KTM Freeride E: Die grüne Österreicherin

Mangelnden Mut oder fehlenden Innovationsgeist kann man der österreichischen Hard-Enduro-Schmiede KTM nicht vorwerfen: Die Ausweitung der Modellpalette in Richtung Asphalt und der Einstieg in den Straßenrennsport seien nur als Beispiele genannt. Jetzt entert das Unternehmen um Visionär Stefan Pierer ein weiteres unbekanntes Terrain, und das sogar als erster etablierter Großserienhersteller: den Einstieg bei den Elektromopeds und -rollern.

Hier bringt KTM mit der Freeride E einen waschechten Geländegänger mit einem emissionsfreien und geräuschlosen Elektro-Herzen auf den Markt. Dabei wollen die Österreicher [foto id=“428539″ size=“small“ position=“left“]alles andere als wirtschaftliche Hasardeure sein. Neben Neu- und Wiedereinsteigern möchte KTM mit der Freeride E auch Offroad-Haudegen ansprechen, die wegen des Lärms und der Emissionen von Offroad-Motorrädern mit Verbrennungsmotoren kaum noch Gelegenheiten zum Ausüben ihres Hobbys finden.

Zur Verwirklichung hat es drei Jahre gebraucht. Dabei handelten die Österreicher nach dem Motto: Wie wir Enduros bauen, wissen wir, und für alles andere gibt’s Spezialisten wie zum Beispiel Johannes Proschek, den heutigen Produktmanager E-Mobility, der zuvor für das Toyota Formel 1-Team in Köln tätig war und sich dort ebenfalls um elektrische Belange kümmerte.

Statt eines vielfach verwendeten Gleichstrommotors sorgt in der Freeride E ein Permanentmagnet-Synchronmotor in Scheibenläuferbauweise für den Antrieb – der baut kompakter und lässt sich feiner regeln. Seine Spitzenleistung von 22 [foto id=“428540″ size=“small“ position=“right“]kW/30 PS, die einem 125er Zweitakt-Crosser entspricht, leitet der im Rahmen fixierte E-Motor wie üblich über eine Kette ans Hinterrad. Als Dauerleistung liefert der E-Motor immerhin 7 kW/10 PS. Die herausnehmbare Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 2,1 kWh kommt in einem vollkommen gekapselten Aluminiumgehäuse, um Umwelteinflüsse auszuschalten. Strom verträgt sich bekanntlich nicht gut mit Wasser und Schlamm, die beim Offroadbetrieb spätestens beim Einsatz des Hochdruckreinigers ins Spiel kommen.

Natürlich stellt sich bei allen stromgetriebenen Fahrzeugen die Frage nach der Sicherheit, doch bei der Freeride E in besonderem Maße: KTM setzt als bislang einziger Zweiradanbieter auf eine Hochvolttechnologie mit 300 Volt Betriebsspannung – im Pkw-Bereich durchaus üblich – um eine höhere Leistungsdichte erzielen und die Strom führenden Bauteile möglichst kompakt halten zu können.

Dieser innovative Antrieb steckt in einem voll geländetauglichen Fahrwerk mit üppigen Federwegen, das weitgehend dem der Freeride-Schwester mit 350er-Viertaktmotor entspricht. Das Chassis zeichnet sich durch gute Handlichkeit und leichte Fahrbarkeit aus, und weil die „E“ lediglich 95 Kilo auf die Waage bringt, ist sie selbst für Offroad-Anfänger leicht beherrschbar. Zur Eingewöhnung lässt sich das bärige Drehmoment des E-Motors von 42 Newtonmeter über drei Fahrmodi domestizieren. Doch selbst wenig versierte Geländegänger schalten nach kurzer Zeit auf vollen Schub, da die Leistungsabgabe direkt und sehr [foto id=“428541″ size=“small“ position=“left“]gut kontrollierbar ausfällt. Bei Amateuren reicht der Stromspaß für eine Dreiviertelstunde, geübte „Schlammwühler“ haben die Batterie nach gut 20 Minuten leer gefahren – für engagierte Offroader eine ausreichende Einsatzdauer. Da die Batteriezellen hochstromfähig sind, ist der herausnehmbare Akku schon nach rund einer Stunde an der Haushaltssteckdose wieder voll geladen. Etwaige Bedenken, mit einer Freeride E von neuen Stromspeicher-Technologien abgeschnitten zu sein, zerstreut KTM mit einer Leasing-Idee: Die im angepeilten Kaufpreis von unter 10 000 Euro enthaltenen Akkus werden nur geleast und können später gegen möglicherweise leistungsstärkere ausgetauscht werden.

Noch gibt es die Freeride E nicht zu kaufen – aber zu fahren: In Munderfing direkt hinter der Rennabteilung hat KTM eine große Wiese zum Testareal mit Anliegern, Sprüngen und Waschbrettpiste umgebaut. Hier können Interessierte die Freeride E nach Anmeldung unter blog.ktm.com kostenlos testen. Dabei ist der weitere Weg der Elektromobilität bei KTM bereits vorgezeichnet: Nach der hier getesteten reinrassigen SX-Version für abgesperrte Strecken wird es bald eine zulassungsfähige EXC-Enduro-Version geben, gefolgt von einer Supermoto.

Datenblatt KTM Freeride E

Motor: Enduro mit Permanentmagnet Synchronmotor in Scheibenläuferbauweise, Nennleistung 10 PS (7,5 kW) bei 6000/min, Spitzenleistung 30 PS (22 kW) bei 6000/min, max. Drehmoment 42 Nm bei 500/min, Lithium-Ionen-Akku, 2,1 kWh, Betriebsspannung 300 Volt, Kettenantrieb
Fahrwerk: Stahl-Brückenrahmen, Upside-Down-Teleskopgabel vorn, Zweiarmschwinge mit Zentralfederbein hinten, je eine Scheibenbremse vorn und hinten
Maße und Gewichte: Reifen vorn 80/100-21, 110/90-18 hinten, Sitzhöhe 910 mm, Leergewicht 95 kg
Preis: knapp 10 000 Euro

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