Herzbeschleuniger

Lamborghini Huracan LP610-4 Spyder: Automobiler Herzbeschleuniger

Der fällt auf: Der Lamborghini Huracan LP610-4 Spyder ist das perfekte Spiel-Mobil für Exhibitionisten. Bilder

Copyright: Jürgen Zöllter/mid

Der Startknopf für den Motor des Kampfstieres ist hinter einem Schutzgitter verborgen. Bilder

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Flach, breit, stark: Der neue Oben-ohne-Lambo passt perfekt in die exklusive Klasse der Supersportwagen. Bilder

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Der Fahrer richtet den Blick im Lamborghini Huracan Spyder besser nach vorne als gen Heckscheibe. Dann ist der Ausblick deutlich produktiver. Bilder

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Von Luftöffnungen verdeckt, schlummert im Heck des Lamborghini Huracan Spyder ein 5,2-l-Zehnzylinder mit 610 PS. Bilder

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Wer Autofahren als Transportaufgabe betrachtet, sollte nach diesem Satz nicht weiter lesen! Denn im Folgenden geht es um einen automobilen Herzbeschleuniger, der das Tier im Menschen weckt, überwiegend in Männern mit Hang zum Exhibitionismus.

Lamborghini Huracan LP610-4 Spyder

Um den neuen Lamborghini Huracan LP610-4 Spyder, einen offenen Zweisitzer mit Rasiermesserscharfen Konturen, der bereits parkend droht, die guten Sitten der automobilen Gesellschaft einfach zu unterlaufen.Weit aufgerissene Nüstern scheinen den Asphalt zu erschnüffeln. Darüber wachsen Fronthaube und Windschutzscheibe verwerfungsfrei zu einem flachen Keil. In dessen Windschatten liegt die knapp geschnittene Pilotenkanzel, dahinter ein riesiger Maschinenraum. Kapitän und Copilot schlängeln ihre (vorzugsweise schlanken) Körper unter die nahezu horizontal liegende Windschutzscheibe in Sitzschalen. Die Schraubbewegung erfolgt abwärts, denn in diesem Kampfjet auf Rädern kauert man nur wenige Zentimeter über der Straße. Um nichts dem Zufall zu überlassen, liegt der Zentralschalter der Befeuerungsanlage hinter einem Schutzgitter verborgen. Man klappt es hoch, drückt den Auslöser – und nun gibt es kein Zurück!

Zehnzylinder Triebwerk

Explosionsartig springt die Befeuerung an, infernalisch bellend aus dem Heck, und fällt missgelaunt in den Leerlauf zurück. Direkt hinter den Sitzen ist das 5,2-l-Zehnzylinder-Triebwerk erwacht, darf mit seinen fetten 610 PS aber nicht gleich losschlagen. Zuvor muss der Pilot das Temperament des Kampfstieres vorwählen. Zur Auswahl stehen drei Modi, Charakterausprägungen des Lamborghini, wenn man so will. Doch Strada, Sport und Corsa sind eher Aggressionstreiber automobiler Gelüste, vergleichbar vielleicht mit den Temperamenten eines Fischers, Jägers und Scharfschützen. Mutig entscheiden wir uns gleich für Sport. Denn Cruisen im Strada-Programm ist der Prozessionsfahrt auf Einkaufsstraßen vorbehalten. An riesigen Schaltflügeln hinterm Lenkrad wählen wir den ersten von sieben Gängen des Doppelkupplungsgetriebes, legen dessen Automatikmodus Schlafen, und wagen den wilden Ritt. Er beginnt mit einem Raketenstart auf 100 km/h in nur 3,4 Sekunden. Es geht geradeaus, der Allradantrieb sorgt für exzellente Traktion, die Lenkung bleibt feinfühlig, und die Wut der Zehnzylinder-Maschine in Mittellage intoniert das alles übertönende Spektakel. Mit Zupfen am Schaltflügel rechts springen die nächst höheren Gänge ein. Unmittelbar, womit auch die Stimmlagen wechseln. Mit tiefem Grollen geht's los, ab 4.000 Touren wetteifert ein melodischer Gesang mit den Windgeräuschen, die ab 6.000 Touren schließlich kaum mehr wahrgenommen werden. Denn nun sägt das Triebwerk alle Nebengeräusche nieder. Gaswechsel, das Kraftwerk fällt in den Schub und ballert brabbelnd eine Art Abgesang. Wir atmen erst einmal durch.
Wehe, wenn er losgelassen wird: Der Lamborghini Huracan LP 610-4 Spyder katapultiert den Fahrer in nur 3,4 Sekunden auf Tempo 100 und bis auf 324 km/h.

