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Wenn Paul Friedli von der Zukunft spricht, dann übt er erstmal Kritik an sich selber: „Das ist völliger Unfug dass jemand wie ich im Jahr dreimal um den Erdball fliegt. Wenn alle ihre Logistik pflegen würden, dann könnte ich diese Reisen um zwei Drittel reduzieren“, sagt der 66 Jahre alte Schweizer. Friedli ist Consultant der Aufzugsfirma Schindler. Gerade kommt er aus Macao zurück, wo er beim Stoppover schnell noch eine neue Liftanlage für ein Hochhaus begutachtet hat. Zuvor war er in China, wo er in Pudong, einem Stadtteil von Schanghai, die Planungen für ein Rolltreppenwerk des Schweizer Unternehmens im Reich der Mitte vorbereitet hat. Das größte der Welt soll es werden, der Bauboom in China ist ungebrochen, alles zieht in die Städte, weil da Geld zu verdienen ist.
Und das ist die Krux unserer Gesellschaft, da ist Friedli sich sicher. „Alle Menschen streben vom Land in die Städte. Und die bersten auseinander“, sagt er. Vor allem den Verkehr bekommt die Administration nicht in den Griff. In manchen Metropolen verbringen die Einwohner mehr Zeit im Stau als sie für ihre Freizeit übrig haben. In Peking etwa dürfen Autos je nach den Endziffern auf ihrem Nummernschild nur an bestimmten Tagen genutzt werden. Aber dafür hat Paul Friedli einen besseren Lösungsansatz. „Wenn wir den Verkehrsfluss in Gebäuden betrachten, haben wir im Grunde die gleiche Problematik wie auf den Straßen.“ Wenn morgens mehr als 5.000 Menschen in einen Büroturm zur Arbeit wollen, ist dies ein erhebliches logistisches Problem. Die Aufzugbauer sind dem mit der sogenannten Zielrufsteuerung begegnet, einer Systemlösung, die den vertikalen Transport wesentlich beschleunigt hat. Hierbei steuern die Aufzüge bestimmte Stockwerke an, im einfachsten Fall entweder die mit gerader oder ungerader Etagennummer. Je größer das Hochhaus, desto komplexer die Aufzuglogistik, „sonst brauchten Sie ja ewig, um in das gewünschte Stockwerk zu kommen“. Zielrufsteuerung nennen die Fachleute dieses Verfahren, bei dem Algorithmen festlegen, welche Fahrten der Aufzug macht.
Das was auf den Straßen geschieht, vergleicht er mit der unsinnigen Auslegung eines Flugplans: „Stellen sie sich vor, die Passagiere steigen in einen Flieger und dann sagt jeder dem Piloten wo er hinwill. Das würde wohl kaum funktionieren.“ Aber genauso geht es heute im individuellen Straßenverkehr zu. Jeder fährt wann er will und wohin er will, dies, so Friedli, sei zwar immer angenehm gewesen aber längst keine Option mehr für die Zukunft. Er ist sicher, dass wir bald Fahrten anmelden müssen. „Sie sagen der Zentrale, wann Sie wo ankommen wollen und die gibt Ihnen dann unter Berücksichtigung des Verkehrsaufkommens eine Zeit, zu der Sie abfahren müssen um im Zeitplan zu bleiben.“ Im Flugverkehr wird so schon seit geraumer Zeit vorgegangen, „Slots“ heißen die Zeitfenster, in denen Flugzeuge bei Überlastung des Luftraums abfliegen dürfen, ein Flieger kann eben in der Luft nicht anhalten, wenn es zu einem Stau kommt. Ein Auto müsste entsprechend in der Garage oder im Parkhaus bleiben. Dass es bei einer solchen Lösung unangenehme Begleiterscheinungen geben könnte, ist Friedli klar: „Nicht auszuschließen, dass wir einen Slothandel bekommen, also dass irgendwer die Zeitfenster kauft und dann meistbietend versteigert.“
Friedli geht noch weiter. Sinnvoll wäre diese adaptierte Zielrufsteuerung, die es bei Aufzügen schon seit 1989 gibt, im Straßenverkehr eigentlich nur beim autonomen Fahren, meint er. Das würde mehr Platz bringen, denn selbstfahrende Autos brauchen keinen Sicherheitsabstand und die Unfallzahlen würden gegen Null streben. Und er stellt weitere Fragen: Warum brauchen Straßen Sonnenlicht? Warum wollen die meisten Menschen alleine im Auto sitzen? Wie notwendig sind einzelne Fahrten? Diese Denkansätze versucht Paul Friedli im Team anlässlich des von Audi ins Leben gerufenen Urban Future Award weiter zu entwickeln. In Berlin werden die Ergebnisse im Oktober vorgestellt.
Die Überlegungen korrespondieren nach Friedlis Worten auch mit dem zunehmenden Problem der Sicherheit. Die steigende Terrorismusgefahr fordert neue Lösungen bei der Mobilität. Auch hierbei kann er auf die Erfahrungen im Aufzugsgeschäft zurückgreifen. „In modernen Bürotürmen bekommen die Menschen Zutritt über ihre ID-Karte. Die lässt sie nur durch jene Eingänge, die sie benutzen müssen, der Aufzug hält nur in den Stockwerken, die für sie relevant sind.“ Bezogen auf den Straßenverkehr wäre das jedoch das Ende der individuellen Mobilität, räumt er ein. Bis diese teils abstrakten Gedanken wirklich Realität werden, dürfte noch geraume Zeit verstreichen. Mit intelligenten und kommunizierenden Ampelsteuerungen soll in Berlin demnächst jedoch ein erster Schritt gemacht werden. Bei dem aber haben die Autofahrer das Lenkrad noch fest im Griff und bedienen Gas und Bremse noch nach eigenem Willen. Zunächst noch.
geschrieben von veröffentlicht am 29.09.2014 aktualisiert am 29.09.2014
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