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Experten aus aller Welt arbeiten unter dem Dach der Vereinten Nationen an einem global harmonisierten Normtestzyklus zur Ermittlung realistischer Kraftstoffverbrauchswerte von Autos. Die „Worldwide Harmonized Test Procedures“ (WLTP) sollen 2017 in Europa Standard werden. Unklarheiten wollen die Experten bis November 2013 ausräumen. Die Umstellung könnte deutsche Hersteller von schweren und leistungsstarken Pkw in die Bredouille bringen. Mit der Erarbeitung der WLTP betrauten die Vereinten Nationen 2009 internationale Experten. Inzwischen ist der neue Normzyklus weit gediehen.
Schon jetzt ist abzusehen, dass durch den neuen, realitätsnahen Normzyklus ein höherer durchschnittlicher Kraftstoffverbrauch resultieren wird, als nach dem bisher geltenden „Neuen Europäischen Fahrzyklus“ (NEFZ). Experten erwarten einen Anstieg um zehn Prozent bis 15 Prozent. Für die Autohersteller, die sich auf einen CO2-Ausstoß von 95 g/km eingestellt haben, liefe das nach[foto id=“473520″ size=“small“ position=“right“] ihrer bisherigen Rechnung nach NEFZ auf CO2-Flottenwerte zwischen 80 g/km und 85 g/km hinaus. Um das trotz ihrer gewichtigen Limousinen und SUV zu schaffen, müssen beispielsweise die deutschen Hersteller alle Register ziehen, um nicht in Bedrängnis zu geraten.
Schon für den CO2-Zielwert von 95 g/km gemäß NEFZ sieht etwa Bosch in der Oberklasse keine Alternative zu einer starken effizienten Elektrifizierung. Allein mit motorischen Maßnahmen ist das laut Rolf Bulander, Bosch-Bereichsleiter Gasoline Systems, in diesem Segment nicht zu schaffen. Darum sieht er die Zukunft der Oberklasse vor allem in Plug-in-Hybriden.
Das mit der Ausarbeitung der WLTP beauftragte Expertengremium ließ zunächst Daten von Autofahrten ermitteln. Ihre Fahrten gingen über 765.000 Kilometer im Straßenverkehr Europas, Japans, Koreas, Indiens und der USA. Gemessen wurden Geschwindigkeit, Motorkennwerte, Beschleunigung sowie GPS- und Topographie-Daten. Gut 460.000 Kilometer legten 166 Fahrzeuge in zehn europäischen Ländern zurück. Weitere 220 Autos waren 310.000 Kilometer in den USA und den drei asiatischen Ländern unterwegs.
Die unter Realbedingungen ermittelten Werte sind Basis einer Referenzdatenbank, aus der Algorithmen einen ersten „Worldwide Harmonized Test Cycle“ (WLTC) ableiteten. Nach Erprobungs- und Korrekturschleifen ist ein Zyklus herausgekommen, der in vier Streckenabschnitte mit langsamer, mittlerer, schneller und sehr schneller Fahrt unterteilt ist. In jeder Phase des halbstündigen Zyklus gibt es einen exakt festgelegten Ablauf aus Beschleunigung, Verzögerung, konstanter Fahrt und Leerlaufphasen.
Bei langsamer Fahrt legen die Testfahrzeuge in 589 Sekunden 3,09 Kilometer zurück. Im Schnitt fahren sie 18,9 km/h und erreichen 56,5 km/h Höchstgeschwindigkeit. Auch die Beschleunigung, die zeitlich 28,4 Prozent des Testzeitraums ausmacht, das Verzögern mit 31,1 Prozent, die Konstantfahrt mit 15,8 Prozent sowie die Leerlaufphasen mit 24,7 Prozent sind in dem urbanen Szenario festgelegt.
