ZDK-Umfrage

Kfz-Gewerbe entpuppt sich als Digitalmuffel

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Die Wirtschaft setzt auf Digitalisierung. Nur das deutsche Kraftfahrzeuggewerbe offenbar nicht. 90 Prozent der Betriebe verfügen über keine Digitalisierungsstrategie. Das ist das ernüchternde Ergebnis einer aktuellen Umfrage des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK).

Vernetzung heißt das Zauberwort

Die Automobilindustrie investiert Milliarden in die Digitalisierung ihrer Fertigungsanlagen und ihrer Produkte. Dabei geht es darum, die digitale Kommunikation innerhalb der Fabrik 4.0 und von Automobilen untereinander zu perfektionieren. Ziel ist es aber auch, den Autofahrer besser als bisher an den After-Sales-Bereich des Autohauses anzubinden, in dem er sein Auto gekauft hat.

Das soll zusätzliche Einnahmen bescheren. Insofern dürften die Automobilhersteller und -importeure von den Ergebnissen einer aktuellen Studie des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe wenig erfreut sein: Danach haben nicht nur 90 Prozent der Kfz-Betriebe keine Digitalisierungsstrategie, 45 Prozent planen eine solche auch nicht. „Hier besteht in der Tat ein großer Nachholbedarf – allerdings bei Händlern, Importeuren und beim Hersteller gleichermaßen. Der Handel kann diese Mammutaufgabe nicht allein lösen. Das muss die gesamte vertikale Vertriebskette gemeinsam leisten“, stellt Jürgen Stackmann, Vertriebs- und Marketingvorstand der Marke Volkswagen, klar.

Digitale Goldgräberstimmung

Dabei sind die Themen Digitalisierung, Big Data, Vernetzung, Künstliche Intelligenz und neue Geschäftsmodelle ständige Begleiter des unternehmerischen Alltags. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über Daten als das Gold des 21. Jahrhunderts berichtet wird. „Daten sind ein Schatz, der heute in fast jeder Organisation zur Verfügung steht“, stellte das Fachmagazin „computerwoche“ fest und titelte: „Goldgräberstimmung – wer hebt den Datenschatz zuerst?“

Big-Data-Analysen eröffnen Unternehmen zahlreiche Chancen, Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Sie gewinnen mehr Transparenz und können Entscheidungen auf fundierter Basis treffen. So gelingt es ihnen, Prozesse zu optimieren, Kosten einzusparen, Geschäftsfelder auszubauen oder ganz neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. „Wer in der Lage ist, möglichst schnell und zielgerichtet Daten auszuwerten, hat in Zukunft die Nase vorn. Wer dagegen zu lange mit der Digitalisierung zögert, wird im harten globalen Wettbewerb nur noch schwer mithalten können“, sagen Experten voraus.

Geschäftsmodell im Wandel

Nun steht das nationale Kfz-Gewerbe nicht im globalen Wettbewerb, aber es steht im Wettbewerb untereinander. Zudem verfolgen immer mehr Disruptoren wie Caroobi oder Cluno nur ein Ziel: Sie wollen bestehende Geschäftsmodelle knacken. So wie Uber im Taxigewerbe. Nicht von ungefähr haben viele Automobilhersteller die Verträge mit ihren Partnern in Vertrieb und Service aktualisiert, um gerade das Thema Digitalisierung voranzubringen.

„Dabei geht es darum, ein möglichst kompaktes Wissen über den Kunden zu generieren und systematisch an allen touchpoints zur Verfügung zu stellen – vorausgesetzt, der Kunde möchte das und die Datenschutzbestimmungen werden eingehalten“, betont VW-Markenvorstand Stackmann.

Neue Vertriebsstrategie

„Mit unseren neuen Händlerverträgen, die ab April kommenden Jahres gültig werden, gehen wir bei Volkswagen dieses Thema proaktiv an. Wir wollen das Wissen, das bislang autark bei unseren Händlern lag, miteinander vernetzen. Wir als Hersteller sind in der Lage, die notwendige sehr komplexe Datenanalytik zu liefern, was die Händler dann wiederum befähigen soll, ihre Leads zu konkreten Ergebnissen zu führen.“ In entsprechenden Pilotprojekten in Deutschland und anderen Märkten lotet Volkswagen gerade aus, wie solche Datenanalysen in konkrete Geschäftsideen überführt werden können.

„Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“, prophezeit Dr. Carsten Oder, Vorsitzender der Geschäftsleitung des Mercedes-Benz-Vertriebs Deutschland. Auch Stefan N. Quary, Verkaufschef von Skoda Auto Deutschland, ist davon überzeugt, dass der Online-Handel im Vertrieb eine tragende Rolle spielen wird. Plattformen für den e-Commerce würden sich schnell weiterentwickeln.

Autohäuser drohen auf der Strecke zu bleiben

Dennoch scheint es in vielen Autohäusern diesbezüglich an Professionalität und Weitsicht zu fehlen. Auch im Tagesgeschäft. So bieten nur 19 Prozent der Befragten ihren Kunden eine App für ihr Autohaus und ihre Werkstatt an. Ein Drittel aktualisiert die Inhalte seiner Webseite täglich oder wöchentlich, alle anderen seltener. Betreut werden Online-Auftritt und digitales Marketing bei 39 Prozent von einem Mitarbeiter nebenbei. Bei 29 Prozent übernimmt dies ein fester Mitarbeiter und bei 26 Prozent ein externer Dienstleister. Beim Rest ist die Zuständigkeit nicht geregelt.

Erstaunlich auch: 78 Prozent der vom ZDK befragten Unternehmen sind sich bewusst, dass neue oder erweiterte Geschäftsmodelle wichtig oder sogar überlebenswichtig sind. Allerdings haben sich 80 Prozent mit diesem Thema noch nicht beschäftigt. 20 Prozent sagen: „Das schaffen wir eh nicht.“

Brücken bauen – Überzeugungsarbeit leisten

Für 46 Prozent der Betriebe ist die Elektromobilität kein strategisch relevantes Geschäftsfeld. Für 84 Prozent sind alternative Verkehrsmittel wie Scooter oder Lastenfahrräder kein Thema. Laut ADAC könnte die Beratung beim E-Auto-Kauf deutlich besser sein. Bei einem Test von 40 Autohäusern in Berlin, Hamburg, Köln und Stuttgart erreichten zwölf Betriebe die Note „sehr gut“ und „gut“. Acht Mal gab es ein „ausreichend“. Die übrigen Betriebe zeigten ein befriedigendes Ergebnis.

Trotzdem ist Hildegard Wortmann, Audi-Vorstand Vertrieb und Marketing, überzeugt: „Gerade bei neuen Technologien sind unsere Händler der zentrale Kontaktpunkt für die Kunden.“ Gemeinsam mit den Partnerbetrieben will sie Zukunftsthemen wie Elektrifizierung und Digitalisierung vorantreiben und für den Kunden erlebbar machen.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass es für das Kfz-Gewerbe durchaus noch Entwicklungspotenzial gibt“, stellt ZDK-Referent Niklas Hostnik fest. Das ist höflich formuliert. Schließlich hat der ZDK seine eigenen Mitglieder befragt, die er schlecht öffentlich schelten kann.

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