Panorama: Das elektrische Ei von Heinkel – Ein Oldie als Stromer

Das Wehklagen der Personalchefs kennt kein Ende: Deutschland fehlen qualifizierte Fachkräfte, jammern sie immer wieder. Albert Heinen kennt diese Sprüche, doch will er es nicht beim Lamentieren lassen. Heinen leitet das Aus- und Weiterbildungszentrum des Stromriesen RWE in Saffig am Fuß der Eifel und buhlt mit einem ganz besonderen Projekt um den Nachwuchs. Dem Umbau eines 50 Jahre alten Kabinenrollers zu einem modernen Elektromobil. „Oldtimer sind gerade gefragter denn je und Elektromobilität ist in aller Munde, was lag da näher als beides zusammenzubringen?“, fragt Heinen. „Wir wollten unseren Auszubildenden schließlich beweisen, dass sie hier nicht nur die Schulbank drücken und stundenlang am Schraubstock stehen und feilen.“

Also hat Heinen, der in der Freizeit selbst einen alten Heinkel fährt, Anfang letzten Jahres das Projekt gestartet und ein Team von rund 30 angehenden Betriebselektronikern auf den Kabinenroller angesetzt. Für [foto id=“386736″ size=“small“ position=“left“]3.000 Euro ließen sie eine Rostlaube aus Schweden kommen, die 1961 als Heinkel-Lizenzbau bei Trojan in England gefertigt wurde.

Kaum in der Eifel angekommen, wurde komplett entkernt und fachmännisch restauriert. „Selbst mit konventionellem Antrieb wäre der jetzt sicher fast 15.000 Euro wert“,  freut sich der RWE-Ausbilder an dem babyblauen Mini-Mobil. Aber der gerade mal 2,55 Meter lange, 1,37 Meter breite und 1,32 Meter hohe Knubbel aus Glas und Blech hat keinen konventionellen Motor mehr: Dort wo früher mal ein Einzylinder mit 200 Kubikzentimetern Hubraum knatterte, surrt jetzt ein handlicher Elektromotor. Der wiegt nicht einmal 15 Kilo, hat genau wie das Original 10 PS und bringt den Heinkel flott in Fahrt. Schnell und geräuschlos surrt der Kabinenroller durch die Stadt und traut sich mit 85 km/h bisweilen sogar mal auf eine Landstraße. Natürlich ist das gemessen an dem, was Tesla für den Roadster ausweist oder selbst ein Mitsubishi i-Miev schafft, fast schon lächerlich. Aber erstens war das Original auch nicht schneller, und zweitens fühlen sich 85 km/h in so einem Elefantenrollschuh spektakulärer an als 180 Sachen im VW Golf.

Gespeist wird der Stromer aus einem Lithium-Eisenphosphat-Akku, den die Azubis hinter der vorderen Sitzbank montiert haben. Wer Jungs wie Stefan Loch oder Patrick Braun sieht, glaubt ohnehin nicht daran, dass der Heinkel mal ein Viersitzer gewesen ist. Denn schon in der ersten Reihe auf der schmalen Bank hinter der breiten Fronttür geht es ziemlich eng zu. Wie lange ihnen der Akku reicht, wissen die Nachwuchs-[foto id=“386737″ size=“small“ position=“left“]Elektroniker noch gar nicht: 50 Kilometer haben sie mal ausgerechnet, aber ausgefahren haben sie ihn noch nie. Entsprechend können sie auch die Ladezeit nur schätzen und kommen auf fünf bis sechs Stunden.

Aber Antrieb und Akku sind nicht das einzige, was die Auszubildenden modernisiert haben. Zwar sieht der Heinkel von außen aus wie ein Gruß aus den fünfziger Jahren. Aber innen überrascht der Oldie mit einem hoch modernen Bediensystem. „Die Elektronik ist so aktuell wie in einem Siebener BMW„, sagt Projektmitarbeiter Tobias Post und erzählt vom so genannten CanBus, der alle Bauteile im Fahrzeug elektronisch Verbindet. Gebündelt ist er in einem kleinen Rechner samt Touchscreen, der wie ein iPad unter dem Lenker klemmt und zur futuristischen Steuerzentrale des Oldtimers wird.

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Dass die Azubis eines Energieversorgers wenn überhaupt, dann natürlich nur ein Elektrofahrzeug bauen konnten, liegt auf der Hand. Denn nicht umsonst arbeitet RWE mit zahlreichen Fahrzeugherstellern zusammen, engagiert sich in einigen Modellregionen und Flottenprojekten und hat gerade die 1000. Ladesäule aufgestellt. Aber wieso Heinen ausgerechnet auf einen Kabinenroller gekommen ist? Weil er selbst so einen Wagen besitzt, die Szene kennt und wusste, wie an eine Rohkarosse zu kommen war.

Und vor allem, weil sich für die Elektrifizierung kein anderes Fahrzeugkonzept besser eignet. Denn nur bei Fahrzeugen wie dem Heinkel oder dem Messerschmitt liegt die Zuladung auf dem Niveau des Eigengewichts, sagt der Ausbilder: „Das hilft, wenn man über 80 Kilo Akku und allerlei andere Technik [foto id=“386739″ size=“small“ position=“left“]nachrüsten muss und nicht auf einen Fahrer verzichten will.“ Und nur die Kabinenroller seien mit zum Beispiel 290 Kilo beim Heinkel so leicht, dass man mit kleinen und deshalb bezahlbaren Akkus und Motoren auskomme. „Ein echtes Auto hätte unser Budget gesprengt“, sagt Heinen.

Mit dieser Einsicht sind der RWE-Ausbilder und seine Mitstreiter offenbar nicht alleine. Das weiß die Mannschaft aus der Eifel spätestens seit der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt. Denn das, was dort als VW Nils, Audi Urban Concept oder Opel RAKe zu sehen war, folgt im Prinzip der gleichen Logik. Allerdings hat das elektrische Ei aus der Eifel den Hightech-Seifenkisten aus Frankfurt ein entscheidendes Detail voraus: Das Kennzeichen und den Stempel des TÜV. Denn wo Nils & Co nur über die Messe fuhren, stromert der Heinkel längst über die Straße.

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