Historie und Histörchen

Leiding konnte den Golf nicht mehr verhindern

auto.de Bilder

Copyright: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

auto.de Bilder

Copyright: Auto-Medienportal.Net/Seiler

auto.de Bilder

Copyright: Auto-Medienportal.Net

auto.de Bilder

Copyright: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

Jürgen Schober aus der Presseabteilung musste mich begleiten. Voll beseelt vom reinen Glauben hatte ich mich geweigert, ein Auto aus der Nähe von Hannover in der Ferne zu beurteilen. Also fuhren wir jetzt in meinem, einem Jungredakteur angemessen alten Käfer (Baujahr 1965) die schmale, gerade Waldstraße entlang der Zauns zum Haupteingang des Testgeländes in Ehra Lessin. Auf der riesigen Skidpad dort sollte ich mich mit dem Auto, das den Konzern aus der Krise führen sollte, austoben können.

Lehmanns Erlkönigfotos kannte man 1974 schon

Aber jetzt stand die erste körperliche Berührung kurz bevor. Als mein grüner Käfer neben dem roten Golf stand, war es überdeutlich zu sehen. Hier beginnt in Ehra eine neue Ära. Kompakte Außenmaße und klare Kante prägten das Bild. Neben dem quellenden Formen des Käfers nahm er sich eher bescheiden aus mit seinen 3,70 Metern Länge gegenüber den fast 4,10 Metern des Käfers. In der 800-Kilogramm-Klasse bewegten sich beide, erläuterte Schober. Aber mein Käfer tat das mit 34 PS, der Golf in Ehra trat aber mit 70 PS an. Was für ein Unterschied! Selbst der schwächere der beiden 1,5-Liter-Vierzylinder fuhr mit seinen 50 PS in einer anderen Klasse, und das ohne das typische Jaulen des Boxer-Motors aus dem Heck.

Es wäre zuviel behauptet, wenn ich damals den Klang des Motors hätte identifizieren können. Aber wir wussten ja, dass die Motoren eigentlich aus Ingolstadt stammten, von der Audi NSU Auto Union. Deren technische Kompetenz hatte Volkswagen ebenso mitgekauft wie den NSU/VW K 70 und den Audi 80, der schon 1973 zum ersten Volkswagen Passat mutiert war.

auto.de

Copyright: Auto-Medienportal.Net

Der Golf beendete eine dramatische Phase der Unternehmensgeschichte

Der erste VW-Chef, Heinrich Nordhoff, hielt zu lange am Käfer-Konzept mit luftgekühltem Heckmotor und Heckantrieb fest. Zu lange. Und das Design des Käfers, aber auch der nachfolgenden Versuche, einen großen Volkswagen zu etablieren, fanden im Markt immer weniger Nachhall. Es ging bergab.

Nachdem Importmarken wie Fiat, Renault, Peugeot und Simca bereits in den 1960er Jahren kompakte Modelle mit Frontantrieb präsentiert hatten, wollte der Nordhoff-Nachfolger Kurt Lotz diesem Beispiel folgen. Er wollte den Systemwechsel auf wassergekühlten Frontmotor und Frontantrieb. Aber es gab auch Versuche wie den von Ferdinand Piech entwickelten EA 266 (EA für Entwicklungsauftrag) mit Mittelmotor unter der Rücksitzbank. Doch der Lotz-Nachfolger Rudolf Leiding verwarf auch dieses Konzept 1971. Giorgio Giugiaro, der Designer des ersten Golf, erinnert sich: „Leiding kam im Prinzip zu spät, um den Golf noch verhindern zu können.“ Die Audi-Technologie hatte sich in Wolfsburg durchgesetzt.

Am Anfang belächelt

Das geschah in einer Zeit, in der sich die Forschung und Entwicklung in Wolfsburg dem Spott ausgesetzt sah. „Elfenbeinturm“ war noch eine der sanfteren Bemerkungen über die Effektivität der Entwickler. Von außen gut sichtbar hatte Volkswagen zwei große Gebäudekomplexe für die 6000 Mitarbeiter der F&E errichtet, was zum nächsten Spott führte: Das sei die Technische Hochschule Wolfsburg, hörte man. Die lernten noch, wie man ein modernes Auto baut.

Zum Beweis, dass die Entwickler nicht nur Däumchen drehten und zu Unrecht von den Ingolstädter Kollegen belächelt wurden, lud die Presseabteilung 1973 zu einer Art Tag der offenen Tür, um alles zu präsentieren, was hinter den weißen Fassaden der F&E-Gebäude geschah.

auto.de

Copyright: Auto-Medienportal.Net/Volkswagen

Alle Antriebe, die damals denkbar waren:

Volkswagen mit Gasturbine, mit Wasserstoff betriebenen Verbrennungsmotoren, mit Erdgas als Treibstoff, Elektroautos bis hin zu E-Transportern, deren Batterien unter der Ladefläche saßen und ausgetauscht werden konnten. Wenn ich mich recht erinnere, war auch von Brennstoffzellen und von neuen Treibstoffen die Rede, auch von Methanol, das mit Hilfe der Energie aus Schnellen Brütern synthetisiert werden sollte. Das verbrennt zu Methan, was wiederum als Treibstoff eingesetzt werden konnte. Denn Erdgas und Methan sind chemisch identisch.

Vom Schnellen wurde nichts. Auch von den anderen Technologien hören wir erst in der jüngeren Vergangenheit wieder. Dennoch hatte Volkswagen der Welt gezeigt, dass die eigene F&E alle nur denkbaren Eisen im Feuer hatte. Aber in der ersten Energiekrise wurde vieles davon wieder kassiert und auf eine bessere Zukunft verschoben. Doch dann kam erst der Passat und ein Jahr später – 1974 – der Golf.

Und das war gut so. Denn schon von der ersten Generation konnte Volkswagen rund sechs Millionen Exemplare verkaufen. Das neue Volumenmodell des Konzerns war der Erfolg, der das Unternehmen aus der Krise befreite. Der Generation I folgten sechs weitere, die es inzwischen auf insgesamt mehr als 35 Millionen Einheiten gebracht haben. Jede dieser Generationen festigte den Ruf des kompakten Wolfsburgers, in seiner Klasse die Maßstäbe zu setzen. Rasch gewöhnten wir uns daran, alle Zwei-Volumen-Autos mit Steilheck unter dem Gattungsnamen Golf-Klasse einzuordnen.

Jedes Auto  aus diesem Segment muss sich mit ihm messen

Das wird auch bei der Generation VIII nicht anders sein, wenn sie Ende dieses Jahres bei den Händlern steht. Es wird wieder Gründe geben, sich über den Neuen zu wundern. So wie es mir bei der Nummer 1 ging, als ich merkte, wie der Golf auf der Skippad sich kräftig aus der schnell gefahrenen Kreisen lehnte und dabei das kurvenäußere Beinchen hob. So etwas wird dem neuen Golf bestimmt nicht passieren.

UNSERE TOP-ANGEBOTE FÜR SIE

MEHR ERFAHREN AUS DEM BEREICH NEWS

Die Transformation: Mit Kia in Walla Walla

Die Transformation: Mit Kia in Walla Walla

Tesla liefert mehr Reichweite

Tesla liefert mehr Reichweite

Elektrischer Familienfreund zum Sparkurs

Elektrischer Familienfreund zum Sparkurs

zoom_photo