Jaguar

Norman Dewis – ein Mann und seine Autos

Norman Dewis – ein Mann und seine Autos Bilder

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Schmunzelnd sitzt der Mann mit der Statur eines Jockey auf seinem Stuhl, inzwischen trinkt er schon das dritte Mineralwasser. Norman Dewis erzählt offenbar gern von seinen 33 Jahren als Testfahrer und Entwickler bei Jaguar. Neben ihm steht der legendäre Jaguar G-Type, den er vor 60 Jahren zu verantworten hatte. Nun haben beide Geburtstag. Sein G-Type wird 60 und er hat vor wenigen Tagen seinen 94. gefeiert. Liegt’s am vielen Wasser oder hält Jaguar fahren frisch?

42. Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring[foto id=“521882″ size=“small“ position=“right“]

Norman Dewis sprach aber nicht nur mit Journalisten. Das Jaguar-Urgestein besucht den 42. Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring und wird sicher auch dort aus seiner Vergangenheit berichten. Der am 3. August 1920 am Jaguar Stammsitz in Coventry geborene Brite arbeitete 33 Jahre lang für die Raubkatzen-Marke und legte als Cheftester über 400 000 Kilometer mit Geschwindigkeiten von über 160 km/h zurück.

Zwei schwere Unfälle überlebt

Dewis überlebte in seiner Karriere zwei böse – aber unverschuldete – Unfälle, bestritt mit Stirling Moss auf einem erstmals mit Scheibenbremsen ausgestatteten C-Type 1952 die Mille Miglia und kam 1955 in Le Mans nach dem Ausfall eines Stammpiloten zu einem einmaligen Einsatz als Werksrennfahrer. 1965 geht er in den Ruhestand. Das letzte von ihm betreute Modell ist der Jaguar XJ der vierten Generation.

Den Weg zu Jaguar hatte der Dewis von Lea-Francis gefunden, wo er bereits Limousinen und Sportwagen testete. Doch während die britische Autoindustrie floriert, stagniert [foto id=“521883″ size=“small“ position=“left“]Lea-Francis. Norman streckt seine Fühler daher in Richtung Jaguar aus und erhält im Oktober 1951 ein Vorstellungsgespräch bei Chefentwickler Bill Heynes und verhandelt dort ein um zwei britische Pfund höheres Monatsgehalt.

Intensiv in die Entwicklung involviert

Dewis startet am 1. Januar 1952 und führt als erste Amtshandlung standardisierte Prüfverfahren ein, sowohl für die Straßen – als auch die Rennwagen. Von Anfang an ist er auch intensiv in die Entwicklung der revolutionären Scheibenbremse involviert. 1952 bestreitet er mit Moss und dem C-Type die Mille Miglia. Die neue Bremse hält, doch 160 Kilometer vor dem Ziel prallt das Auto im Regen gegen einen Felsen.

Ritt auf Messers Schneide[foto id=“521884″ size=“small“ position=“right“]

1953 ist Norman Dewis auch an den Jaguar-Rekordfahrten auf der belgischen Autobahn bei Jabbeke beteiligt und erreicht dort 277 km/h auf einem XK120 mit aerodynamisch verkleideten Scheinwerfern, partiell abgedecktem Kühlergrill und einer über das Cockpit gestülpten Plexiglaskuppel. Es ist ein Ritt auf Messers Schneide. Malcolm Sayer, Konstrukteur des Wagens und Aerodynamik-Spezialist, wird mit den Worten zitiert: „Wir wunderten uns, dass der Wagen noch stabil blieb, er hätte rein rechnerisch vorne abheben müssen.“ Dewis dagegen gibt cool zu Protokoll: „In der Tat fühlte sich die Lenkung recht leicht an – zum Glück gab es keinen Seitenwind.“

Das Testareal der Motor Industry Research Association bei Lindley wird nach dessen Eröffnung im Jahr 1953 so etwas wie die zweite Heimat für Norman Dewis. Es ist in MIRA, wo unter anderem der in diesem Jahr 60 Jahre alt werdende D-Type mit Dewis als Geburtshelfer seine ersten Gehversuche unternimmt. Es folgen bis 1985 unzählige weitere Modelle: Mk VII bis Mk IX, Jaguar 2.4 und 3.4, XK 120/140/150, XK-SS, Mk2, S-TYPE und 420, Mk X, E-TYPE, XJ13, XJ-S und die ersten drei Generationen des Jaguar XJ.[foto id=“521885″ size=“small“ position=“left“]

Ein Einsatz im Werksteam

1955 kommt Dewis, der bei Tests oft schnellere Zeiten fährt als die Jaguar-Vertragspiloten, unverhofft zu seinem ersten und einzigen Einsatz im Werksteam. Als Ersatzmann teilt er sich in Le Mans einen der neuen „Long nose“-D-Type mit Don Beauman. Nachdem Norman den Mercedes von Karl Kling abgeschüttelt hat, liegt das Duo auf Platz vier. Doch dann setzt Beauman den Jaguar kurz nach Mitternacht in die Sandbank der Arnage-Kurve. Auch wenn Norman so ein sicherer dritter oder sogar zweiter Platz durch die Finger gleitet, ist Rennleiter „Lofty“ England zufrieden: „Normans Zeiten waren konstant wie ein Uhrwerk, wir konnten unsere Stoppuhren weglegen. Aber genau dafür hatten wir ihn ja auch geholt.“