Im zweiten Abschnitt über 433 Sekunden beträgt das Durchschnittstempo 39,5 km/h und maximal 76,6 km/h. Die Gewichtung verschiebt sich von kürzeren Leerlaufphasen hin zu mehr und schnellerer Beschleunigung. Die Beschleunigungen werden im schnellen Teil des Zyklus, 456 Sekunden, abermals gesteigert. Die Testfahrzeuge erreichen durchschnittlich 56,7 km/h und sind mit einer maximalen Geschwindigkeit von 97,4 km/h unterwegs. Der Leerlaufanteil sinkt auf 6,4 Prozent.
Beim schnellsten WTLC-Abschnitt über 323 Sekunden sind 92 km/h Durchschnitts- und 131,3 km/h Höchstgeschwindigkeit gefordert. Während 37,2 Prozent der Zeit steht Beschleunigen auf dem Programm, der Leerlaufanteil schmilzt auf 1,5 Prozent. In allen vier Abschnitten legen die Autos insgesamt in dem 30 Minuten dauernden neuen Verbrauchstest 23,27 Kilometer zurück, fahren im Schnitt 46,5 km/h und beschleunigen während 31,9 Prozent der Fahrt, sie verzögern in 30,2 Prozent der Zeit und halten bei 25,3 Prozent des Zyklus ihr Tempo. Der Leerlaufanteil: 12,6 Prozent.
Weil die Fahrzeuge weltweit sehr unterschiedlich motorisiert sind und sich auch in Größe und Gewicht deutlich unterscheiden, sieht das UN-Gremium eine Unterteilung vor, der die sogenannte „Leistung-/Masse-Ratio“ zugrunde liegt: Zur „Klasse I“ zählen Autos bis 22 Watt Leistung je Kilogramm, zur „Klasse II“ jene zwischen 22 W/kg und 34 W/kg und zur „Klasse III“ alle Modelle mit mehr als 34 W/kg.
„Klasse-I“-Fahrzeuge müssen nur den langsamen und mittleren Teil des Zyklus absolvieren. Für „Klasse II“ gelten reduzierte Geschwindigkeiten. „Klasse III“ teilt sich in Fahrzeuge mit unter und über 120 km/h Höchstgeschwindigkeit. Die Differenzierung war nötig, weil schwach motorisierte Autos bei Prüfstandversuchen Probleme hatten, die Toleranzen Plus/Minus zwei km/h und Plus/Minus eine Sekunde bei Beschleunigung und gefordertem Tempo einzuhalten.
Darum ist vorgesehen, Leistungsunterschiede innerhalb der Klassen zu berücksichtigen. Leistungsschwache Motoren mit geringerer Elastizität müssten im schnellsten Teil des WLTC tendenziell häufiger unter Volllast laufen, was mit höherem Verbrauch zu Buche schlägt. Gleiches gilt für die Zahl der Gänge und Schaltzeitpunkte von Schaltgetrieben. In beiden Fällen sucht das UN-Gremium flexible Lösungen, wobei den Algorithmen unter anderem Motorleistung, (Leerlauf-)Drehzahlen, Fahrzeuggewicht, Zahl der Gänge und auch die Fahrwiderstände zugrunde liegen.
Neben dem Fahrzyklus erarbeitet eine weitere WLTP-Arbeitsgruppe die Feinheiten der Testprozedur. Das beginnt beim Temperaturbereich während der Messungen ? aktueller Stand 4,58 Grad Celsius bis 34,85 Grad Celsius – sowie der Auswahl und Vorbereitung der Testfahrzeuge. Ebenso stehen Windgeschwindigkeiten während der Fahrt, Messverfahren und die Instrumentierung der Labors und der Testfahrzeuge zur Debatte. Aus den Dokumenten der Arbeitsgruppen geht hervor, dass die Autohersteller um jeden Punkt feilschen. Die Zusammenfassung des aktuellen Zwischenstandes umfasst 285 Seiten, Unmengen Korrekturwünsche und Dutzende offene Fragen.
geschrieben von auto.de/(pet/mid) veröffentlicht am 05.07.2013 aktualisiert am 05.07.2013
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