Enttäuschende Optik
Die Anhängerkupplung fährt auf Knopfdruck heraus, allerdings ein wenig enttäuschend von der Optik. Ganz normaler Stahl, ohne Schnick und Schick. Profan - aber zweckmäßig. Im krassen Gegensatz dazu stehen solch feine Details wie der Champagner-Kühlschrank, den es selbstverständlich an Bord gibt. Er nimmt zwar ein wenig von der Kofferraum-Kapazität weg, aber dafür sind zwei Flaschen Prickel-Stoff auf alle Fälle immer richtig temperiert. So wie die silbernen Gläser, die im Lieferumfang des Maybachs selbstverständlich enthalten und die auf der Innenseite der Kühlschranktür untergebracht sind. Kling despektierlich - ist aber ist nicht so gemeint: Der Maybach GLS 600 ist auch ein Auto für Trittbrettfahrer. Die Boards, die fast über die ganze Fahrzeuglänge von Vorder- bis Hintertür automatisch ausfahren, halten jedenfalls das Gewicht von vier Personen aus. Wer will, kann darauf surfen. Und wer weiß, was solch begüterter Klientel so alles einfällt.
Für Otto Normalverbraucher sind die Trittbretter in dieser Ausfertigung jedenfalls eine schöne Einstiegshilfe. Luxus, der Sinn macht. Das trifft auch auf den Fond zu. Statt wie im normalen
GLS gibt es hier nicht eine zweite und dritte Sitzbank, auf der noch mal fünf Menschen Platz finden, sondern nur zwei dicke Business-Sitze. Hier kann man arbeiten oder ruhen. Je nachdem. Rechts hinten befindet sich der Sitz für den gestressten Firmenboss. Auf einen einzigen Knopfdruck lässt sich der Ledersessel in die Horizontale bewegen, wo man wie in der First Class von Lufthansa stilvoll sein Nickerchen halten kann. Auf weißem Leder und mit dem bereits aus der
S-Klasse bekannten Kuschelkissen. Und damit nicht etwaige Straßen-Unebenheiten die Nachtruhe stören, wurde sogar ein spezieller Maybach-Modus entwickelt.
Neben den schon bekannten Fahrstufen wie Normal, Sport und Komfort gibt es auch eine Einstellung, die das Luftfahrwerk so reguliert, dass hinten rechts am wenigsten Stöße und das Maximum an Komfort ankommen. Für den Fahrer fühlt sich das dann weniger angenehm an. Der kommt sich in etwa so vor wie der Kapitän einer Segeljolle bei hohem Seegang. Zum Komfort zählt auch die Entdeckung der Stille. Der Maybach-GLS mag zwar ein SUV sein, aber er ist mindestens so leise wie eine vergleichbare S-Klasse. Dafür haben die Konstrukteure jede Menge Dämmung mehr reingepackt, sogar die Kofferraumabdeckung wurde ordentlich verstärkt, damit ja keine Geräusche von der Hinterachse ans Gehör dringen.
In der Tat flüstert dieser Maybach so leise vor sich hin, dass man fast glauben möchte, in deinem
Elektro-
Van zu sitzen. Das ändert sich beim Druck aufs Gaspedal, wenn die acht Zylinder und die 557 PS des AMG-Motors in Bewegung kommen und den 2,5-Tonner gewaltig anschieben. Das hört man dann auch, und sogar gerne. 730 Newtonmeter (Nm) Drehmoment bringen den Maybach-Tanker in kraftvollen 4,9 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Standesgemäß, sonor, souverän. Trotz Curve-Funktion, mit der sich das Super-SUV wie ein Motorrad in die Kurven legt, ist dieser Maybach natürlich kein Sportwagen. Das gewaltige Gewicht wird nur mühselig gezähmt von den vielen elektronischen Helfern. Aber zum Rasen und für die Kurvenjagd wurde das edle Gerät ja auch nicht gebaut. Der Maybach-GLS ist mehr ein gemütlicher Jumbo-Jet als ein agiler Tornado. Aber ein echter Mercedes. Und sogar mehr als das. Denn als bislang einziger SUV darf der Maybach einen Stern nicht nur auf dem Kühlergrill, sondern sogar auf der Motorhaube tragen. Rudolf Bögel / mid