Kommentar: Viele Chancen für Elektroautos – aber das Auto wird noch lange nicht elektrisch

Am 3. Mai ist „Elektroauto-Gipfel“ im Kanzleramt. Zwei Tage, nachdem von Politik und Verwaltung unverständlicherweise zu politisch motivierten Autonomen aufgewertete dreiste Randalierer und hemmungslose Gewalttäter am 1. Mai wieder einmal Dutzende von Autos abgefackelt haben werden, werden sich die Spitzen aus Politik und Automobilwirtschaft treffen, um darüber zu diskutieren, wie man Deutschland zum „Leitmarkt für Elektromobilität“ machen und bis 2020 mindestens eine Million Elektroautos auf die Straßen unseres Landes bringen kann.

Und in den Medien, die sich bereits jetzt einschießen auf das Thema Elektroauto, werden viele begeisterte, aber mit dem Problem Elektromobilität meist kaum vertraute Berichterstatter und Kommentatoren hemmungslos schwadronieren von den rosigen Perspektiven einer Mobilität der Zukunft, die das Ende des ach so umwelt- und „klimaschädlichen“ Autos mit Verbrennungsmotor einläuten wird. Doch die nüchternen Zahlen sprechen eine ganz andere Sprache. Denn eine Million Elektroautos bis 2020, das sind bei einem Bestand von derzeit 50,2 Millionen Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor gerade einmal knappe 2,0 Prozent. Auch wenn alle Blütenträume reifen, bleibt das Elektroauto damit ein Nischenprodukt, dessen Effekt auf die Umwelt kaum wahrnehmbar ist.

Das sollte allerdings nicht zu dem Fehlschluss führen, die Debatte über Elektroautos sein unwichtig. Ganz im Gegenteil. Denn das neu aufgelebte Interesse für Elektroautos, die bereits kurz nach der Erfindung des Autos zu einer durchaus ernst zu nehmenden Alternative zum Auto mit Verbrennungsmotor wurden, ist ein überaus wichtiges Kapitel für die Zukunft der Mobilität. Doch dabei geht es nicht um die Frage, ob „das Auto“ künftig mit Verbrennungsmotor oder Elektromotor ausgestattet sein wird. Die ist schon in den Zwanzigern beantwortet worden, als Autos sich vom vorwiegend städtischen zum Langstreckenverkehrsmittel entwickelten.

Für große Entfernungen war der auf Kurzstrecken in der Stadt ausgesprochen attraktive Elektroantrieb schon damals nicht geeignet, weil es unmöglich war, in Batterien ausreichend elektrische Energie mitzuführen. Und so verließen Elektroautos bis auf wenige spezielle Anwendungen im Kurzstreckenverkehr die Bühne. Diese vor fast neun Jahrzehnten gewonnene Erkenntnis gilt ungeachtet aller Fortschritte der Batterietechnik auch heute noch. Denn Elektroautos für die Langstrecke sind auch heute noch nicht wirtschaftlich darstellbar und aus rein technischer Sicht Unsinn. Und wenn auch intensiv an sogenannten Range-Extendern geforscht wird – bei kritischer Betrachtung ist das ein Irrweg. Für lange Strecken ist ein Auto mit einem modernen extrem emissionsarmen und sparsamen Verbrennungsmotor einfach die beste und derzeit alternativlose Lösung.

Doch für die meisten Mobilitätsbedürfnisse im Alltag ist dieses Langstreckenauto zugleich auch das falsche Auto. Wir haben bis heute noch nicht realisiert, dass es völlig unsinnig ist, in riesiger Zahl Autos zu bauen und tagtäglich zu fahren, die für elf der zwölf Monate des Jahres das falsche Auto sind. Denn die meiste Zeit werden unsere Autos nur mit einer oder zwei Personen an Bord auf Kurzstrecken bewegt. Dafür aber braucht man beim besten Willen kein Langstreckenauto. Das aber lässt nur den Schluss zu, dass man statt „des Autos“, das in vielen Familien sogar in doppelter Ausführung vorhanden ist, besser zwei unterschiedliche Autos für unterschiedliche Mobilitätsbedürfnisse in der Garage haben sollte – eines für lange Strecken und dazu das bei den meisten Autofahrern meist benutzte für die Kurzstrecken.

