Kommentar: Not macht erfinderisch

Ach, wenn sie doch geschwiegen hätten. Kooperationen zwischen Automobilherstellern sind doch längst nichts Besonderes mehr. Da werden ganze Plattformen, Motoren, Antriebsarten gemeinsam entwickelt und niemand hat etwas dagegen, solange die Erwartungen des Käufers und die Leistungen des Autos zur Marke passen und man den Käufer der Zukunft die Gemeinsamkeiten nicht tagtäglich unter die Nase reibt. Warum also nun diese Debatte um Daimler und BMW?

Wir erinnern uns noch an die unglücklichen Konsequenzen der Diskussion über die Plattformstrategie. Damals wollte man die Aktionäre erfreuen, setzte sich aber gleichzeitig der Kritik der Fachwelt und der Käufer aus, weil eine Reihe sehr ähnlicher Fahrzeuge folgte, zum Beispiel der Seat Arosa und der VW Lupo. Heute rollen die BMW Mini mit Motoren vom französischen Hersteller PSA Peugeot Citroen vom Band. Man weiß es, und keiner stört sich daran, solange das Gesamtprodukt stimmt. BMW hat allerdings darauf verzichtet, die PSA-Motoren durch eigene Kommunikation zu adeln.

Im vergangenen Jahr schon war zu hören, dass Daimler und BMW gemeinsam an einer Plattform für einen Kleinwagen arbeiten wollten. Das scheiterte ebenso wie die Überlegung, Zwölf-Zylinder-Motoren in Zukunft gemeinsam zu entwickeln. Vielleicht war beides zu weit gesprungen für zwei Marken, die sich mit Fahrwerk und Motoren gegen einander profilieren.

Aber Not macht bekanntlich erfinderisch. Deswegen blicken beide Unternehmen jetzt wohl auf Kooperationen, die nicht an die Kernkompetenzen der Marken rühren. Und da gibt es Vieles. Eine konzernübergreifende Gleichteile-Strategie ist möglich. Dazu müssten die Verantwortlichen in Stuttgart und München nur einmal mit ihren strategischen Zuliefern reden. Die leiden darunter, dass sie viele Teile doppelt entwickeln oder doch zumindest anpassen müssen. Deswegen haben die sicher auch Ideen, wie die beiden Premiummarken in das Zulieferer-Regal greifen können und dennoch unverwechselbar bleiben.

Mehr als ein Drittel der Wertschöpfung bei einem Automobil beruht heute auf Elektronik und Software, bei den großen Modellen mehr als bei den kleinen. Hier spielen die Zulieferer eine dominante Rolle. Denn sie verfügen über die „Stellschraube“ Software, mit der man Produkteigenschaften einstellen kann. Ein Beispiel dafür aus der Geschichte beider Häuser: In den Anfangstagen der ESP hatten beide eine unterschiedliche Philosophie zum Ansprechverhalten des Schleuderverhinderers. Mercedes-Benz wollte aus „pädagogischen“ Erwägungen heraus einen harten Eingriff, um den Fahrer vom Überreizen zurückzuhalten. BMW wollte es sanfter. Beides wurde vom selben Zulieferer über die ESP-Software eingestellt.

Wenn die Hersteller ihren Zulieferern es dann auch noch ersparten, jeweils eigene Prozesse bei der Entwicklung, Abnahme und Produktionsüberwachung zu fahren, dann würde das die Kosten auf beiden Seiten senken. Zusätzlich wären wegen der größeren Stückzahlen auch bessere Preise möglich.

Das setzt große und leistungsfähige Zulieferer voraus, die weltweit anbieten können. Ein Bosch kann das. Andere sind in ihrem Spezialgebiet ebenfalls stark genug. Und dennoch werden die neuen Kooperationen in der Automobilindustrie die großen Zulieferer stärken oder zu neuen Zulieferer-Zusammenschlüssen führen. Womit wir wieder einmal beim geplanten deutschen Großzulieferer Schaeffler-Continental wären.

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