Neuer Elektroantrieb setzt auf hohe Drehzahlen – Keine dauerhafte Erregung

In der Welt der Elektromobilität sind die Hersteller bisher fast ausschließlich mit permanent erregten Elektromotoren unterwegs. Das könnte sich bald ändern, und „vielleicht erleben wir in Zukunft auch bei den Elektroantrieben eine Aufteilung wie bei Benzinern und Dieseln“, wagt Hans-Jörg Domian, Chef der Vorentwicklung beim Fahrwerk- und Antriebsspezialist ZF einen Blick in die Zukunft.

Statt einen weiteren konventionellen Elektroantrieb auf den Markt zu bringen, entwickelte die Ingenieursmannschaft um Domian einen asynchron laufenden Elektroantrieb. Bislang wurden solche Motoren vor allem wegen der Gewichtsnachteile nur selten eingesetzt, obwohl sie wesentlich preiswerter als der permanent erregte Antrieb sind. „Bei Drehzahlen zwischen 7.500 und 8.000 Umdrehungen“, so Domian, „ist der permanent erregte Motor deutlich leichter als ein Asynchronläufer. Das ändert sich jedoch, wenn wir das Drehzahlband weit nach oben ausdehnen“. Mit weit nach oben sind bis zu 21.000 Umdrehungen und mehr gemeint. Dann kann ein derartig ausgelegter Elektromotor seine Vorteile voll ausspielen. Über ein Planetengetriebe werden die Drehzahlen an der Achse reduziert.

Konstruktionsbedingt bringt der asynchrone Elektromotor noch einen weiteren Vorteil mit sich. Während die permanent erregten Antriebe Magnete mit seltenen Erden benötigen, sind diese raren und vor allem kostspieligen Rohstoffe bei den Asynchronläufern nicht notwendig, was sie preiswerter werden lässt und die Hersteller unabhängiger von den mitunter willkürlich handelnden Rohstofflieferanten macht.

Der von ZF entwickelte Antrieb bringt rund 45 Kilogramm auf die Waage, leistet maximal 90 kW/122 PS und beschleunigt ein Modell der Poloklasse auf maximal 150 km/h. Neben dem Antrieb entwickelten die Techniker des Unternehmens eine kompakte Übersetzungseinheit, die Leistungselektronik sowie die Steuersoftware und montierten das System in einen Suzuki Splash. Die jetzt von ZF auf der Rennstrecke von Valencia vorgestellte Lösung lässt sich auch bei einem Hybridantrieb einsetzen lässt. Domian: „Wir können uns vorstellen, dass wir mit dieser Einheit die Hinterachse hybridisieren können.“

Gedacht ist der Antrieb, der in zwei bis drei Jahren serienreif sein soll, für leichte und mittlere Elektrofahrzeuge. Bei ersten Fahrten in Valencia zeigte sich der 1.340 Kilogramm wiegende Suzuki vom Start weg außerordentlich temperamentvoll. Immerhin entwickelt der Antrieb ein maximales Drehmoment von 1.400 Nm, sodass der Kleinwagen in durchaus sportlichen neun Sekunden auf 100 km/h beschleunigt. Die Steigfähigkeit liegt bei 35 Prozent. Einmal in Fahrt zeigt sich, dass die Ingenieure die Geräuschdämmung nicht vergessen haben. Nach einem kurzen Grummeln beim Anfahren herrscht Stille. Auch bei hohen Geschwindigkeiten machen sich nur die Windgeräusche bemerkbar. Zur Wahl stehen vier Einstellungen: Comfort, Sport, Eco und zusätzlich noch der deutlich verzögernde Fahrmodus Rekuperation.

Je nach Auslegung kann der asynchrone Elektroantrieb eine Reichweite von rund 140 Kilometern erreichen. Gleichzeitig haben die ZF-Spezialisten ein bei vielen Elektromobilen verbreitetes Problem gelöst. Beim Zusammenspiel zwischen Elektromotor und Wechselrichter kommt es bei bestimmten Fahrsituationen zu Leistungsverlusten. Dank der Optimierung des Elektrosystems lassen sich diese Verluste deutlich verringern, was eine um bis zu sechs Prozent gesteigerte Reichweite zur Folge hat.

Außerdem schließt die ZF-Technik ein bei permanent erregten Elektromotoren mögliches Gefahrenmoment aus. Bei einem Kurzschluss im System kann es zu einem äußerst starken Verzögern bis hin zum Blockieren der Räder kommen. Dieser Effekt ist bei den asynchronen Antrieben nicht möglich.

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