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Audi
Michael Dick ist nervös. Immer und immer wieder schaut der scheidende Entwicklungsvorstand von Audi auf die Uhr. „So langsam müsste er doch kommen“, sagt sein Blick, während nur das Klackern der großen Stoppuhr die gespannte Stille an der Zufahrt zur Nordschleife stört und die Augen am liebsten um die Hohenrain-Kurve starren würden.
Der Vorstand wartet auf ein Auto, das ihm mehr bedeutet als jedes andere Modell aus den fünf Jahren seiner Amtszeit. Schließlich ist Dick Zaungast bei den letzten Testfahrten des Audi R8 e-tron, den die Bayern zum Jahreswechsel als ihr erstes Elektroauto in Serie bringen wollen. Dick nennt den Wagen ein „Leuchtturmprojekt für die Elektromobilität“ und hofft, dass [foto id=“425277″ size=“small“ position=“left“]seine Strahlkraft jetzt noch größer wird. Nicht umsonst sitzt bei dieser Runde kein normaler Testfahrer am Steuer. Kein geringer als 24-Stunden-Sieger Markus Winkelhock hat sich in die bequemen Lederschalen geschnallt, um mit dem e-tron in der Eifel einen neuen Rundenrekord herauszufahren. Schneller als jedes andere serienreife Elektroauto soll der rote Renner durch die Grüne Hölle jagen und so just am Tiefpunkt der elektrischen Euphorie für das Rasen ohne Reue werben. Das ist auch bitter nötig. Der e-Tron kommt zu einer Zeit, zu der die Begeisterung für Elektroautos deutlich nachgelassen. Dass sie technisch machbar sind, ist mittlerweile bewiesen. Und Überzeugungstäter können die ersten Autos schon vor dem Start des wohl mindestens 200.000 Euro teuren Audis bereits für viel weniger Geld kaufen. Doch der Klimaschutz ist beim aktuellen Strommix zumindest fragwürdig. Wirtschaftlich muss man sich die Elektroautos mit den niedrigen Betriebskosten verdammt schönrechnen, damit man auf einen grünen Zweig kommt. Und die Zielvorgabe von einer Million Elektroautos bis 2020 scheint weiter entfernt, denn je. Da können ein paar positive elektrische Schlagzeilen nicht schaden.
Während der Blick des Vorstands nervös zwischen der Ziellinie und der Stoppuhr wechselt, lernt Winkelhock das erste Elektroauto in seiner Fahrerkarriere schnell zu schätzen. Zwar muss er sich erst einmal an die Stille gewöhnen und anders als in seinem R8 LMS nicht nach Gehör, sondern auf Sicht fahren. Doch er ist erstaunt, wie gut ausbalanciert das Auto ist, wie [foto id=“425278″ size=“small“ position=“right“]schnell der e-tron um die Ecken kommt und wie gewaltig es vorwärts geht.
Dafür sorgen zwei Elektromotoren im Heck, die mechanisch völlig unabhängig jeweils ein Hinterrad antreiben. Sie leisten zusammen 381 PS und katapultieren den 1,8 Tonnen schweren Batterie-Boliden in 4,6 Sekunden auf Tempo 100. Dabei verteilen sie ihr maximales Drehmoment von insgesamt 820 Nm so selektiv, dass in Kurven außen mehr Kraft ankommt als innen. Deshalb muss sich Winkelhock nicht wundern, wie schnell der flüsterleise Tiefflieger durch den Adenauer Forst und das Bergwerk kommt. Und als er auf der Döttinger Höhe das Pedal ganz durchtritt, läuft der Audi bei 250 km/h so vehement in den Begrenzer, dass es sicher auf für 280 oder 300 Sachen gereicht hätte. Nicht umsonst rauscht Winkelhock geräuschlos wie ein Tarnkappenbomber nach exakt 8:09:099 Minuten durch die Lichtschranke und holt damit nicht nur die beabsichtige Bestzeit für Stromer. er kommt sogar bis auf fünf Sekunden an den benzinbetriebenen R8 heran.
Ganz so schnell werden die Kunden später nicht fahren können. Denn mit Rücksicht auf die Reichweite des 49 kWh großen Lithium-Ionen-Akkus wird Audi das Tempo in der Serie auf 200 km/h limitieren. Dann soll die 550 Kilo schwere Batterie im Mitteltunnel und vor der Hinterachse Strom für bis zu 215 Kilometer liefern. Auf der Nordschleife reicht der Akku für zwei schnelle oder eine sehr schnelle Runde – dann muss der e-tron für eine Stunde an den Schnelllader oder für acht Stunden an die Steckdose.
Dass der Strom überhaupt so lange reicht, liegt auch am konsequenten Leichtbau. Immerhin haben die Ingenieure einen Großteil des Mehrgewichts durch die Hauben [foto id=“425279″ size=“small“ position=“left“]aus Karbon, federleichte Schalensitze und Fahrwerksteile aus Glasfaserverstärktem Kunststoff drücken das Gewicht auf 1.780 Kilo – nur noch 150 Kilo mehr als beim R8 mit Achtzylinder.
Auf dem Weg zum Marktstart beim Jahreswechsel fehlt jetzt nicht mehr viel: Ein wenig Feinabstimmung noch für die Steuerung der beiden Motoren, ein bisschen Feinschliff für die Elektronik im Innenraum – und ein kleines Facelift bekommt die gesamte R8-Familie bis dahin auch noch. „Aber im Prinzip sind wir jetzt fertig“, freut sich Heinz Hollerweger, der die Entwicklung Gesamtfahrzeug leitet. Doch wenn sie ihrem scheidenden Chef einen Gefallen tun wollen, dann müssen die Entwickler trotzdem noch einmal ran: „Die acht Minuten sollten doch zu knacken sein.“
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 29.06.2012 aktualisiert am 29.06.2012
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