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Interviews sollen die Position des Befragten, seine Kompetenz und deren Grenzen aufzeigen. Im Zusammenhang mit der deutschen Automobilindustrie gelang das in diesen Tagen gleich zwei Journalisten. Der eine hatte den Bundesaußenminister und Kanzlerkandidaten Franz-Walter Steinmeier befragt, der andere den Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder.
Der eine, der Kanzlerkandidat, nannte die deutsche Automobilindustrie das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und sprach von Hilfsmaßnahmen der Politik wie einer Abwrackprämie, also einer Prämie für die, die ihren alten Stinker verschrotten lassen und sich dafür ein neues Auto kaufen. So eine Maßnahme hat zum Beispiel Italien durchgeführt und damit den Autoabsatz schnell, wenn auch nur für kurze Zeit angekurbelt. Aber wollte die Politik bei ihren Konjunkturprogrammen nicht rasche Wirkung erzielen?
Keine Frage: Der andere reagiert jedenfalls reflexartig mit einem Nein. Volker Kauder hat Sorge, der Handel könnte eine solche Prämie nutzen, um die Preise zu erhöhen. Wann hat Kauder wohl das letzte Mal mit einem Händler gesprochen? Vermutlich nicht in jüngster Zeit, sonst wüsste er um Lagerdruck und um den Druck der Banken, die Bestände zu räumen. Preise erhöhen – davon kann ein deutscher Autohändler noch nicht einmal dann träumen, wenn der Hersteller höhere Preise durchzusetzen versucht.
Dann ergeht sich der Unions-Politiker in den üblichen Vorurteilen und spricht von einer verfehlten Modellpolitik. Man wolle solch alte Strukturen nicht zementieren. Volker Kauder hat wohl zu lange auf die Entwicklungen in Amerika gestarrt und dabei übersehen, dass er hier als Politiker die fortschrittlichste und innovativste Automobilindustrie der Welt zu vertreten hat. Obwohl wir wie kein anderes Land vom Export starker und luxuriöser Fahrzeuge leben, ist es der Industrie gelungen, den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch der Modellgeneration 2009 auf ein Niveau zu senken, dass von den für diesen Zeitpunkt zugesagten Zielwert von 140 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer nicht weit entfernt sind.
Kein Herstellerland hat die Effektivität seiner Fahrzeuge mehr gesteigert als Deutschland. Prognosen sagen voraus, die Welt-Automobilproduktion werde 2009 um 20 Prozent einbrechen, die deutsche Produktion aber nur um acht Prozent. Unsere Volkswirtschaft erntet damit den Erfolg einer konsequenten Innovationspolitik der Automobilhersteller. Das ist Fakt, auch wenn man den Deutschen immer wieder vorhält, sie hätten den Hybridantrieb verschlafen.
Ziel aller Konjunkturmaßnahmen – so Kauder – müsse sein, Deutschland aus der Krise gestärkt hervorgehen zu lassen. Das ist ein Satz, der niemandem quer runtergeht. Allerdings darf man sich bei der Betrachtung des ersten Konjunkturpakets heute schon fragen, ob dessen Maßnahmen diesem selbst gesetzten Anspruch gerecht werden.
Der Verzicht auf die Kraftfahrzeugsteuer auf ein oder – bei noch umweltverträglicheren Fahrzeugen – auf zwei Jahre hilft nicht der Konjunktur. Die paar Hunderter nimmt derjenige gern mit, der sich zum Autokauf sowieso entschlossen hat. Nutznießer dieser Regelung sind deren Urheber, die Politiker. Die gewinnen auf diese Weise mindestens ein Jahr für ihre unsäglich träge Diskussion um die Neugestaltung der Kraftfahrzeugsteuer.
An die jahrelange Forderung der Automobilindustrie, nun doch endlich die C02-basierte Kraftfahrzeugsteuer zu verabschieden, erinnert heute kein Politiker mehr. Stattdessen nahm der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) der Wirtschaft und dem Verbraucher erst vor kurzem wieder die Hoffnung auf rasche Planungssicherheit. Er sieht die neue Steuer nicht in 2009.
Hätten sich die Länder und der Bund über die Steuer schon vor Monaten einigen können, hätte Kauder in seinem Interview vermutlich auch darauf verzichten können, Volkswagen vorzuwerfen, den „umweltfreundlichen Golf Blue Motion“ erst im Oktober 2009 auf den Markt zu bringen. Vielleicht wären dann heute schon alle Golf-Modelle Nutznießer der Blue Motion-Technologie, weil die Regeln für die Kfz-Steuer das honorieren.
So aber dürfen wir uns auch beim Thema Automobilindustrie und Konjunktur wieder auf eine von Reflexen und Ideologien bestimmte Debatte vorbereiten. Doch vielleicht haben wir Glück und erleben tatsächlich schnelle und zielführende Maßnahmen. Mag sein, der Blick in die USA zeigt unseren Politikern, dass das Wohl und Wehe der Automobilindustrie über das Schicksal einer Volkswirtschaft entscheiden kann.
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Vielen Lesern wird es nicht anders gehen als dem Autor dieser Zeilen. Der fragt, warum sich ein Politiker auch zu Themen äußern muss, bei denen er nicht über ausreichende Informationen verfügt. Und er hofft, dass dieses Sachgebiet, auf dem man den Politiker gerade erwischt hat, das einzige sein möge, von dem er nichts versteht.
geschrieben von (ar/Sm) veröffentlicht am 30.12.2008 aktualisiert am 30.12.2008
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