Müllwagen: Weniger Kraftstoffverbrauch durch Hybridantrieb

“Schade, dass es vorbei ist“, meint rückblickend Thorsten Globig. Der Testfahrer der Berlinder Stadtreinigung (BSR) hat vor allem die flüsterleise Arbeitsweise seines Mercedes Econic BlueTec Hybrid schätzen gelernt. Ein Jahr lang ging er mit dem ausnahmsweise silbergrauen Mercedes-Lkw morgens kurz vor sechs auf Müllsammeltour. Jeden Tag mehr als 100 Kilometer. Im großen Behälter sammelten sich die üblichen 20 Kubikmeter gepresster Hausmüll, die zu guter Letzt zum Müllheizkraftwerk Ruhleben transportiert werden mussten.

“Der Fahrer muss sich in der Praxis kaum umstellen‘‚, sagt Globig, “sowohl beim Fahren wie auch bei der Müllverladung bleibt alles wie gehabt“. Nur dass der 60 PS starke Elektromotor den Lkw flüsterleise von Mülltonne zu Mülltonne schiebt; oder an der Ampel bis zu Tempo 30 beschleunigt, bevor sich dann der mit 286 PS wesentlich kräftigere Dieselmotor zuschaltet. Die Mülltonnen verklappt der Müllsammelhybride elektrisch. Das typische Aufheulen des Dieselmotors schenkt sich das Müllauto mit der Kraft der zwei Herzen.

Damit die Lithium-Ionen-Zellen des Akkus jeden Morgen gut gefüllt an den Start gehen, hängt der dieselelektrische Econic Hybrid nachts an der Ladestation. „Plug-in-Funktion“ nennen die Techniker diese Technologie – über Nacht tankt der große Mercedes rund sieben Kilowattstunden Strom. Beim Fahrbetrieb [foto id=“400121″ size=“small“ position=“left“]führt jeder Bremsvorgang weitere Energie hinzu. Der Müllsammelbetrieb bietet dafür günstige Bedingungen, pro Schicht beschleunigt und stoppt jeder Lkw durchschnittlich rund 300 mal. Verpufft die kinetische Energie sonst in nutzloser Wärme, kann sie der schwere Dreiachser somit für sich nutzbar machen. Abhängig von der Tagestour verzeichneten die Testprotokolle einen Spareffekt zwischen 17 und 32 Prozent Kraftstoff von den durchschnittlich 60 Litern Diesel pro 100 km. Über das gesamte Jahr errechneten die Testpartner Mercedes und BSR einen Minderverbrauch von 23,9 Prozent. Und in absoluten Zahlen präsentiert sich das Ergebnis noch vorteilhafter: Der Hybrid-Lkw konsumierte schlanke 45 l/100 km gegenüber 60 l/100 km beim sonst baugleichen Vergleichsfahrzeugs mit Dieselantrieb. Das sind mindestens 15 Liter Einsparpotential pro Tag. Mithin mehr als 20 Euro geringere Kraftstoffkosten und vor allem etwa 40 Kilo weniger CO2-Ausstoß pro Fahrzeug und 100 Kilometer Mülltour.

Der wesentliche technische Unterschied bei den Hybridlastern liegt im 45 Kilowatt (61 PS) starken Elektromotor vom Systemlieferanten Eaton, der im Schubbetrieb als Generator für Energierückgewinnung (Rekuperation) dient. Die so gewonnene elektrische Energie speichert eine Lithium-Ionen-Batterie mit 10,5 kWh Energieinhalt. Ihre Kapazität beträgt 30 Ah. Die Antriebsgrundausstattung bleibt unverändert. Für den Primärantrieb sorgt ein kleinvolumiger Sechszylinder-Diesel mit 6,4 Liter Hubraum und 210 kW/286 PS sowie 1.120 Newtonmeter maximales Drehmoment, der mit Hilfe eines automatisierten Zehngang-Getriebes zu standesgemäßen Fahrleistungen befähigt. Die Kupplung trennt im Bedarfsfall den Verbrenner vom Antriebsstrang – nicht nur im Stand, auch beim elektrischen Anfahren und im Schub- und Ladebetrieb. An roten Ampeln schaltet der Diesel nach wenigen Augenblicken ab. Verantwortlich zeichnet dafür die Start-Stopp-Automatik, wie sie heute in vielen modernen Fahrzeugen zum Einsatz kommt. Beim elektrischen Anfahren versorgt der Diesel mit moderaten Drehzahlen die Nebenaggregate. Lenkservopumpe und der Druckluftkompressor sind noch nicht elektrifiziert.

Die 98 Batteriezellen sind rechts am Fahrzeugrahmen in einem grauen Kasten montiert. Die gelben Blitze darauf signalisieren: Vorsicht Hochvolt-Technik, für den Service sind nur qualifizierte Starkstromtechniker zugelassen. Das Zusatzgewicht, das der Econic-Müllsammler zu schultern hat, ist mit [foto id=“400122″ size=“small“ position=“right“]rund 400 Kilogramm angegeben und schmälert die Nutzlast des Lkw nur unwesentlich. Bei den Vertretern des größten Entsorgungsbetrieb Deutschlands hat der Versuch durchweg zufriedene Gesichter hinterlassen. Bernd Sackmann, der Leiter des BSR-Fuhrparkmanagements, lobte das nach seiner Meinung bislang überzeugendste Konzept. “Wir haben schon alles probiert: hydraulische und dieselelektrische Antriebe. Der günstigste Verbrauch resultiert aus der Integration des Aufbaus mit Müllschütte und “presse“. Ganz wunschlos glücklich ist er freilich nicht, er könnte sich für einen Hybridantrieb mit Gasmotor erwärmen, der dann von dem selbst erzeugten Deponiegas gespeist werden könnte – ein weiterer verbrauchsmindernder Ansatz. Bei den Mercedes-Technikern findet er ein offenes Ohr, wobei der Antrieb freilich noch komplexer ausfallen würde.

Auf rund 70.000 Euro beziffert Mercedes den Aufschlag des Hybrids gegenüber konventioneller Diesel-Antriebstechnik. Mit Gasmotor kämen nochmal 30.000 Euro dazu – den erheblichen Nutzlastnachteil nicht gerechnet. Aber auch so sieht der Hersteller bis zur Serienreife noch erheblichen Entwicklungsaufwand. “Einige Komponenten werden wir noch ersetzen“, verriet Klaus-Dieter Holloh, der Leiter Vorentwicklung bei Daimler Trucks, sieht sich aber auf dem Weg zu einem standardisierten Hybridantriebsstrang schon weit fortgeschritten. Bis zum Serienstart soll es ein eigenes Getriebe, einen stärkeren E-Motor und elektrifizierte Nebenaggregate geben. Die dann auch in anderen Fahrzeug-Varianten zum Einsatz kommen – vom kleinen Verteiler-Lkw bis zum Omnibus.

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