welchem Segment man den I-Pace nun eigentlich zurechnen möchte, ist tatsächlich aber völlig unerheblich, denn dass es sich um einen sportlich ausgelegten und sehr kultivierten Fünftürer handelt, ist schon nach wenigen Minuten Fahrt klar.

Allerdings auch um einen kostspieligen, denn für die einfachste Ausführung sind 77 300 Euro zu entrichten. Immerhin sind LED-Scheinwerfer, Allrad, verschiedene Assistenzsysteme und Navi serienmäßig. Das in diesem Test gefahrene Modell kam inklusive Sonderausstattungen gleich auf 95.010 Euro. So ist es keine Überraschung, dass nicht einmal ein Viertel der letztjährigen Neuzulassungen in Deutschland von privaten Haltern veranlasst wurde. Das teuerste Bauteil ist natürlich die Batterie. Ihre Kapazität beträgt 90 kWh. Veranschlagt man 180 Euro Herstellungskosten pro Kilowattstunde, kommt man auf mehr als 16 000 Euro allein für den Energiespeicher. Ein Benzintank nebst Füllung ist dagegen für einen dreistelligen Betrag zu haben.

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Agilität durch niedrigen Schwerpunkt

Dafür gibt der I-Pace unterwegs null CO2 ab, auch keine Stickoxide oder sonstige Schadstoffe, lässt man den unvermeidlichen Reifen- und Bremsenabrieb einmal außen vor. Wird dann noch regenerativ erzeugter Strom getankt, ist das geschmeidige Fahrvergnügen wunderbar grün. Wäre da nicht der Schmuddel-Rucksack, den jedes Elektrofahrzeug mit sich herumfährt. Bei der Produktion des Leistungs-Akkus fallen rund zehn Tonnen CO2 an, also etwa so viel, wie ein E-Pace mit 180 PS bei anderthalb Erdumrundungen emittieren würde. Aber ein abgasfreier I-Pace beruhigt nicht nur das Umwelt-Gewissen seines Fahrers, sondern auch die Jaguar-Chefs: Er senkt den Flottenverbrauch und vermeidet so Strafzahlungen nach Brüssel.

Ob sich I-Pace-Kunden mit solchen Überlegungen herumschlagen, ist ungewiss. Sie bekommen für ihr gutes Geld ein sehr modernes, elegant gezeichnetes, nobel ausgestattetes und bei den reinen Kosten pro Kilometer günstiges Fahrzeug, das obendrein eine gehörige Portion Fahrspaß bietet. Mit den 432 Batteriezellen zwischen den Achsen und den beiden Permanentmagnet-Elektromotoren nahe an den Rädern bietet der Wagen einen ausgezeichnet niedrigen Schwerpunkt, der agiles Fahrverhalten fördert und überdurchschnittliche Kurvengeschwindigkeiten zulässt. In der Dynamikwertung macht dem Jaguar I-Pace so leicht keiner was vor.

Der aufgeräumte Innenraum ist akkurat möbliert und glänzt mit guter Verarbeitungsqualität. Keine Überraschung war das erkennbare Optimierungspotenzial bei einigen Bedienfunktionen. Schon häufiger musste Jaguar sich dafür kritisieren lassen. Trotz wiederholter Verbesserungsversuche seitens des Herstellers, Ordnung und Übersicht im Infotainmentsystem zu schaffen, bleiben Wünsche offen. Und warum bei der Klimaregelung den zum Einsatz kommenden Dreh-Drück-Stellern auch noch eine Zug-Funktion hinzugefügt werden musste, erschließt sich wohl nur Fachleuten.

Wie an der Schnur gezogen

Die Platzverhältnisse sind ordentlich, vorn ist die Kabine 1,46 Meter breit, hinten bleiben den Passagieren 1,41 Meter. Die Ladekante ist 71 Zentimeter hoch und die Lukenöffnung 1,07 Meter breit. Das Kofferraumvolumen wird mit 656 bis 1453 Liter angegeben, doch der ADAC sagt, er habe nur 490 bis 1330 Liter messen können. Eine Rückfahrkamera ist unverzichtbar, denn die sehr schräge und schmale Heckscheibe bietet kaum Durchblick. Außerdem verschmutzt dieses Fenster sehr schnell. Obwohl sicher kein ästhetischer Gewinn für das Gesamtfahrzeug darin läge, wünschte man sich deshalb manchmal einen Heckscheibenwischer.

