Mit den Audi-Piloten über den Le-Mans-Kurs

Der 13,629 Kilometer „Circuit des 24 Heures“ gilt als eine der faszinierendsten Rennstrecken der Welt, auf der keine Testfahrten möglich sind. Die neun Audi-Piloten beschreiben die wichtigsten Streckenabschnitte in alphabetischer Reifenfolge von B wie Bernhard bis T wie Tréluyer, ehe sich am kommenden Samstag (12. Juni) um 15 Uhr die Startflagge hebt.

Timo Bernhard über die Dunlop-Schikane: „Es ist schön, bei Start und Ziel an der Haupttribüne vorbeizufahren. Rechts hat man die Crew und die Boxengasse mit der Boxentafel, auf die man achten muss. Links ist die vollbesetzte Haupttribüne. Da sieht man die Begeisterung der Fans für dieses Rennen. Die erste Kurve geht fast voll. Das Schwierige ist, dass man direkt danach anbremsen muss, um in die Dunlop-Schikane einzulenken. Man muss noch in der Kurve bremsen, deshalb wird das Heck recht leicht. Die Schikane an sich ist sehr langsam. Man darf nicht zu sehr über die Randsteine abkürzen. Das ist zwar schneller, aber man kann sich einen Reifenschaden einfangen oder den Frontsplitter beschädigen.“

Dindo Capello über die S du Tertre Rouge: „Die S-Kurven von Tertre Rouge sind die ersten Kurven nach dem Übergang vom Bugatti-Kurs auf die lange Rennstrecke. Der Asphalt wechselt an dieser Stelle. Man fühlt das recht stark. Man nähert sich dieser Kurve mit rund 250 km/h. Man muss bremsen und zwei Gänge herunterschalten. Beim Einlenken in die erste Linkskurve befindet sich eine große Bodenwelle, die das Auto unruhig machen kann. Man darf nicht zu aggressiv über die Randsteine auf der Innenseite fahren, weil man leicht die Aufhängungen oder eine Felge beschädigen kann. Optimal ist es, so nah wie möglich an den Randstein zu fahren, denn da ist die Bodenwelle am wenigsten zu spüren.“

Romain Dumas über Tertre Rouge: „Diese Kurve ist nicht so einfach, wie sie aussieht. Man kommt ziemlich schnell an, und man muss viel Schwung aus der Kurve mitnehmen, weil anschließend eine lange Gerade folgt. Wir erinnern uns alle noch daran, was Mike (Rockenfeller) vor zwei Jahren an dieser Stelle passiert ist. Die Randsteine am Kurvenäußeren sind nicht flach, sondern ziemlich aggressiv. Wenn man zu stark über sie fährt, kann man das Auto verlieren – und die Streckenbegrenzung ist angesichts der hohen Geschwindigkeit nicht weit entfernt. Wie in den Porsche-Kurven muss man in dieser Kurve im Rennen immer etwas Sicherheitsreserven einplanen. Denn wenn man hier einen Fehler macht, ist das Rennen beendet.“

Marcel Fässler über die Hunaudières-Gerade: „Die Hunaudières-Gerade ist sehr lang. Besonders nachts hat man das Gefühl, sie will eigentlich nie enden. Vor allem wenn man allein unterwegs ist und man vorne und hinten kein Auto hat, fühlt sich das extrem lange an. Die Gerade selber ist eigentlich nicht so anspruchsvoll, wie man sie sich immer vorstellt. Aber man muss natürlich immer voll konzentriert sein, denn die Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Prototypen und den GT-Autos sind doch recht groß. In die Schikanen hinein ist es schwierig, den Speed schön mitzunehmen, weil man in Le Mans mit sehr wenig Abtrieb fährt. In der zweiten Schikane ist der Ausgang trickreich. Vor allem wenn es feucht ist, ist es da eine ziemlich heikle Angelegenheit.“

