Porsche

Panorama: 50 Jahre Porsche 911 – Reifen hält jung

Sechs Zylinder, heckeingebauter Boxermotor, oben liegende Nockenwellen, Trockensumpfschmierung, Zündung links vom Lenkrad, Drehzahlmesser als Zentralgestirn der Anzeigen. Darüber stülpt man dann eine in der Automobilgeschichte einzigartig langlebige Formensprache und gibt noch die typisch kehlig-brabbelnde Erkennungsmelodie mit auf den Weg. Fertig ist der 911er. Alles Weitere kommt dann wie von selbst.

Wenn die Rezeptur von Ferdinand Alexander Porsche so leicht nachzukochen wäre, gäbe es wohl mehr von diesen modernen Klassikern. In einer Zeit, in der Fahrzeuge zunehmend über ein beliebiges Image vermarktet werden können, schafft es der „Elfer“ immer wieder, [foto id=“459551″ size=“small“ position=“left“]zugleich anpassungsfähig und wertkonservativ zu wirken. Er verlor nichts von seiner Anziehungskraft während des wirtschaftlichen Niedergangs der Zuffenhausener Sportwagenschmiede Ende der achtziger Jahre, und blieb auch später seiner Philosophie treu, als sich der wiedererstarkte David Porsche anschickte, den Goliath Volkswagen übernehmen zu wollen. Bei Ferrari oder Lamborghini – dem anderen Jubilar von 2013 – mag man über dieses speziell deutsche, weil alltagstaugliche Objekt der Begierde lächelnd den Kopf schütteln, aber allein die Baureihe 911 hat sich in den ersten fünfzig Jahren – nunmehr in der siebten Generation – über 810.000 Mal verkauft. Im exklusiven Segment der Traumwagen ist das ein Golf-Wert.
 
Mit dem schlanken, geradezu zierlichen grünen Sportcoupé, das bei der Retro Classics-Messe in Stuttgart in diesem Jahr auf dem Stand des Porsche-Museums präsentiert wurde, hat es eine besondere Bewandtnis. Der T7, Typenbezeichnung 754, stammt aus dem Jahr 1959 und ist  eine formale Vorahnung, aus welcher der künftige 911er entstehen sollte. Als Ferdinand Alexander Porsche mit seinen Teams an einem leistungsfähigeren Nachfolger für den 356 tüftelte, wusste er natürlich nicht, dass er gerade eine Legende entwickelte. Die Vorgaben waren auch so anspruchsvoll genug. Als schließlich das [foto id=“459552″ size=“small“ position=“right“]neue Modell 901 auf der IAA 1963 der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, dürften allenfalls die Hellseher unter den Besuchern den erfolgreichsten Sportwagen aller Zeiten vorausgeahnt haben.
 
Im Jubiläumsjahr des Zuffenhausener Zugpferdes sollte man übrigens Peugeot nicht ganz vergessen. Weil die Franzosen die eigene Nomenklatur mit der mittigen Null schützen wollten, wurde 1964 aus dem 901 ein 911. Ingenieure neigen vermutlich nicht zum Aberglauben, aber in der Numerologie gilt die Elf als Meisterzahl, für strenggläubige Christen gar als Sündenzahl, denn sie folgt auf die Zehn der Gebote. Dessen ungeachtet entließen die Enthusiasten aus ihrer Schmiede nahe Stuttgart im Lauf der nächsten fünfzig Jahre immer wieder neue Variationen des Urahns 901. Im Jahr 1966 debütierte der 911er als Targa mit abnehmbarem Dachstück sowie Heckfenster, 1982 gab es wieder ein Cabrio, 1989 einen Speedster und auch das erste Coupé mit Allradantrieb. Und es gab im Lauf der Zeit immer wieder RS- oder GT3-Modelle, die das angewachsene Motorsport-Know-how auch in Kleinserien erlebbar machten.
 
Quasi als Neben-Legende wurde Mitte der siebziger Jahre der erste 911 Turbo (intern 930) mit rennerprobter DNA und Abgasturbolader serienmäßig auf die Straßen losgelassen: 3,0-Liter-Motor, 260 PS, Höchstgeschwindigkeit 250 km/h. Der schlankere Ur-Turbo von Louise Piëch – heute im Bestand des Museums – hat bei der Zahl 7 auf dem Drehzahlmesser einen kleinen Pfeil. Eine klare Erinnerung an die Wucht des zusätzlich beatmeten Vortriebs und an den vor allem bei Fans lustvoll herbeigesehnten Handkantenschlag in den Rücken, sollte die Motorleistung 7.000 Umdrehungen überschreiten. Ob nun im [foto id=“459553″ size=“small“ position=“left“]aufgeladenen Brachialkleid, offenherzig oder allradgetrieben, der 911 verfügte auch immer über die Verführungskünste eines Ladykillers, der anders als die giftiger ausgelegten italienischen Rivalen mehr Frauen hinter sein Steuer zog.  
 
Elfer-Fahrer lieben ihren Sportwagen, egal, ob sie nun für diesen Besitz bewundert oder als „Porschefahrer“ abgestempelt. Selbst die Zeitenwende 1997, als der neue 996 statt mit Luft nun mit Wasser gekühlt wurde und Puristen heftig murrten, konnte der allgemeinen Begeisterung keinen Abbruch tun. Die Hüter der Historie bei Porsche haben daher eine beneidenswerte Aufgabe. Auch zum runden Geburtstag müssen sie den Jubilar nicht eigens groß in Szene setzen, das macht er schon von selbst. Wenn man die Gelegenheit bekommt, einmal so unterschiedliche Modelle wie den Porsche 911 Carrera 2.7 von 1975, den Targa SC 3.0 von 1981 oder das Carrera 4S Cabriolet von 2003 im direkten Vergleich zu bewegen, erlebt man so etwas wie Wandel durch Annäherung. Die Motorkraft wächst, Karosserien werden größer, Kupplungen komplexer, Elektronik und immer mehr Sicherheitssysteme kommen hinzu. Und doch ist jedes Fahrzeug beim Einstieg und Zünden ein vertrauter Ort.
 
Zum Jubiläum gewährte das Museum auch ausnahmsweise einen Blick in das Lager der Sammlung. Unikate, Prototypen, Versuchsfahrzeuge, Motorsportfahrzeuge machen aus dieser nüchternen Halle eine Wunderkammer der Ingenieure. Neben dem Zentralgestirn 911 im Universum [foto id=“459554″ size=“small“ position=“right“]Porsche trifft der Besucher auf vergangene Schöpfungen wie den 912, 914, den ungeliebten Achtzylinder 928, den noch ungeliebteren 968. Man entdeckt die Urformen des Boxster, des Cayman und des aktuellen Topsellers Cayenne. Bald wird wohl der jüngste Planet, der kleine SUV Macan dazu stoßen.
 
Aber auch in den nächsten 50 Jahren dürfte keiner die emotionale Pole-Position des Neunelfer im Herzen der Kunden übernehmen. Und 2014 kehrt ein Motorsport-Abkömmling des Ur-Ahns 901 auch wieder als Werkswagen zum Langstreckenrennen von Le Mans zurück. Dorthin, wo der 917 einst einen legendären Sieg einfuhr.

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Gast auto.de

März 28, 2013 um 10:56 am Uhr

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