Kopfstützen – Nach Millisekunden geschützt

Wie gefährlich ein Heckaufprall mit 50 km/h sein kann, hat jüngst ein Crashtest der Dekra gezeigt. Insbesondere wenn Knautschzonen fehlen, müssen hinten sitzende Insassen mit zum Teil schwerwiegenden Folgen rechnen. Aber auch bei weit geringeren Aufprallgeschwindigkeiten ist das Verletzungsrisiko groß, auch für Fahrer und Beifahrer.

Jedes Jahr erleiden europaweit mehr als eine Million Autofahrer bei einem Heckaufprall auf ihr Fahrzeug schon mit lediglich rund 10 km/h Verletzungen der Halswirbelsäule. Dieses sogenannte Halswirbelsäulen-Syndrom (HWS-Syndrom), auch bekannt als Schleudertrauma, ist nicht nur schmerzhaft und mit einer langwierigen Genesungsphase verbunden, sondern verursacht auch immense volkswirtschaftliche Kosten. Nach Schätzungen von Experten verschlingen die medizinischen Behandlungen verkehrsunfallbedingter HWS-Syndrome in Europa jährlich bis zu zehn Milliarden Euro und in Deutschland weit mehr als 600 Millionen Euro.

Aktive Kopfstützen

Aktive Kopfstützen können das Verletzungsrisiko bei einem Auffahrunfall deutlich minimieren. Bei einem Aufprall werden Fahrzeug und Körper der Passagiere nach vorne beschleunigt, während deren Köpfe eine rückwärtige Beschleunigung erfahren. Es entsteht eine Peitschenschlagbewegung (Whiplash), die zu einer Verletzung der Halswirbelsäule und zum Schleudertrauma führen kann. In so einem Fall schützt die Kopfstütze am besten, wenn sie beim Aufprall dicht am Hinterkopf der Fahrzeuginsassen anliegt. Doch aus Komfortgründen oder auch aus Nachlässigkeit justieren viele Autofahrer die Kopfstütze mit einigen Zentimetern Abstand zum Hinterkopf. Aktive Kopfstützen helfen, den Kopf im Falle eines Heckcrashs schnell abzustützen, indem sie sich nach vorne bewegen.

Arbeitsgruppe zum Thema Sicherheit und Sitze

Eine internationale Arbeitsgruppe zum Thema Sicherheit und Sitze mit der Bezeichnung IIWPG (International Insurance Whiplash Prevention Group) beschäftigt sich seit Jahren mit dem HWS-Syndrom-Problem. Seit dem Beginn von Tests im Jahr 2005 hat sich die Sicherheit von Sitz-Kopfstützenkombinationen deutlich erhöht. Wurden vor sechs Jahren noch 60 Prozent aller getesteten Sitze mit „mäßig“ oder gar „schlecht“ bewertet, waren es 2010 nur noch 28 Prozent, teilt die Unfallforschung der Versicherer (UDV) mit. Trotz dieser positiven Entwicklung zeigen aber vor allem Kleinwagen und Minivans Defizite auf. Von ihnen hatte im vergangenen Jahr immerhin noch jeder Zweite mäßige oder schlechte Kopfstützen.

Der breite Durchbruch hin zu mehr Sicherheit könnte aber kommen. Nach Angaben des Automobilzulieferer Johnson Controls haben unabhängige Studien gezeigt, dass geeignete Schutzsysteme das Risiko von durch Schleudertrauma verursachte Langzeitschäden um über 50 Prozent senken, die Verletzungsgefahr der Halswirbelsäule wird um rund ein Drittel reduziert. Das Unternehmen hat zwei Kopfstützen entwickelt, die eine wirksame Lösung zur Überlastung der Halswirbelsäule darstellen. Denn die Schutzwirkung bleibt auch erhalten, wenn der Abstand zum Hinterkopf aus Gründen der Behaglichkeit zu groß gewählt ist.

riACT-Technologie

Die sogenannte riACT-Technologie kombiniert Komfort und Sicherheit, indem sie das Kissen der Kopfstütze in maximal 50 Millisekunden durch einen Teleskopmechanismus aus der Komfort- in die Schutzposition bringt. Zum Einsatz kommt das re-aktive riACT-System beispielsweise im Hyundai ix35. Den Befehl zum Auslösen erhält es vom Körper des Fahrzeuginsassen, der somit die Funktion eines Crash-Sensors übernimmt. Wird dieser bei einem Heckaufprall in den [foto id=“344727″ size=“small“ position=“left“]unteren Bereich der Sitzlehne gepresst, aktiviert dieser Flächendruck den Teleskopmechanismus zwischen dem vorderen Kissen und dem hinteren Teil der Kopfstütze durch einen Bowdenzug. Binnen Bruchteil einer Sekunde wird so die Kopfstütze in die ideale Schutzposition gebracht.

Während das re-aktive System auf die dynamische Bewegung des menschlichen Körpers beim Aufprall reagiert, nutzt die pro-aktive riACT-Kopfstütze zur Erkennung des Ernstfalls die Informationen der Crashsensoren, die auch Gurtstraffer und andere Rückhaltesysteme des Fahrzeugs steuern. Diese Sensoren melden die Überschreitung eines vordefinierten Schwellenwertes in der Beschleunigung direkt an eine kleine pyrotechnische Einheit in der Kopfstütze, die den Teleskopmechanismus auslöst: Die Kopfstütze schnellt in ihre Schutzposition.

Das pro-aktive System hat durch ihre externe Ansteuerung zwar ein höheres Schutzpotenzial als die re-aktive, wenn Sitzposition, Gewicht oder Größe des zu schützenden Menschen stark von der Norm abweichen. Es ist aber auch teurer und dürfte deshalb eher in Fahrzeugen der Mittelklasse und darüber hinaus zum Einsatz kommen. Das re-aktive System jedoch könnte künftig auch in preissensibleren Fahrzeugklassen Einzug halten.

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