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Es gibt für einen Autofahrer wohl nichts unheimlicheres, als wenn sein Auto plötzlich einen eigenen Willen zu entwickeln scheint. Fälle von ungewollter Beschleunigung oder wie von Geisterhand losfahrende Fahrzeuge beschäftigen seit 30 Jahren immer wieder die Öffentlichkeit.
Vor allem in den USA, wo fast nur Fahrzeuge mit Automatik gefahren werden, hat die sogenannte „Sudden Unintended Acceleration“ eine gewisse Tradition. Auch der Marke Audi hätte sie fast einmal das Genick gebrochen.
Mitte der 80er-Jahre kam der Ingolstädter Hersteller in Nordamerika in Verruf – unberechtigt, wie sich später herausstellen sollte. Grund waren zahlreichen Verkehrsunfällen mit dem Modell Audi 5000, einer für die USA angepassten Version des Audi 100. Insgesamt 175 Verletzte und vier Tote wurden auf eine plötzliche ungewollte Beschleunigung der Variante mit Automatikgetriebe zurückgeführt. Audi machte zunächst die Kunden für eine falsche Handhabung verantwortlich. Sie hätten schlicht und einfach Gas und Bremse verwechselt. Doch die Erklärung kam in der Öffentlichkeit nicht gut an: Der Absatz der Marke brach ein, das Image lag am Boden. Noch heute leidet Audi in den USA unter den Vorfällen und hängt beim Absatz abgeschlagen hinter den Edel-Wettbewerbern Mercedes-Benz und BMW zurück.
Als Reaktion auf die öffentlichen Proteste hat Audi eine Reihe von Rückrufen durchgeführt, die unter anderem zur heute weit verbreitete Schalthebel-Sperre geführt haben. Dabei muss vom Umschalten aus der Park-Position in eine Fahrstufe ein Knopf am Getriebewählhebel gedrückt werden, was Bedienfehler künftig ausschließen sollte.
Typisch am Fall Audi: Die Ursache der Unfälle ist nie vollständig geklärt worden. Die Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA eröffnete eine Reihe von Prüfverfahren, um das angebliche technische Problem zu lokalisieren, kam aber zu keinem wirklichen Ergebnis. Am Ende wurde Audi von aller Schuld frei gesprochen, der wirtschaftliche Schaden war aber bereits immens.
Allein seit 1999 hat die Behörde in den USA acht Untersuchungen wegen unerklärlicher Beschleunigung durchgeführt, betroffen waren unter [foto id=“127397″ size=“small“ position=“right“]anderem GM, Ford, Toyota und Volkswagen. Die Hersteller haben insgesamt 31 Rückrufaktionen durchgeführt, die NHTSA hat aber so gut wie nie wirklich einen technischen Defekt ausmachen können.
Im akutellen Fall von Toyota, wo mehr als vier Millionen Autos aufgrund verschiedener Probleme in die Werkstatt müssen, hat sich daher bereits der US-Kongress eingeschaltet und Klärung verlangt. Denn die ungewollte Beschleunigung ist immer noch ein modernes Mysterium. Die Hersteller sehen die Schuld in der Regel bei Bedienfehlern ihrer Kunden, die betroffenen Autofahrer weisen die Verantwortung von sich.
Nicht selten handelt es sich allerdings auch um recht peinliche Unfälle: Etwa das Herausbeschleunigen aus einer Parklücke – genau in das Schaufenster eines davor liegenden Geschäfts. Für so etwas lässt sich kein Autofahrer gern verspotten, wenn er ein technisches Problem verantwortlich machen kann. Experten rechnen daher damit, dass es bei jedem Rückruf zumindest einige Trittbrettfahrer gibt.
Doch unschuldig sind auch die Hersteller nicht. So hat ihnen bereits 2003 eine Untersuchung der Universität Washington vorgeworfen, dass sie die Funktionsweise ihrer Bordelektrik nur unzureichend verstehen würden. Was im Labor funktioniere, können bei Hitze, extremer Kälte, einer bestimmten Luftfeuchtigkeit oder elektromagnetischen Störungen plötzlich und kurzzeitig ausfallen. Nahezu zufällig und unvorhersehbar. So zeigt sich die negative Seite des ständigen Fortschritts und des Drucks von Marketingseite, Neuerungen möglichst schnell auch anzubieten. Die Helferlein und Assistenten können immer mehr – dafür kann auch immer mehr kaputt gehen. In modernen Autos schlummert somit eine unbekannte Zahl von Fehlern und wartet nur darauf, im ungünstigsten Moment plötzlich aufzutreten.
Im aktuellen Toyota-Fall bleibt das elektronische Gaspedal unter Umständen durchgetreten, auch wenn der Fahrer den Fuß zurück nimmt. Grund ist nach heutigem Stand der Eintritt von Kondenswasser in das Gaspedalmodul, wodurch die Reibung in einem Scharnier steigt. Das kann laut Hersteller unter ganz seltenen und speziellen klimatischen Bedingungen passieren. Vorausgesehen hat das bei der Entwicklung offenbar niemand.
geschrieben von auto.de/(hh/mid) veröffentlicht am 05.02.2010 aktualisiert am 05.02.2010
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