Oschersleben in der Analyse: Durchbrüche

(adrivo.com) So wohltuend der ruhige Saisonauftakt in Hockenheim nach einer mehr als turbulenten Saison 2007 auch war: Insgeheim kamen Befürchtungen auf. Befürchtungen einer allzu anhaltenden Audi-Dominanz, einer Saison mit allzu wenigen Überholmanövern, einer DTM gänzlich ohne strategische Spannung. Die Sorgen erwiesen größtenteils als unbegründet…

Micky Maus‘ Durchbruch

Viel hatten die Architekten der im vergangenen Jahr gern kritisierten neuen ersten Kurve einstecken müssen: Das Ziel, der engen, als "Micky-Maus-Strecke" verschrienen Motorsport Arena zu mehr Überholmanövern zu verhelfen, schien verfehlt – stattdessen ein am Start gefährliches Bermuda-Eck geschaffen. Erst auf den zweiten Blick entfaltete die neue Startpassage ihren Reiz. "Dass nun alle zur gleichen Zeit in die Box fahren, macht es schwer aufzuholen", hatte nicht nur Gary Paffett im Vorfeld des Rennens erkannt – und ging ebenso wie seine Kollegen Überholversuche auf der Strecke nun mit mehr Ehrgeiz an. "Ich hatte in der ersten Runde Glück beim Start und dann in der letzten Kurve Jamie Green ausgebremst. Ein tolles Manöver", entdeckte Mike Rockenfeller eine zuvor ungeahnte Überholmöglichkeit.

Anschließend stellte sich der Rosberg-Pilot mit allzu großer Vorsicht hinter dem angeschlagenen Markenkollegen Mattias Ekström an – und ließ bestehende Überholchancen ungenutzt. Doch während Jamie Green später mit seinen Überholmanövern gegen Ekström und Rockenfeller die Überholtauglichkeit der neuen ersten Kurve unter Beweis stellte, zeigte Tom Kristensen bis zum Ende seiner Aufholjagd eine ganze Reihe an erfolgreichen Angriffen. Dennoch resümierte Paffett am Ende zu Recht: "Das Überholen ist nach wie vor nicht leicht – die kurzen Bremszonen machen es hier sehr schwierig." Was nicht nur Oliver Jarvis und Mathias Lauda mit unbeabsichtigten Remplern bewiesen…

Durchbruch der Rennleitung

Auch Wochen nach ihrem Debüt in Brands Hatch 2007 schien der neuen Rennleitung die Möglichkeit, eine Durchfahrtsstrafe zu vergeben, erst gar nicht bekannt zu sein. Erst auf dem Nürburgring kam es zur späten Entdeckung – als Mike Rockenfeller nach einer unglücklichen Startkollision mit Markenkollege Markus Winkelhock eine eher unverständliche Drive-through-Penalty erhielt. In Oschersleben fand das Sportkommissariat um Rennleiter Sven Stoppe den goldrichtigen Mittelweg: Vom alten Laissez-faire-Prinzip war nichts mehr zu spüren, ebenso wenig aber von der übereifrigen Strafvergabe der alten Rennleitung. Unglückliche Berührungen am Start blieben unbestraft – allzu übermütige Manöver jedoch mit einem Denkzettel bedacht.

"Im letzten Jahr ist Jamie Green in Oschersleben für einen Vorfall bestraft worden, für den er nichts konnte. Die Arbeit der DMSB-Kommissare war nun, wie 2007 nicht immer, sehr professionell. Man fühlt sich fair behandelt", fand nicht nur Sportchef Norbert Haug lobende Worte. Auch die "Opfer" selbst fühlten sich mit ihren Durchfahrtsstrafen größtenteils nicht unfair behandelt. So gab auch Oliver Jarvis zu, der auf seiner Aufholjagd versehentlich Christijan Albers umdrehte: "Ich habe eine Durchfahrtsstrafe bekommen, was durchaus eine richtige Entscheidung der Rennleitung war." Und selbst Bernd Schneider musste sich nach der ersten Aufregung eingestehen, dass er einen Frühstart hingelegt hatte – und entsprechend zu Recht bestraft wurde…

