Kommentar: E-Mobilität – Luftnummer zum Lästern?

Natürlich ist sie ganz lustig, die Vorstellung, die es durchaus auch als echtes Fotomotiv geben wird. Zu rechnen ist damit, dass Deutschlands First Lady gelegentlich nicht in den Fond einer stattlichen schwarzen Limousine steigt wie gewohnt, sondern im medialen Blitzlichtgewitter unmittelbar neben dem Fahrer etwa  eines e-MINI oder e-smart Platz nimmt.

Erste E-Mobile deutscher Fertigung erlangen inzwischen so etwas wie vorauseilenden Kultstatus. Haben sie das verdient? – Anscheinend nicht, ginge es nach dem jüngsten „Spiegel“-Beitrag; überschrieben: „Die große E-Illusion“. Wer die zweiseitige Story des Magazins verinnerlicht, muss bezweifeln, dass individueller E-Mobilität eine Zukunft beschieden ist; eine großartige schon gar nicht. Die Widersprüchlichkeit aneinandergereihter „Spiegel“-Argumente erweckt den Eindruck, als sei das von der deutschen Regierung so entschlossen angegangene Thema eher eine Luftnummer. Grund zu lästern.

In beliebiger Folge vermischt das Magazin Überzeugendes mit Fragwürdigem. Die zitierte Feststellung von Bosch-Chef Franz Fehrenbach: „Wir haben ein Wahrnehmungsproblem“ – gemeint sind die mit zurückhaltender Begeisterung gewürdigten Fortschritte beim Verbrennungsmotor im Gegensatz zum vergleichsweise euphorischen Feiern des Elektroantriebs –, ließe sich durchaus auch auf „Spiegel“-Interpretationen übertragen. Worauf will man hinaus?

Bemühungen zum Überwinden offenkundiger Nachteile batteriegetriebener Fahrzeuge, vor allem Reichweite, Gewicht und Kosten des Akkus betreffend, sehen sich in der Betrachtung des Magazins sogleich dem vernichtenden Vorwurf ausgesetzt, herauskommen würden sowieso keine „Zero Emission Vehicles“. Schließlich müsse der Strom zum Laden der Batterie erst irgendwie erzeugt werden. „Und je nachdem, wie sich die Energieversorgung eines Landes zusammensetzt, ist ein Elektroauto mal mehr, mal weniger umweltfreundlich.“ Dass Strom nicht gleich Strom ist, bedurfte eigentlich keiner Wiederholung.

Auch der nachfolgende Verweis auf die Kostenbremse – „ein Fahrzeug der unteren Mittelklasse ist mit Elektroantrieb zwischen 10.000 und 15.000 Euro teurer als ein Auto mit Benzinmotor“ – ist so angelegt, dass die Schlussfolgerung greift, das verwegne E-Vorhaben sei wohl besser zu stoppen. Kein Wort davon, wie rasch anfängliche Hochpreise ausgerechnet bei anspruchsvollen Produkten schrumpfen, wenn zu deren Serienproduktion in großem Umfang übergegangen wird. Die Computerbranche macht solche erstaunlichen Preisrutsche vor. Warum sollte das nicht auch bei Fahrbatterien so werden.

Versammelte Vorbehalte und Zweifel des „Spiegel“ gegenüber dem Elektroantrieb sind derart vielfältig, dass man sich fragt, warum das Magazin dann doch noch die alte Leier dreht, ob die deutschen Autobosse die Elektroauto-Entwicklung „mal wieder verschlafen“ hätten; „wie schon beim Hybridantrieb“. Deutsche Autokonzerne seien „spät dran beim Elektroauto“, klagt das Magazin, beeilt sich aber gleich nachzuschieben, dass deshalb VW, Daimler und BMW nicht etwa „der Niedergang“ drohe – weil das E-Mobil „auf absehbare Zeit ein Nischenmodell“ bleibe. Immerhin: Man attestiert künftigen Autostromern Existenzberechtigung.

Letztlich kommt wohl auch der „Spiegel“ nicht dran vorbei festzustellen, dass es weitsichtig ist, heutigen Autos mit Verbrennungsmotor vorsorglich Antriebsalternativen zur Seite zu stellen, um Automobilität – diese so wunderbare, längst unverzichtbare Erfindung – nötigenfalls unabhängig von der Verfügbarkeit geeigneter Kraftstoffe zu machen. Denn auch „nachwachsende“ Energiespender, die in der Sonne gedeihen, werfen bekanntlich Schatten. Wo immer „Kraftstoff wächst“, geht schließlich Fläche für den Anbau von Nahrungsmitteln verloren.

