Panorama: 60 Jahre Matchbox – Spielzeugimperium in der Streichholzschachtel

Zugegeben: Auf der Straße sieht man diese Autos fast nie. Doch gegen den Ausstoß  von Matchbox ist selbst die Produktion von VW, Toyota oder General Motors nur Kinderkram. Denn mit bislang mehr als drei Milliarden Fahrzeugen zählt die vor genau 60 Jahren in England gegründete Spielzeugmarke zu den mit Abstand größten Automobilherstellern der Welt.

Dabei war das gar nicht die Absicht von Erfinder Jack Odell

Ihm ging es allein um das Wohl seiner Tochter, die zu dieser Zeit noch in die Schule ging und damals unter vergleichsweise laxen Regeln zu leiden hatte. Denn die Kinder durften zwar Spielsachen mit in den Unterricht bringen, aber sie mussten so klein sein, dass sie in eine Streichholzschachtel passten. [foto id=“467896″ size=“small“ position=“left“]Und weil Vater Odell nicht wollte, dass sein Kind weiter mit Spinnen und andrem Kleingetier spielte, baute ihr der Ingenieur kurzerhand ein Modellauto, das genau in so eine Streichholzschachtel passte. Er war ja schließlich nicht umsonst Entwickler beim Spielwarenhersteller Lesney.

Die PS-Petitesse im Maßstab 1:64 kommt nicht nur bei Odells Tochter und deren Klassenkameraden gut an, sondern auch bei seinem Arbeitgeber. Der greift die Idee auf, macht das Format zum Namen und bringt 1953 die ersten Matchbox-Autos auf den Markt – darunter auch die Kutsche, mit der Queen Elisabeth zu ihrer Krönung chauffiert wurde. Diese königliche Kalesche wird zum Verkaufsschlager, erreicht eine Auflage von über einer Million Exemplare und legt den finanziellen Grundstock für ein Spielzeugimperium mit Niederlassungen in nahezu jedem Kinderzimmer der zivilisierten Welt: Was Lego für Bauklötze, das war Matchbox für Modellautos und nicht selten schnellt die Produktion über die Millionengrenze – pro Woche!

Odell hatte zwar vor allem Kinder im Kopf, als er die Mini-Modelle entwickelte

Doch je größer die Kinder, desto größer die Leidenschaft. Und weil Erwachsene in der Regel auch ein größeres Budget haben, ist die Spielzeugwelt längst fest in der Hand der Generation ü30. Kaum jemand weiß das besser als der Berliner Carsten Oettler. Er ist so etwas wie der Matchbox-Man in der Modellauto-Szene und betreibt im Stadtteil Wilmersdorf das Geschäft Cars&Boxes. Dort und über seinen Internetshop wickelt er das Gros im interkontinentalen Matchbox-Handel ab – und hat damit gut zu tun.

Allein in Deutschland schätzt er die Szene auf rund 1.000 Sammler, deren Fahrzeugpark von ein paar Dutzend Autos in einer Vitrine bis zum gut gefüllten Spielzimmer mit tausenden Modellen reicht.[foto id=“467897″ size=“small“ position=“right“] „Da kommen schnell mal Werte von mehreren hunderttausend Euro zusammen“, berichtet Oettler. Und ganz ähnlich sei die Matchbox-Magie in anderen Ländern, berichtet der Experte, der seine Fahrzeuge bis nach Südamerika, Japan und neuerdings sogar immer häufiger nach China verschickt.

Schon vergleichsweise junge Modelle kosten da schnell mal 20, 30 oder 50 Euro, dreistellige Preise sind keine Seltenheit und für echte Raritäten legen sehnsüchtige Sammler auch mal einen Tausender hin, berichtet Oettler. „Allerdings nur für Autos ohne Gebrauchsspuren und mit Originalverpackung. Denn ohne Schachtel ist ein Matchbox-Auto schnell nur noch die Hälfte wert“, umreißt er die Preisarithmetik. „Und welches Kind hebt schon die Schachtel eines Spielzeugautos auf?“

Besonders hoch im Kurs stehen die Fahrzeuge der so genannten Superfast-Serie. Sie bestand in der Regel aus jährlich 75 Modellen im Maßstab 1:64, zu denen ganz gewöhnliche Serienfahrzeuge genauso zählten wie Rennwagen oder Filmautos, Phantasie- und Tuning-Modelle, Nutzfahrzeuge und sogar Flugzeuge, Lokomotiven oder Boote. Über die Jahre sind so nach Oettlers Schätzung über 1.000 Modelle zusammen gekommen. Und weil es jedes davon in verschiedenen Farb- und Aufbauvarianten gegeben habe, entstehen schnell 10.000 oder mehr Versionen. Kein Wunder, dass sein Laden aus allen Nähten platzt, sich überall Körbe und Kisten mit alten Modellen stapeln und die Vitrinen beinahe überquellen [foto id=“467898″ size=“small“ position=“left“]vor Miniatur-Mobilen. Schließlich hat Oettler mehrere tausend Fahrzeuge auf Lager – und viele davon gleich in mehreren Ausführungen.

Zwar sind Matchbox-Autos natürlich in allererste Linie Spielsachen

Doch glaubt man Experten wie Oettler, wird schon heute etwa die Hälfte aller Fahrzeuge von Erwachsenen gekauft – und so pfleglich behandelt, dass sie den Teppichboden im Bubenzimmer wohl nie unter die Räder nehmen. Denn selbst wenn es nicht im Sinne von Erfinder Odell war, hat Oettler in den letzten Jahren seine Lektion gelernt: „Sobald ein Matchbox-Auto mal in Kinderhänden war, ist es für Sammler in der Regel nicht mehr zu gebrauchen.“

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