Mazda

Marktforschung auf Japanisch – Jinbei Ittai und drei Kunden

Wenn ein Autohersteller ein neues Modell plant, werden Hinz und Kunz dazu befragt, was sie sich wünschen. Hunderte oder sogar Tausende von Studienteilnehmern sind keine Ausnahme, um dem Kundenwunsch auf die Spur zu kommen. Auch bei Mazda wird das bisher so gewesen sein – bis zum Mazda6.

Hiroshi Kajiyama lächelt so leise, wie das wohl nur Japaner können – und dann sagt der Programm-Manager: „Wir haben auch Kunden befragt: Drei.“ Einen in China, einen in Deutschland, einen in den USA. Aber anders als die Wettbewerber sind die Mazda-Macher ganz tief in das tägliche Leben dieser drei typischen Interessenten eingestiegen. Haben die Mittelklasse-Menschen begleitet, ihre Wünsche, Gefühle, Werte, Sehnsüchte erkundet. Qualitative Marktforschung nennt sich das. Am Ende steht der Mazda6.

„Er soll nicht allen möglichen Kunden gerecht werden. Er soll unsere ganz spezifischen Kunden begeistern“, beschreibt Kajiyama den fast schon philosophischen Ansatz. Ein passender Begriff begleitet ihn als Motto: „Jinbei Ittai“. Vor Hunderten Jahren beschrieben die Japaner damit das Streben nach der Einheit zwischen Pferd und Reiter. Heute sollen es Fahrer und Mazda6 sein. Im Inneren eins.

Kajiyama weiß aber jenseits aller Philosophie natürlich, dass auch die messbaren Leistungen und zählbaren Ausstattungen auf der Höhe des Wettbewerbs sein müssen. Und darum hat auch der in Paris erstmals zu sehende Kombi fast alles zu bieten, was auch Konkurrenten wie etwa Ford im neuen Mondeo verwenden: einen radarbasierten Abstandshalte-Tempomat etwa, der in Bereichen zwischen 30 und 200 km/h automatisch die Distanz zum Vordermann hält – und abgestimmt darauf einen Notbremsassistenten für Geschwindigkeitsbereiche von 15 bis 145 km/h. Zusätzlich (oder stattdessen) gibt es auch den City-Notbremsassistenten, der von vier bis 30 km/h arbeitet. Die Sicherheitszone für den Mazda-Lenker ergänzen  Spurwechsel- und Spurhalteassistent.

„Aber zudem hat der Fahrer einen einmaligen Kontakt über das Lenkrad zu Motor und Straße“, schwärmt der Japaner. Störeinflüsse etwa aus dem Antriebsstrang seien so minimiert, dass der Lenker sich wie eben jener Reiter im Sattel fühlen werde. Dieses „Fahrvergnügen“, wie Kajiyama das nennt, lässt sich auf einem Messestand natürlich nicht erfühlen.

Der 6 ist der erste Mazda, der wieder ganz allein in Regie der Japaner entwickelt wurde. Der frühere Mehrheitsaktionär Ford besitzt inzwischen nur noch wenig Anteile – und „keinen Einfluss“ auf die Gestaltung des 6. Darum setzt auch Mazda anders als Ford nicht auf die Hybrid-Technik zum Spritsparen. Grundlegende Optimierung der Otto- und Dieselmotoren und neue Ideen zur Energierückgewinnung sind vielmehr der Ansatz – und der geht bei den Japanern weit.

Die stärkeren Motoren haben eine Innovation, die den Japanern eigen ist: i-ELOOP, ein System, um Bremsenergie zurückzugewinnen. Ein Kondensator wird immer dann mit elektrischer Energie geladen, wenn der Fahrer den Fuß vom Gas nimmt oder bremst. Die gespeicherte Energie kann bis zu 80 Sekunden sämtliche elektrische Komponenten des Fahrzeugs speisen. Der Motor selbst muss kaum mehr oder gar keine elektrische Energie für diese Bauteile.

Hierzulande, das weiß auch Kajiyama, ist ein Großteil des Marktes schon an die deutschen Firmenwagen-Flotten vergeben, wenn der 6 im Februar startet. Dennoch erwartet der Programmchef gerade bei der Limousine, einige Kunden von VW oder gar Audi oder BMW zu erobern. Und auch als Kombi bietet der Mazda sehr viel Platz für die Passagiere bei einer schnittigen Linie – und eine Verarbeitung mit besonders angenehm anzufassenden Oberflächen und Schaltern. Hier setzt Kajiyama aber vor allem darauf, die bisherigen Käufer zu halten und den Angriff von Hyundai und Kia abzuwehren.

Dass der deutsche Test-Kunde besonderes Gehör gefunden hat, zeigt sich übrigens auch bei der Größe des Kombis, der vor allem für Europa maßgeschneidert wurde: Der ist mit 4,81 Meter nämlich zwar knapp sieben Zentimeter kürzer als die Limousine, die eher auf US-Maße wert legt – aber damit immer noch drei Zentimeter länger als der deutsche Marktführer Passat Variant. Und der 522 Liter fassende Kofferraum lässt sich durch Umlegen der Rückbank auf 1.663 Liter erweitern.

Das geht übrigens wie bei Mazda üblich mit einem simplen Hebelzug und nach dem Karakuri-Prinzip, benannt nach einer 200 Jahre alten Faltpuppe. Es lohnt sich eben, auf die klassischen Prinzipien und Stärken zu setzen, sagt Kajiyama. Auch eine Art Marktforschung.

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