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Wahrscheinlich bringt das skurrile Flug- und Fahrgerät Terrafugia, das viele auf der New Yorker Automesse faszinierte, die optimistische Grundstimmung in der nordamerikanischen Autoindustrie auf den Punkt. Das Ding ist quasi ein Auto mit ausklappbaren Flügeln. Es kann aber nicht nur vom Boden abheben, es hat auch eine US-Straßenzulassung erhalten. Was will man mehr? Es sind vor allem die jüngst veröffentlichten Zahlen für das erste Quartal 2012, welche die Hoffnung beflügeln, man habe die existentielle Krise endlich überwunden. Fast alle Hersteller melden für diesen Zeitraum Zuwächse von bis zu 40 Prozent und mehr gegenüber dem Vorjahr. Das gilt beileibe aber nicht nur für die Volumenmodelle aus heimischer Produktion oder jene der asiatischen Konkurrenz.
Auch deutsche Hersteller im Topsegment wie Mercedes-Benz und BMW lassen sich von dem kräftigen Aufwind tragen und melden Quartalsrekorde; bei den Stuttgartern gar das beste überhaupt mit über 61.000 verkauften Einheiten. Volkswagen verzeichnet nicht zuletzt dank des neuen Passat und dem in den USA ewig heißgeliebten Jetta ein Plus von über 34, Audi von 18 Prozent. Laut dem sonst eher zurückhaltenden „Wall Street Journal“ schwingen sich die USA sogar zum wichtigsten Automarkt auf – zumal Europa und China zunehmend schwächeln. Prognosen gehen inzwischen davon aus, dass in den nächsten Monaten im Lande des American Way of Drive locker die 14 Millionen-Marke bei den Verkäufen geknackt werden dürfte.
Es herrscht nicht nur auf New Yorks Straßen eitel Sonnenschein in diesen Apriltagen. Die gute Laune setzt sich auch im Jacob Javits Convention Center fort, dort wo alljährlich die New York International Auto Show stattfindet. Kaum vorstellbar, dass zum Beispiel General Motors und Chrysler – zwei der großen Drei aus Amerikas Autostadt Detroit – noch vor wenigen Jahren fast kollabiert wären. Heute hat sich GM dank erheblicher staatlicher Unterstützung quasi neu erfunden. Chrysler ging bekanntlich eine Ehe mit Fiat ein und taucht immer häufiger hinter dem stolzen alten Logo der Konzerntochter Lancia auf. Es geht aber auch in umgekehrter Richtung: im kompakten neuen Dart der Chrysler-Tochter Dodge steckt viel von Alfa Romeos Giulietta. In den USA hat diese strategische Partnerschaft dem drittgrößten Hersteller offenbar nicht geschadet: seit 2011 hat die Chrysler Group über 40 Prozent hinzugewonnen, im ersten Quartal diesen Jahres erstaunliche 34 Prozent. Grund dafür sind die gute Verarbeitung, eine zeitgemäßere Ausstattung und effiziente Motoren. Allein diese Kombination hat auch Ford beim neuen Focus einen Zuwachs von 40 Prozent beschert.
Diese Rekordzahlen als Lebenszeichen einer wiederbelebten US-Schlüsselindustrie sind umso erstaunlicher, weil auch die Kraftstoffpreise kräftig gestiegen sind. Amerikaner haben sich inzwischen an rund vier Dollar pro Gallone (rund vier Liter) Sprit gewöhnen müssen. Statt aber wie früher in Schockstarre zu verfallen, wählen sie heute pragmatisch die leistungsoptimierten, wirtschaftlichen Fahrzeuge, die zwischen 38 und 40 Meilen pro Gallone versprechen. Auch Selbstzünder werden immer attraktiver. So zeigte Mazda auf der Messe das Diesel-Konzept Takeri. Und dieser Trend mag Porsche bewogen haben, in New York den Cayenne als Diesel in den Vordergrund zu stellen.
Durchschnittlich sind die Autos auf Amerikas Straßen rund elf Jahre alt. So alt wie fast nirgendwo sonst. Jetzt, da das Prinzip Hoffnung wieder regiert, herrscht natürlich enormer Nachholbedarf. Neben den stark nachgefragten kompakteren Limousinen wie dem neu vorgestellte Impala von Chevrolet – ein berühmter Name aus vergangenen Zeiten – zählen auch die Crossover und die verschiedenen SUV-Varianten zu den Bestsellern in allen Preisklassen. Kaum ein Hersteller, der auf der Messe nicht einen dieser Lifestyle-Mischungen zeigte: zum Beispiel Buick mit dem Enclave, Cadillac mit dem Luxus-Crossover SRX, Lexus mit dem RX, Infiniti mit dem JX.
Da passen beispielsweise die Messepremieren von Mercedes-Benz wie maßgeschneidert zur Aufbruchstimmung. Die M-Klasse ist zwar der Bestseller unter den SUVs mit dem Stern und hat sich im Vergleich zum März letzten Jahres noch mal um über 45 Prozent gesteigert. Doch nun kommt auch der komplett neu entwickelte luxuriöse GL hinzu sowie das Facelift des kompakten Lifestyle-SUV GLK. In einer anderen Liga spielt eher das dritte Début, der SL 65 AMG. Auch BMW setzt mit der neuen 3er-Reihe und der X1-Modellpflege auf eine langfristig positive Entwicklung des US-Automarkts.
Und so viel Interesse an alternativen Antrieben. E-Fahrzeuge und Hybride im Angebot zu haben, gehört zum nachhaltig orientierten Zeitgeist. Aber auch Amerikaner schrecken noch vor den Preisen zurück, obwohl Toyota mit dem kleinen PriusC ein Modell unter 20.000 Dollar anbietet. Und wer hätte geahnt, daß in Kalifornien bereits 30 mit Brennstoffzellen betriebene B-Klasse-Modelle von Mercedes in privater Hand herumfahren? Bis Ende des Jahres soll sich diese Zahl sogar verdoppeln.
Aber trotz dieser Trends sind die USA nach wie vor auch das Land der Car Guys und der scheinbar unbegrenzten Motoren. Natürlich sieht man auf dieser Messe jede Menge bulliger Geländewagen und die großen Pick-ups wie das auch heute meistverkaufte Fahrzeug in den USA: die riesigen F-Series-Pritschenwagen von Ford (wenngleich mit hauseigener Eco Boost-Technologie). Auf Eco und Öko verzichten freilich jene Autos, die auch traditionell die Träume beflügelt haben: die Muscle Cars und bösen Supersportwagen. Es gibt sie noch, und es gibt sie wieder: zum Beispiel die neue Viper von Dodge im Sportoutfit von Hausspezialist SRT, die mit Zehnzylinder und 8,4-Litern Hubraum auftrumpft. Oder das klassische Muscle Car von Shelby auf der Basis des Ford Mustang GT500, dass 1.000 Pferdestärken entfesseln soll. Und auch sie werden ihre Käufer finden.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 05.04.2012 aktualisiert am 05.04.2012
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