Online-Angriff auf das Auto – Wenn der Hacker lenkt

Ein Auto soll Menschen bequem von einem Ort zum anderen befördern – das war einmal die Grundidee. Doch mittlerweile ist das nur noch ein Teil des Prinzips: Zunehmend wird das Auto zu einer mobilen Kommunikationszentrale ausgebaut. Schon in naher Zukunft wird der Wagen dauerhaft mit dem Internet verbunden sein, die Funktionen des Smartphones werden über das integrierte Infotainmentsystem bedient. Und weil es für den Fahrer so viel Ablenkung gibt, kommuniziert die Elektronik zur Unfallvermeidung selbständig mit anderen Fahrzeugen.

Die neue Mitteilsamkeit findet jedoch keine ungeteilte Zustimmung. Dass sich das einst geschlossene System nun so weit öffnet, könnte nämlich auch Zeitgenossen auf den Plan rufen, die so gar nichts Gutes im Schilde führen. Schließlich kann ein kommunikatives Auto nicht nur senden, sondern schon prinzipiell auch empfangen. Das wiederum macht das rollende Rechenzentrum anfällig für Angriffe von Hackern.
 
Wird ein Computer lahm gelegt, dann ist das ziemlich ärgerlich, aber sicherlich nicht lebensgefährlich. Im Auto sieht die Sache anders aus – etwa wenn von außen Einfluss auf die Fahrassistenzsystem genommen wird. Zwar klingen die möglichen Szenarien aus heutiger Sicht noch wie Zukunftsmusik, was den Gedanken aber nicht weniger beängstigend macht. So ist ein Abstandswarner an sich eine gute Sache – es sei denn, die Elektronik wird so manipuliert, dass der Wagen auf freier Strecke bei Tempo 200 eine Vollbremsung hinlegt. Autodiebe wiederum müssten sich künftig gar nicht mehr an der eigentlichen Karosse zu schaffen machen, könnten den Wagen vielmehr wie ein zu groß geratenes Modellauto ferngesteuert auf einen Transporter rollen lassen.
 
Schließlich haben sich gerade Kriminelle längst auf das Zeitalter der Elektronik eingestellt haben. So sank die Diebstahlsrate in den neunziger Jahren zunächst rasant, da sich die damals neuen elektronischen Wegfahrsperren mit dem Brecheisen nicht mehr überwinden ließen. Dann allerdings dreht sich dieser Trend plötzlich um, im Jahr 2009 stieg die Zahl der Autodiebstähle wieder an. Die Autodiebe hatten ihren Job nämlich nicht an den Nagel gehängt, sie nutzten die Zeit und bildeten sich zu Elektronikspezialisten fort. Heute täuschen sie völlig selbstverständlich fernbediente Zentralverriegelungen mit elektronischen Signalen, tricksen problemlos auch schlüssellose Zugangssysteme werden aus.
 
Manfred Göth kennt all diese Tricks. Schließlich ist er Spezialist für das Thema Autodiebstahl, steht als Kriminaltechniker aber auf der Seite der Guten. Göth beschäftigt sich damit, neueste Techniken zu erkennen und den Dieben das Leben wieder schwerer zu machen. Was Göth berichtet, trägt nicht zur Beruhigung bei: Unter anderem erzählt er von Experimenten in den USA, bei denen Techniker sich von außen Zugang zu Entertainmentsystemen von Fahrzeugen verschafften und sich von dort bis in die Tiefen der Elektrik vorarbeiteten – am Ende hatten sie sogar die Brems- und Spurhaltesysteme im ferngesteuerten Griff. „Man konnte in alles eingreifen“, so Göth.
 
Natürlich beherrscht längst nicht jeder Kriminelle derartige Möglichkeiten, auch sind – so weit bekannt – noch keine entsprechenden Programme im Umlauf. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich so etwas schnell ändern kann. Was dann passiert, lässt sich nur vermuten – Göth geht davon aus, dass im Fall der Fälle allein in Deutschland 40 Millionen Fahrzeug gefährdet wären.

Das ist aber nur die eine Seite des Problems

Eine andere beschäftigt den Experten ebenfalls: Verbreitet sich das Wissen über solche Möglichkeiten, könnte das noch zu weiteren Auswüchsen führen. Heute mag bei einem Auffahrunfall die Schuldfrage klar sein – in Zukunft könnte der Schuldige behaupten, dass die Bremsen wegen einer Hacker-Attacke nicht funktionierten. Das Gegenteil muss ihm dann erstmal nachgewiesen werden.
 
Nicht nur das neue technologische Zeitalter der Automobilelektronik bietet potenzielle Angriffsziele. Durch die zunehmende Verbreitung der Smartphones wächst ein weiterer Gefahrenherd heran: Vor allem, weil die Autohersteller die schlauen Handys mit den integrierten Infotainmentsystemen des Wagens verknüpfen wollen. Damit das reibungslos klappt, sollen künftig auch diese Anlagen auf Android aufbauen, dem Betriebssystem vieler Smartphones.
 
Antiviren-Spezialisten sind sich der möglichen Gefahren längst bewusst: Kaspersky etwa warnte bereits vor gefährlichen Querinfektionen, sollte im Auto das gleiche Betriebssystem wie im Smartphone arbeiten. Besonders riskant ist dabei gar nicht der eigentliche Auftrag eines Computerschädlings, vielmehr geht es um unvorhersehbare Nebenwirkungen. Wenn etwa die Schadsoftware in der Autoelektronik ein Angriffsziel sucht und dabei unbeabsichtigt Reaktionen der Fahrassistenzsysteme verursachen.
 
Zulieferer, die an Systemen auf Adroid-Basis arbeiten, sehen die Sache natürlich ganz anders. Continental entwickelt mit AutoLinQ eine solche Plattform, die sich nachträglich jederzeit mit neuen Apps und Diensten erweitern lässt. Für Kritiker ist genau das eines der befürchteten offenen Tore, durch die Schadsoftware das Auto angreifen kann.
 
Alles im Griff, meint dagegen Continental. Die Angriffsszenarien seien eher theoretischer Natur, der Zugriff auf fahrrelevante Elektronikbausteine gar nicht so leicht möglich, zudem arbeite man bei der Entwicklung mit IT-Sicherheitsexperten zusammen. Ohnehin sei eine Abkehr vom eingeschlagenen Weg kaum möglich: „In zehn Jahren kommt kein Auto mehr ohne Vernetzung auf die Straße“, heißt es seitens Continental.  Ob dann allerdings Hacker oder Autohersteller die Nase vorn haben, das muss die Zeit zeigen.

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