Es bleibt dabei: Verbrennungsmotoren werden im Auto ganz sicher noch jahrzehntelang dienen. Irgendwann aber versiegen die Kraftstoffquellen. Also verlangt und verdient die Alternative Elektroantrieb Aufmerksamkeit und Förderung. Gerade hat das Fraunhofer Institut darauf aufmerksam gemacht, wie kompakte Radnabenmotoren auch ganz neue Pkw-Designkonzepte ermöglichten, weil es eben keinen Motorraum mehr geben müsse. Allerdings bedingen Gewicht und Dimension der Akkus batteriegetriebener Pkws neue Gestaltungskonzepte. Die in die Plattform des Chevrolet Volt alias Opel Ampera integrierte T-förmige Lithium-Ionen-Batterie lässt erkennen, wie das aussehen kann.

Dieser Tage informierte Opel, dass das erste Vorserienfahrzeug seines Ampera inzwischen von der Fertigungslinie am nordamerikanischen GM-Standort Warren im Bundesstaat Michigan gerollt ist. Die Vorserienautos seien allerdings nur für Tests und zum Nachweis der Großserientauglichkeit bestimmt. Mit der Produktion für den europäischen Markt werde Ende nächsten Jahres begonnen, wird der Chefingenieur für den Opel Ampera, Andrew Farah, zitiert.

Optimismus ist berechtigt. Bekanntlich setzt GM beim Volt und identischen Ampera aufs Range-Extender-Konzept. Ein Generator an Bord – wie bei einem Notstromaggregat von einem Verbrennungsmotor angetrieben – liefert während der Fahrt Strom zum Nachladen der 16-kWh-Batterie. An einer 230-Volt-Steckdose drei Stunden lang aufgeladen, bringt der Akku das Auto zunächst völlig emissionsfrei 60 Kilometer weit. Danach ist mit Unterstützung des Range-Extenders weiteres stundenlanges elektrisches Fahren selbst über größere Distanzen möglich. Kein Wunder, dass das Konzept bei immer mehr E-Mobil-Entwürfen zu finden ist. Das Handicap des Batteriegewichts und des zur Stromproduktion benötigten Kraftstoffs – stündlich weniger als zwei Liter, heißt es – wird hingenommen, weil es derzeit keine andere Antriebsalternative gibt, die dem genügsamsten Hightech-Dieselmotor überlegen ist.

Deutschland sei sich gewissermaßen schuldig, auch die besten Autos mit elektrischem Antrieb zu bauen, gab Verkehrsminister Peter Ramsauer kürzlich zu bedenken. Der motivierenden Vorgabe will man gern folgen. Unumgänglich aber wird sein, in dem Land, in dem einst das Automobil erfunden wurde, auch wirksame finanzielle Anreize für den Kauf von E-Mobilen zu schaffen. Noch orientiert sich in Deutschland auch die staatliche Förderung der Forschung und Entwicklung von Elektroautos längst nicht am erhobenen Anspruch, wie ihn Minister Ramsauer formulierte. Woanders fließen Milliarden Euro, um den E-Antrieb voranzubringen. Und jeder weiß: Die Chinesen sind uns auch da auf den Fersen. Dass Käufer von Elektroautos in China und weiteren Ländern, auch europäischen, eine vierstellige Prämie erwartet, drang offenbar noch nicht bis nach Deutschland.

Ende Mai treffen sich Verkehrsminister, Wissenschaftler und Unternehmensvorstände der 52 größten Verkehrsnationen beim Weltverkehrsforum in Leipzig. Deutschland habe eine führende Rolle bei Verkehrsinnovationen, betonte Minister Ramsauer vorab schon mal als Gastgeber des Forums. Auf der Tagesordnung ganz oben steht die Elektromobilität. Gelegenheit also, vor internationalem Publikum der in Anspruch genommenen Führungsrolle der deutschen Automobilindustrie auch in Sachen Elektromobilität mit angemessenen staatlichen Maßnahmepaketen deutlichen Auftrieb zu verschaffen.

Das anspruchsvolle Ziel, auch von der Bundeskanzlerin wiederholt verkündet, Deutschland müsse Leitmarkt für Elektromobilität werden, verwirklicht sich nicht von selbst.

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