Tom Kristensen über Mulsanne: „Man kommt mit nahezu Höchstgeschwindigkeit an. Kurz vor der Kurve sind ein kleiner Knick und eine Bodenwelle – und zwar ziemlich genau an der Stelle, an der man bremsen muss. Deshalb kann das Auto beim Bremsen recht unruhig werden. Die Kurve nimmt man im zweiten Gang, am Ausgang kann man etwas über die Randsteine fahren. Charakteristisch ist, dass man von der breiten Hundaudières-Geraden kommt, auf der man sogar die Flächen rechts und links neben der Fahrbahn benutzen kann, und in Mulsanne plötzlich auf einen viel schmaleren Streckenteil einbiegt, auf dem es sehr schwierig ist, ein Auto, das vor dir fährt, zu überholen.“

André Lotterer über Indianapolis: „Indianapolis ist eine gute Kurve, die sehr viel Spaß macht und für viele Fahrer eine der Lieblingskurven ist. Man kommt mit sehr hohem Speed an und fährt mit über 300 km/h voll in die Kurve hinein. Man bremst erst in der Kurve und spürt dabei die hohen Fliehkräfte. Man bekommt sehr viel Feedback vom Auto. In die folgende Links darf man nicht zu schnell fahren, denn man kann dort leicht rausrutschen. Es kann hier passieren, dass man bis nach Arnage warten muss, wenn man ein langsameres Auto überholen möchte.“

Allan McNish über Arnage: „Man kommt aus einer sehr schnellen Passage mit über 300 km/h Geschwindigkeit nach Arnage und muss dort für die Rechtskurve auf rund 80 km/h bremsen. Das ist nicht nur für das Auto schwierig, sondern auch für dich im Kopf. Die Bremsen sind vom Anbremsen der Kurve davor ziemlich heiß. Der Asphalt ist oft ziemlich rutschig. Wenn man einen Fehler macht, landet man schnell in den Leitplanken, weil die Auslaufzone sehr klein ist. Der Kurvenausgang ist nicht mehr so schwierig wie früher, weil die Bodenwellen geglättet wurden und die Strecke etwas breiter ist. Aber man muss noch immer aufpassen, dass das Heck auf den Randsteinen nicht ausbricht. Man muss präzise sein und so früh wie möglich beschleunigen.“

Mike Rockenfeller über die Porsche-Kurven: „Die Porsche-Kurven in Le Mans sind meine absolute Lieblingspassage. Man kommt mit Höchstgeschwindigkeit an und bremst nur ganz wenig. Beim Anbremsen ist es etwas wellig. Man braucht ein sehr neutrales und gutes Auto, speziell auf der Vorderachse beim Einlenken. Das sind Kurven, wo du mit etwas Risiko und Mut noch Zeit herausholen kannst, was im Rennen im Verkehr aber schwierig ist. Da fährt man außen auf dem Gummiabrieb an den anderen vorbei. Dabei kann man viel Zeit verlieren oder auch gewinnen. Von daher ist es eine ganz wichtige Stelle. Da merkt man, ob ein Auto aerodynamisch funktioniert oder nicht.“

Benoît Treluyer über die Ford-Schikane: „Die Schikane sieht ganz simpel aus, ist aber in Wirklichkeit eine schwierige Kurve. Der erste Teil der Schikane ist recht schnell. Das Anbremsen ist sehr interessant. Man lenkt in Höhe der Boxeneinfahrt ein und kann innen ziemlich zügig über die Randsteine fahren. Am Ausgang des zweiten Teils kommt es darauf an, gute Traktion zu finden, um möglichst viel Geschwindigkeit mit auf die Start-Ziel-Gerade mitzunehmen. Dabei darf man nicht zu sehr über die Randsteine räubern, weil man den Splitter oder andere Teile am Auto beschädigen kann. Entscheidend ist, die enorme Kraft des TDI-Motors richtig auf den Boden zu bringen, ohne zu sehr abzukürzen. Den richtigen Rhythmus zu finden, ist nicht einfach. Aber es macht Spaß.“

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