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Es ist Markt in Tanah Rata und auf der Straße gibt es kaum ein Durchkommen mehr. Die ganze Stadt ist voll mit alten Klapperkisten, die bis übers Dach beladen sind mit Stiegen voller Obst und Gemüse. Doch es sind nicht die farbenfrohen Früchte, die einen hier in den Bann schlagen. Sondern es sind die Autos selbst, die nach Aufmerksamkeit heischen.
Denn all die Bauern hier fahren alte Land Rover und machen die Cameron Highlands zur Region mit der größten Dichte an britischen Offroad-Dinosauriern auf der ganzen Welt. Rund 7.000 Exemplare der Serie II und Serie III fahren nach offiziellen Schätzungen durch das Hochland von Malaysia und lassen selbst England aussehen wie die Defender-Diaspora. „Angeblich sind ja noch 75 Prozent aller je gebauten Defender [foto id=“463076″ size=“small“ position=“left“]auf der Straße unterwegs“, sagt der deutsche Expeditionsveranstalter Dag Rogge, der auch schon Touren durch Malaysia organisiert hat. „Wer daran zweifelt, der muss nur mal nach Tanah Rata fahren, dann glaubt er das sofort.“
Dass hier so viele Land Rover unterwegs sind, liegt nicht nur an den schlechten Straßen, dem wüsten Klima sowie am Kolonialerbe Malaysias und an den riesigen Restbeständen, die die Briten zurückgelassen haben. Schuld daran ist vor allem ein Steuerbonus für die armen Bauern in der wirtschaftlich schwachen Region: Sie zahlen für ihren Land Rover nur ein Zehntel der Kfz-Steuer. Allerdings dürfen sie den Bezirk mit ihren Klapperkisten dann nicht verlassen und müssen deshalb ein großes „CH“ für Cameron Highlands auf die Türen pinseln.
Aber selbst ohne diese Einschränkung würde sich kaum einer der Land Rover noch weiter als bis ins nächste Tal trauen. Denn allesamt schon 30, 40 oft sogar über 50 Jahre alt, sind die Bauernkutschen in einem oftmals erbärmlichen Zustand. Die Karosserie windschief, das Innenleben vom Zahn der Zeit zerfressen, die Reifen blank und ohne Profil und die Scheinwerfer genauso blind wie die Scheiben – oft wirkt es wie ein Wunder, dass es die Land Rover überhaupt bis zum Markt geschafft [foto id=“463077″ size=“small“ position=“right“]haben und nicht unter der Last der Obstkisten zusammengebrochen sind.
Drei Autostunden weiter im Süden ist Land Rover längst in der neuen Welt angekommen. Die Zentrale in der Hauptstadt Kuala Lumpur ist ein moderner Bau auf der Automeile der Hauptstadt und der Defender ist hier völlig unterrepräsentiert. Stattdessen stehen Dutzende Evoque bereit, die Servicechef Nick Fitt gar nicht schnell genug auf die Straße bringen kann. „Der läuft auch bei uns wie geschnitten Brot“, freut sich Fitt, der nebenbei gerade die Markteinführung für den neuen Range Rover vorbereitet, ein paar ungeduldige Sultane am Telefon vertrösten muss und Land Rover auch in Malaysia längst als Lifestyle-Marke sieht. Doch auch wenn das für Kuala Lumpur tatsächlich so sein mag, sprechen die Zahlen noch eine andere Sprache: Von den 714 Autos, die Land Rover im letzten Jahr in Malaysia verkauft hat, waren 268 Defender. „Der Nachschub für die Cameron Highlands ist also gesichert“, sagt Fitt.
Dass der Defender in Malaysia noch immer auf einen Verkaufsanteil von beinahe 50 Prozent kommt, mag zum Teil tatsächlich an den rauen Einsatzbedingungen und den schlechten Hochlandpisten liegen. Aber das liegt ganz sicher auch an den horrenden Importhürden, die Land Rover mit einer CKD-Produktion im Norden des [foto id=“463078″ size=“small“ position=“left“]Landes umgeht. Während der aus England importierte Range Rover mit Zoll und Steuer umgerechnet fast 300.000 Euro kostet, gibt es den lokal produzierten Defender nicht einmal für ein Zehntel. Damit hat sich der Preisunterschied gegenüber Europa mal glatt verdreifacht.
Über Listenpreise sollen sich Männer wie Nick Fitt und seine Kunden Gedanken machen. Die Bauern in den Highlands kaufen ihre Autos per Handschlag am Straßenrand. Denn einen offiziellen Land Rover-Händler gibt es im Hochland gar nicht, und selbst eine Werkstatt sucht man hier vergebens. Stattdessen reparieren die Bauern ihre Klapperkisten selbst oder bringen sie zu Spezialisten, die auf einem zugigen Hinterhof noch alle Pannen behoben haben.
„Mit Originalteilen und Wartungshinweisen muss man denen freilich nicht kommen“, sagt Fitt in einer Mischung aus Anerkennung und Abscheu. Dort werde geschraubt auf Teufel komm raus und als Organspender müssen auch mal ein paar Fremdfabrikate herhalten. Jeder zweite Land Rover in Tanah Rata hat deshalb mittlerweile ein Lenkrad von Honda, unter der [foto id=“463079″ size=“small“ position=“right“]schartigen Haube stampfen oft genug Motoren von Nissan oder Honda, die Getriebe sind vom Schrottplatz und die Sitze manchmal einfach Holzkisten vom Schreiner. Nur die Karosserie ist meist noch zu erkennen – die Alubleche rosten schließlich nicht.
Für die Bauern in den Cameron Highlands ist der Land Rover einfach nur ein Arbeitsgerät, das billig und willig ist und ihnen wenige Schwierigkeiten macht. Das ganze Buhei um die alten Klapperkisten können sie deshalb nicht so recht verstehen. Doch viele Touristen begeistern sich an den Offroad-Dinosauriern fast ebenso wie an den Teeplantagen oder den faszinierenden Dschungelpfaden. Sie geraten bei ihrem Anblick in eine melancholisch-mystische Stimmung und schreiben später auf ihren Reiseblogs vom Friedhof der Dinosaurier: So, wie die Elefanten angeblich zum Sterben alle zu ihren geheimen Plätzen in der Savanne trotten, so endet die letzte Fahrt der Landies in den Cameron Highlands.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 22.04.2013 aktualisiert am 22.04.2013
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