Und genau dieses Kurzstreckenauto, das ist die Version, die auch für den Elektroantrieb interessant ist. Denn die heute zu halbwegs vernünftigen Preisen verfügbaren Batterien machen Reichweiten zwischen 100 und 130 Kilometern möglich: Und das ist mehr als ausreichend für die normalerweise an einem Tag zu bewältigenden Fahrtstrecken und erlaubt die Batterieladung in der Nacht. Damit bietet sich das Elektroauto als eine attraktive Lösung für den Kurzstreckenverkehr mit Schwerpunkt in den großen Ballungsgebieten und den weiter wachsenden Städten an. Und hier kann es mit seiner Emissionsfreiheit vor Ort sowie dem extrem niedrigen Geräuschniveau auch wirksam punkten.

Gemessen am Mobilitätsbedarf für Kurzstrecken hat es hier zudem die Chance, sich auf längere Sicht zum bevorzugten Fahrzeug für die städtische Mobilität zu entwickeln. Denn der hier gleichzeitig angebotene öffentliche Personennahverkehr ist nur sehr bedingt eine Alternative. Wenn es darum geht, Schüler und Berufstätige morgens, mittags und abends auf Strecken mit konzentriertem Mobilitätsbedarf ökonomisch, schnell und unbehindert zu transportieren, dann sind Bahnen und möglichst auf eigenen Spuren fahrende Busse ideal. Aber wenn abends und in der Nacht und zu verkehrsarmen Zeiten in der Fläche transportiert werden muss, dann ist dieses System schlicht ungeeignet. Wer es zu solchen Zeiten dennoch betreibt und leere Züge den Fahrplan erfüllen lässt, verbrennt immense Summen von Geld für ein zum Erfüllen dieser Aufgabe ungeeignetes System. Eine Bahn kann eben nicht bieten, was das Auto bietet, nämlich Mobilität zu jeder Zeit an jedem Ort ganz nach Bedarf. Und deshalb wird sie systembedingt auch nie eine Alternative sein können.

Dabei zeigt sich auch hier, dass die Rede von „der Bahn“ ebenso unverbindlich ist wie die von „dem Auto“, solange nicht dazu gesagt wird, welches Mobilitätsbedürfnis mit dem jeweiligen Verkehrsmittel unter welchen Bedingungen befriedigt werden soll. Jedes Verkehrsmittel hat sein ganz eigenes Einsatzprofil. Das gilt auch für „das Elektroauto“. Die Frage, ob das einmal das Auto mit Verbrennungsmotor ablösen wird, können wir uns sparen, denn die steht überhaupt nicht zur Debatte, auch wenn sie permanent gestellt wird.

Gesucht und gebraucht wird vielmehr ein Verkehrsmittel, mit dem sich insbesondere in Städten und ihrer näheren Umgebung relativ kurze Entfernungen von meist einer Person möglichst lärmfrei und ohne lokale Emissionen nach individuellen Bedürfnissen bewältigen lassen. Bei gutem Wetter und auf besonders kurzen Strecken kann das durchaus ein Fahrrad sein. Von Wetterbedingungen unabhängig, lässt sich dieser Mobilitätsbedarf aber auch sehr gut mit elektrisch angetrieben Kurzstreckenautos erfüllen. Hier liegt eine der großen Chancen für die Elektromobilität, die übrigens nicht nur für den Personenverkehr interessant ist. Denn um immer mehr meist kleine Warensendungen direkt in die Wohnungen der Verbraucher zu liefern, dürften elektrisch angetriebene Auslieferungsfahrzeuge sehr viel besser geeignet sein als solche mit Verbrennungsmotor.

Es gibt also durchaus attraktive Einsatzbereiche für darauf optimal abgestimmte elektrisch angetriebene Autos und durchaus gute Argumente für diese Antriebsart. Wer daraus allerdings ableitet, dass „das Auto elektrisch wird“, wie man das gerade in der jüngsten Vergangenheit immer wieder hört, ist auf der falschen Spur. Denn der moderne hocheffiziente und emissionsarme Verbrennungsmotor ist alles andere als Technik von gestern und wird die Szene der individuellen Mobilität noch für viele Jahrzehnte beherrschen.

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