Anderer Ort, andere Großtat

1956 stellt Norman bei einem Tourenwagen-Rennen in Spa sein mechanisches Talent eindrucksvoll unter Beweis. Über Nacht baut er in einer primitiven Garage das defekte Getriebe des Jaguar 2.4 von Paul Frère neu auf. Erst kurz vor dem Start ist der letzte Handgriff erledigt. Gegen [foto id=“521886″ size=“small“ position=“right“]die Strecke fährt Dewis das Auto zur Startaufstellung, die Streckenposten drücken alle Augen zu. Und während Norman bald in einen tiefen Schlaf fällt, gewinnt der Lokalmatador Frère gegen Porsche und Mercedes das Rennen.

Der Jaguar Mann für alle Fälle

Norman Dewis war halt immer der Jaguar Mann für alle Fälle: Als elf Tage später am Freitag vor dem 1000-km-Rennen auf dem Nürburgring ein Jaguar D-Type in die Botanik fliegt, muss schnellstens bis Sonnabend um 11 Uhr ein Ersatzauto her. Dewis übernimmt den Job, fährt den „D“ auf eigener Achse zur Nachtfähre Dover-Ostende. Und ist 20 Minuten vor Beginn des Zeittrainings in der Eifel.

Mit dem E-Type von Coventry nach Genf

Einen ähnlichen Husarenstreich schafft er 1961: Der neue E-Type ist der Star auf dem Jaguar-Stand des Genfer Salons. Ein zweites Modell steht für Demo-Fahrten auf einer abgesperrten Bergrennstrecke bereit. Doch so groß ist die Nachfrage der Journalisten nach einer Mitfahrgelegenheit, dass Jaguar-Chef Sir William Lyons noch ein drittes Exemplar anfordert. Wieder ist es Dewis, [foto id=“521887″ size=“small“ position=“left“]der in einer Hauruck-Aktion von Coventry mit einem E-Type Roadster durch Frankreich bis in die Schweiz düst. „Ich fuhr um 19:45 Uhr los, gerade noch rechtzeitig, um in Dover die 22.00-Uhr-Fähre zu bekommen. Und trotz dichten Nebels in Frankreich war ich kurz vor 10 Uhr in Genf – 20 Minuten vor der vereinbarten Ankunftszeit.“

Seine Lieblinge: XK150 S, der Long-nose D-Type und ‚sein‘ XJ13

Nach seinen Lieblings-Jaguar befragt, antwortet Norman Dewis heute: „Der XK150 S, der Long-nose D-Type und ‚mein‘ XJ13. Ich weiß, dass sie mich rausgeworfen hat, aber sie ist noch immer so ein liebes Ding!“ Der XJ 13 war der erste Jaguar mit Mittelmotor, entstand 1966 und sollte mit einem 5,0-Liter-V12 bestückt ursprünglich Jaguars Ruhm in Le Mans fortsetzen. Doch dazu kommt es nie. 1971, im Rahmen der Präsentation des E-Type V12, wird das mythenumwobene Einzelstück für einen Promotion-Film noch einmal hervorgeholt. Dewis sitzt am Steuer, als bei Tempo 220 in der Steilstrecke von MIRA die hintere rechte Felge bricht. Der Jaguar dreht sich ins aufgeweichte Infield, überschlägt sich mehrmals und kommt als Wrack auf den Rädern zum Stehen. Wie durch ein Wunder zieht sich Norman nur schwere Prellungen zu. Es ist der zweite Unfall, den er fast unverletzt übersteht: 1954 hatte er sich ebenfalls in MIRA mit einem C-Type abgerollt, als dessen Differential blockierte. Damals blieb der Wagen kopfüber liegen.

Ein neues Leben begonnen[foto id=“521888″ size=“small“ position=“right“]

Nach seinem Ausscheiden bei Jaguar 1985 und dem Tod seiner Frau Nan – die er sieben Jahre lang pflegt – beginnt Norman ab 1993 ein neues Leben. Er wird zu englischen Jaguar-Clubabenden eingeladen, bald darauf im Auftrag von Jaguar und des Jaguar Daimler Heritage Trust verstärkt auch zu internationalen Classic Car Events. Denn Norman ist ein Meister der freien Rede, und zieht als geborener Geschichtenerzähler sein Publikum in den Bann. Noch mit 84 Jahren fährt er in Goodwood 82 zügige Runden auf einem Long nose-D-Type mit Journalisten auf dem Beifahrersitz.

In so vielen Jahren lassen sich auch Enttäuschungen natürlich nicht vermeiden. So das Erlebnis mit dem Duke of Kent. Norman Dewis sollte ihm nach ein paar Stunden am Steuer mit einem D-Type bescheinigen, dass er in der Lage sei, einen Sportwagen zu fahren. Dewis war zufrieden und der Duke of Kent kaufte einen Aston Martin. 

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