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Kurven nimmt der Huracan Spyder

wie sein Schwestermodell, das Coupé: Moderat und nicht zu spitz lenkt der Vorderwagen ein, spurt ausgezeichnet auf der Ideallinie und nimmt am Kurvenausgang explosiv Gas an. Letztere Eigenschaft haben inzwischen viele Konkurrenten verloren. Anders als diese pflegt Lamborghini im Huracan noch die Spontaneität eines frei atmenden Motors. Er muss nicht erst auf den Aufbau des Ladedrucks durch Turbos zu warten, sondern legt sofort los. Was auch das Mitlenken des Hecks übers Gaspedalspiel erlaubt - soweit es die Elektronik zulässt. Im Corsa-Modus natürlich mehr als im Sport. Zum Cruisen in Strada fragt niemand danach. Unvermeidbar teilt der Spyder ein Dilemma mit der Coupé-Version, wenn's rasant durch enge Kurven geht: Die Breite seiner Leichtbaukarosserie aus Aluminium und CFK-Verbundmaterial von stattlichen 192 cm im Verein mit der tiefen Sitzposition erschweren das Anpeilen des Kurveninneren und beeinträchtigen die Handlichkeit. Bis zu 324 km/h soll das vielschichtige Spektakel aus wuchtigem Antritt, infernalischem Gesang und erfreulicher Fahrpräzision anhalten. Übrigens unabhängig davon, ob das dünne Zeltdach aufgespannt ist oder unter einem Deckel im Heck verstaut liegt. Wir haben es nicht ausprobiert! Die Faszination dieses Huracan Spyder sehen wir weniger im hochdynamischen Grenzbereich, als mehr im Wechselspiel seiner unbändigen Kraft mit der Lenkung, dem Alu-Fahrwerk mit geregelten Dämpfern, den hervorragenden Keramik-Bremsen und natürlich den Reaktionen des gesellschaftlichen Umfelds. Wer mit seinem Selbstwertgefühl hadert, sollte von diesem Kampfstier, den Lamborghini im Firmenwappen trägt, die Finger lassen. In den Augen von Passanten wird der Pilot gewissermaßen selbst zum Stier. So faszinierend die Zwei- oder Dreisamkeit mit diesem Huracan LP610-4 Spyder ist, so schwer fällt es, unauffällig im fließenden Verkehr mitzuschwimmen. Selbst in Miami, wo die Lamborghini an Straßenrändern parken wie bei uns die Mercedes SLC (früher SLK), scheint diesen Spyder niemand zu übersehen. Wer sich daran stört, kann in nur 17 Sekunden das knapp geschnittene Zeltdach schliessen.
Fahrer und Beifahrer sitzen im Lamborghini Huracan Spyder extrem tief.

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Natürlich elektrisch.

Dazu muss man nicht einmal anhalten: bis 50 km/h inszeniert der Spyder das Ereignis auch fahrend. Auf Floridas Straßen entzieht man sich den Blicken anderer Autofahrer dann nahezu völlig. Weil der mit 112 cm niedrigste Roadster im (selbst ernannten) Supersportwagen-Segment hier auf Augenhöhe mit den Stoßfängern der SUV-Gemeinde und auf Höhe der Radkappen von Peterbilt und Co. liegt. Den Cowboys an ihren Lenkrädern bleibt fortan nur der Blick auf schmale Sichtschlitze und das martialische Schuppengeflecht überm Mittelmotor. Sollten Kritiker automobiler Spielzeuge, zu denen dieser Lambo Huracan Spyder uneingeschränkt zählt, tatsächlich bis hier weitergelesen haben, dürfen zur abschließenden Meinungsbildung Treibstoffverbrauch und Preis erwähnt sein.

Als Normverbrauch gibt Lamborghini 12,3 Liter je 100 km an, was 285 g/km CO2-Emissionen bedeutet. Klingt nach Verschwendung? Angesichts der 2015 insgesamt 235 in Deutschland neu zugelassenen Lamborghini, von denen die wenigsten jährlich mehr als 4.000 km zurücklegen, sollte man Großmut bewahren. Für die wenigen, bei uns verkauften Huracan Spyder ruft Lamborghini mindestens 221.875 Euro auf – auch als Deckungsbeitrag für den Lohn seiner mehr als 500 Mitarbeiter.

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