Warten auf den Durchbruch

Die Hockenheimer Rolle Tom Kristensens nahm in Oschersleben Markus Winkelhock: Diesmal war der schwäbische Rosberg-Pilot der einzige große Profiteur der Boxenstoppphase. Fehlerlos und unauffällig setzte Winkelhock im Rennen eine gelungene Rennstrategie seines Kommandostands um – und schob sich per Boxenstopp an Mattias Ekström und Mike Rockenfeller vorbei auf einen verdienten sechsten Platz. Insgesamt verhinderte das neue Boxenstoppfenster jedoch auch in der Magdeburger Börde größere Verschiebungen – wofür insbesondere Mattias Ekström den Beweis bot:

Trotz stark angeschlagenen Dienstfahrzeugs hielt sich der Schwede auch nach dem zweiten Boxenbesuch vor seinen Verfolgern Jamie Green und Mike Rockenfeller – bevor er sich ihnen auf der Strecke geschlagen geben musste. Nutzten in der ersten Boxenstoppphase noch nahezu alle Piloten die ersten drei frühestmöglichen Runden, so teilten sich die Piloten während der zweiten Phase in zwei Gruppen auf. Ob die Kommandostände allmählich die taktischen Chancen des zweiten Renndrittels erfolgreich erforschen? Es bleibt durchaus zu hoffen…

Durchbruch auf Raten

Nach seinem auch für ihn selbst enttäuschenden Debüt in Hockenheim legte insbesondere Mücke-Debütant Maro Engel in Oschersleben eine deutliche Steigerung hin. "Ich konnte schon einiges, was ich in Hockenheim gelernt habe, gut umsetzen, der ganze Ablauf funktionierte besser, alles lief etwas ruhiger", sagte Engel, der noch im Qualifying erneut mit Problemen gekämpft hatte, sich dann im Rennen jedoch bis zum unverschuldeten Unfall mit Tom Kristensen keine Blöße gab – und erstmals seit den Testfahrten Ralf Schumacher durchaus souverän schlug. Auch Ralf Schumacher bewies Reife: Der sechsfache Grand-Prix-Sieger hielt sich mit akzeptablem Speed aus den meisten Karbonschlachten heraus und sah sich am Ende mit Platz zehn belohnt.

Lediglich Oliver Jarvis wurde nach seiner brillanten Vorstellung im Qualifying etwas entzaubert. Nach seinem unglücklichen Startcrash mit Jamie Green ging der junge Brite die Aufholjagd mit der Brechstange an – und scheiterte. Auch Katherine Legge zeigte sich nicht begeistert von ihrem zweiten DTM-Rennen: Zwar war sie mit ihrem Rennspeed bereits zufriedener als beim Saisonauftakt. Mit missachteten blauen Flaggen handelte sie sich jedoch ohne Not eine der vielen Durchfahrtsstrafen ein.

Später Durchbruch

"Ein geiler Tag! Ein unglaublicher Moment, auf den ich lange hingearbeitet habe. Die Äbte haben mir ein perfektes Auto hingestellt und tolle Boxenstopps hingelegt." Timo Scheiders Jubel kannte nach dem lang ersehnten Sieg im 76. Rennen erwartungsgemäß keine Grenzen. Noch später als Martin Tomczyk, der seinen ersten Sieg in Barcelona 2006 in seinem 51. Rennen errang, legte der frühere Opel-Pilot das Image des ewigen Talents ab – und präsentiert sich nun wie entfesselt. Ähnlich wie Tomczyk, der 2006 erst nach dem Wechsel seines Renningenieurs aufblühte, führte auch bei Scheider der Austausch des Renningenieurs Mitte 2007 zum Erfolg. Das Selbstvertrauen und die Souveränität, die dem Lahnsteiner in der ersten Jahreshälfte 2007 noch fehlten, sind nun im Überfluss vorhanden.

Ebenso wie HWA-Mercedes, wo sich Jamie Green, Paul di Resta und Bruno Spengler durchaus auf einem ähnlichen Level bewegen, erfreut sich Abt-Audi mit Mattias Ekström, Timo Scheider und Martin Tomczyk an drei relativ jungen Piloten, denen der Titelgewinn allesamt zuzutrauen ist. Nur die Rennroutiniers schwächeln: Während Bernd Schneider zum zweiten Mal in Folge vor allem durch einen mäßigen Startplatz auffiel, stellte sich Tom Kristensen nach seiner deutlichen Aufwärtstrend im Hockenheim-Rennen sowie im Oscherslebener Qualifying gestern selbst mehrfach ein Bein. Schneider und Kristensen abzuschreiben, wäre verfrüht. Doch auch der 40-jährige Däne selbst bemerkte mit einem gehörigen Schuss Selbstironie: "Wir werden alle älter…"

© adrivo Sportpresse GmbH

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