Bei der Reichweite kann der stromernde Kater Pluspunkte sammeln. Zwar war die Herstellerangabe beim Testwagen nicht aufs Display zu zaubern, doch nach einer Nacht am Netz versprach es immerhin 410 Kilometer. Nur sollte man die gebunkerte Energie überlegt einsetzen. So ist es schon ziemlich beeindruckend, wie der 2230 Kg schwere Testwagen von unsichtbarem Band gezogen ohne eine Spur des Zauderns aus dem Stand bis auf 200 km/h losstürmt.

Aber jäh zuckt der Fuß vom Fahrpedal zurück, wenn man dann auf den Akut-Verbrauch schaut: Der kann bei diesem Tempo jenseits 80 kWh/100 km liegen. Im Kurzstrecken-Verkehr ist es immer ratsam, über das verschachtelte Menüsystem auf dem Zentralmonitor die hohe Rekuperationsstufe einzustellen. Dann bremst der Wagen bei jedem Lupfen des Pedals mit -0,4g ein und befördert ein Maximum an kinetischer Energie zurück in den Akku.

Schnelllade-Säulen sind noch rar in Deutschland, da hilft es wenig, dass der I-Pace auf solcherart Druckbetankung eingerichtet ist. An einer öffentlichen Ladestation mit durchschnittlich sieben Kilowatt Ladeleistung war für den Testwagen binnen drei Stunden lediglich ein Zuwachs von 50 Kilometern mehr Reichweite heraus zu holen. Allerdings, so kann man von Jaguar hören, wird an technischen Lösungen gearbeitet, die Strombefüllung auch ohne Schnelllader praxistauglicher zu machen.

Künstlicher Motorsound entbehrlich

Bei Autobahn-Richtgeschwindigkeit muss man mit etwa 30 kWh Verbrauch rechnen. Zu den angenehmsten Begleiterscheinungen einer Fahrt im I-Pace gehört die entspannende Ruhe. Bei Tempo hundert beträgt das Innengeräusch gerade mal 60 dB(A), das ist vergleichbar mit normaler Gesprächslautstärke. Beim doppelten Tempo sind es nur 10 dB mehr bedingt durch den stärkeren Fahrtwind. Der Testwagen schaffte übrigens GPS-gemessene 205 km/h, übertraf also die Herstellerangabe. Verblüffung beim Verbrauchswert:

Nach 14 Testtagen mit Anforderungen zwischen Stadt und Land lag der nur 0,1 kWh über der Prospektangabe. Gut möglich, dass die leise Fortbewegung auch beruhigend auf den Fahrer gewirkt hat. Wer etwas Lautstärke zur Untermalung braucht, findet sie nach einigem Suchen in den Fahrzeugeinstellungen und kann einen nach innen gerichteten „Motorsound“ in Abhängigkeit von Pedalstellung und Tempo erzeugen. Allerdings ist dieses synthetische Grummeln ohne jeden Unterhaltungswert.

Fazit: Bis auf Weiteres bleibt Reichweite der zentrale Begriff in Debatten um Elektroautos. Der Jaguar I-Pace macht da eine gute Figur, wenngleich es mitunter Geduld brauchen kann, bis der große Akku voll ist. Fahrdynamisch bereitet der Wagen reiche Freude, auch die Vielseitigkeit und der Komfort stimmen. Den Preis muss man sich freilich leisten können, aber nach Auslaufen der meisten Leasingverträge könnte die Batterietechnik ja auch schon wieder ein gutes Stück weiter sein.

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Daten Jaguar I-Pace SE

Länge x Breite x Höhe (m) 4,69 x 1,90 (mit Spiegeln 2,14) x 1,57
Radstand (mm) 2,99
Motor Zwei Permanentmagnet-Elektromotoren
Leistung 294 kW / 400 PS bei 4250 U/min
Max. Drehmoment 700 Nm
Batterie 90 kWh, Lithiumionen, 432 Pouch-Zellen, flüssigkeitsgekühlt
Ladezeit lt. Hersteller Gleichstrom 50kWh 85 Minuten, 100 kWh 40 Minuten
Beschleunigung 0 auf 100 km/h 4,8 Sekunde
Höchstgeschwindigkeit 200 km/h.
Reichweite (nach WLTP) 470 km
Reichweite Testwagen 410 km
Energieverbrauch (nach WLTP) au 100 km 24,8 kWh
Testverbrauch 24,9 kWh
CO2-Emissionen 0
Leergewicht Testwagen 2230 kg
Kofferraum (Herstellerangabe) 656 bis 1453 Liter
Basispreis 87 400 Euro
Testwagenpreis 95 010 Euro

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