Dudenhofen in der Pfalz ist ein beschauliches Städtchen mit knapp 6.000 Einwohnern, einer katholischen Pfarrkirche, aber ohne "Opel Test Center". Das ist seit 50 Jahren im hessischen Dudenhofen nahe Frankfurt zu finden, wo die Geschichte des damals größten Testgeländes Europas mit einem Zufall beginnt. Ein falsch adressierter Brief eines Maklers, der nach einem Grundstück für ein Opel-Prüffeld sucht, landet statt in der rheinland-pfälzischen Gemeinde beim Bürgermeister von Rodgau-Dudenhofen. Der nimmt Kontakt zu Opel auf, bietet ein Gelände an - und 1966 feiert er gemeinsam mit der Opel-Führungsriege die Eröffnung der Anlage.
33 Kilometer Teststrecken bietet das Areal vor 50 Jahren, um die Autos mit Blitz fit für die Straße zu machen. Das erste Opel-Modell, das in Dudenhofen auf Schotter- und Holperpisten und in der Steilkurve durch die Mangel gedreht wird, ist heute eine Legende - der Opel GT. Wie sich das damals angefühlt haben muss, lässt sich am besten mit einem Opel aus der ersten Dekade des Test-Centers "erfahren", in diesem Fall mit einem 1975er Manta, Sondermodell Swinger. Der 90-PS-Sportler mit Automatikgetriebe vermittelt auf der Fahrt über die diversen Teststrecken - heute sind sie fast dreimal so lang wie 1966 - das Gefühl, an Bord eines Ozeandampfers zu sein. Unebenheiten schluckt er nicht weg, sondern schwingt beharrlich mit. "Es ist leichter, eine neue Straße zu bauen als die bestehenden Strecken in gleichbleibend schlechtem Zustand zu halten", sagt einer der Instruktoren, als eine Runde auf dem Testgelände im Erlkönig des aktuellen Astra, der hier vor kurzem noch im Testbetrieb unterwegs war, ansteht. Das Fahrerleitsystem, eine schwarze Plastikbox, die ein bisschen wie ein veraltetes Nachrüst-Navi aussieht, zeigt an, wo man sich gerade befindet und was als nächstes zu tun ist. Das gehört zum regulären "Dauerlauf"-Zyklus, einem der Tests, den die Opel-Ingenieure hier regelmäßig absolvieren.
In Spitzenzeiten absolvieren die Opel-Testfahrer und Testingenieure in Dudenhofen 40.000 Kilometer - am Tag. Einmal um den Globus! Seit 2013 hat Opel rund 30 Millionen Euro in das Test-Center investiert. Bis zum Ende des Jahrzehnts soll es ein "hoher zweistelliger Millionenbetrag" sein. Das Geld ist in diverse neue Anlagen geflossen, etwa zwei Klimakammern, in denen Temperaturen von -40 bis +60 Grad Celsius einstellbar sind, um die Prototypen in Extremsituationen zu überprüfen. Hier führen die Ingenieure beispielsweise Motorentests durch. Der Geldsegen hat dem Test-Center auch ein neues Wahrzeichen beschert - eine 1,7 Kilometer lange Strecke mit Kurven, deren Neigung so berechnet ist, dass die Räder der durchfahrenden Testfahrzeuge immer gleich belastet werden. Dadurch bleiben die Mess-Ergebnisse vergleichbar.
Da bietet es sich an, dass ein Großteil der Strecken und Anlagen - wie etwa die Garagen für Prototypen oder der als "Mini-Nordschleife" bezeichnete Handling-Parcours im Wald verborgen liegen. Denn Erlkönig-Jäger lauern überall, wo die Autoindustrie Testkilometer abspult - und die Autobauer haben natürlich ein Interesse daran, dass ihre neuesten Modelle bis zur offiziellen Präsentation geheim bleiben. Dudenhofen ist quasi die Area 51 des deutschen Autobauers.
Außerdem testet der Autobauer hier beispielsweise Aerodynamik-Entwicklungen und führt Versuche im Bereich "automatisiertes Fahren" und "Car-To-Car-Kommunikation" durch. 200 Mitarbeiter sind aktuell am Standort Dudenhofen im Einsatz, in den nächsten Jahren soll die Belegschaft verdoppelt werden.
Trotz aller Investitionen und neuen Strecken, die auf dem Gelände in Dudenhofen entstehen und die alten Pfade verdrängen, auf denen früher reger Testbetrieb herrschte - ein Wahrzeichen hat die Zeiten überdauert und ist wohl bis in alle Ewigkeit unantastbar: Hessens älteste Kiefer. Die "dicke Tanne", so wird dieser Baum genannt, stand schon an ihrem Platz, als es noch keine Autos gab. Etwas 275 Jahre ist sie jetzt alt. Obwohl täglich Blitze um sie herumzischen.
Zurück zur Übersicht