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Als am 10. Februar 1989 auf der Chicago Auto Show zahllose Scheinwerfer die Premiere des Mazda MX-5 in helles Licht tauchten, waren in einer Fabrik in Berlin gerade die letzten Lampen erloschen. Während die japanische Marke mit dem neuen Modell einen Überraschungserfolg feierte, der zum meistgebauten Cabrio der Welt werden sollte, musste Walter Treser einen ganz ähnlichen Traum begraben. Sein T1 sollte nie gebaut werden.
Die Geschichte des Treser T1 lässt sich am ehesten mit einer Sternschnuppe vergleichen: Der Premierenauftritt sorgte auf der IAA 1987 für Aufsehen und brachte ihn auf die Titelblätter. Doch schon bevor der erste Kunde seinen Wagen abholen konnte, war alles zu Ende. Was blieb, war der Verlust von Entwicklungskosten in Millionenhöhe, statt der geplanten Jahresproduktion von 1.200 Sportwagen wurden kaum mehr als zwanzig Exemplare auf die Räder gestellt. Alles in allem steht der Treser T1 für eines der mutigsten Projekte der jüngeren Automobilgeschichte und für ein grandioses Scheitern.
Treser – wer bei der Nennung des Namens ein Aufzucken der Erinnerung spürt, wird vermutlich nicht an den T1 denken. Bekannt wurde die Marke vor allem durch Tuning-Zubehör wie schwarz gefärbte Heckleuchten, die in den Achtzigern das Heck unzähliger VW Golf und Audi zierten. Auch die Veredelung ganzer Audi-Fahrzeuge gehörte zum Programm. Doch dem Mann hinter dem Markennamen reichte das nicht. Walter Treser wollte Autohersteller sein.
[foto id=“494977″ size=“small“ position=“left“]Treser begann seine Karriere als leidlich erfolgreicher Rennfahrer. Er arbeitete als Rennreifeningenieur und kam 1976 schließlich zu Audi. Dort fand er seinen Platz in der Fahrzeugentwicklung und wurde zusammen mit dem heutigen VW-Oberen Ferdinand Piëch zu einem der führenden Köpfe hinter dem Projekt Audi Quattro. Später stieg er auf zum Rennleiter für die Rallyeeinsätze der Marke, bis Piëch ihn 1981vor die Tür setzte.
Treser machte sich selbständig, und schon ein Jahr später entstanden Pläne für ein ehrgeiziges Projekt. Die erste Idee lautete: Jugendauto. Ein Sportwagen sollte es sein, den sich auch junge Menschen leisten konnten – aufregendes Design gepaart mit Großserientechnik. Also genau das, was auch Mazda vorhatte.
Über die Jahre Jahren wurden die Pläne immer konkreter, Designer legten Entwürfe für die Karosserieform vor, ein erstes Holzmodell entstand. Auch auf technischer Seite wuchsen lose Ideen zu festen Vorstellungen: Antrieb und weitere technische Bauteile sollten von Volkswagen kommen. Der 139 PS starke 1,8-Liter-Motor aus dem Golf GTI, außerdem Getriebe, Vorderachse, Lenkung und auch die Heizung aus dem gleichen Modell. Die Maschine sollte ihren Platz, anders als beim Spender, allerdings nicht unter der vorderen Haube finden. Treser bevorzugte das Mittelmotorprinzip und statt Front- den Heckantrieb.[foto id=“494978″ size=“small“ position=“right“]
Ohnehin setzte Treser abseits der eingekauften Volkswagen-Technik auf Eigenständigkeit – und zwar so weit, dass sich der T1 nicht nur mit seiner keilförmigen Karosserie von allen zeitgenössischen Automobilen unterschied. So bestand die Bodengruppe aus einer Kombination aus Aluminium und Kunststoff, ein bis dahin im Autobau unbekanntes Prinzip.
Auch die Dachkonstruktion konnte als Wegweisend gelten. Schon zuvor baute Treser in Audi-Modelle und sogar in den VW Polo ein festes Klappdach ein, das die Vorteile von Coupé und Cabrio kombinierte – zu einer Zeit, als man bei Mercedes nicht einmal an einen SLK dachte, der heute als Urvater aller Klappdach-Cabrios gilt. Der neue Sportwagen sollte natürlich ebenfalls so eine Dachkonstruktion bekommen.
Niemand konnte Treser vorwerfen, dass es ihm an Ideen mangelte. Sogar die Klappscheinwerfer erfand er neu: Wo andere Sportwagen wie der MX-5 die Scheinwerfer und ihre Klappen aus den Kotflügeln fahren ließen, setzte Treser auf fest installierte Leuchten, vor denen eine elektrisch versenkbare Schutzklappe bei Bedarf den Weg der Lichtstrahlen freigab.
Nicht nur das Auto entwickelte sich von der Idee zum Prototypen, auch die Pläne einer serienmäßigen Herstellung verließen bald das Stadium bloßen Phantasierens. In jenen Jahren umschloss noch die Mauer das ehemalige West-Berlin, und der Senat der Stadt war froh und recht freigiebig über und für jedes Unternehmen, das sich dort trotz der isolierten Lage ansiedelte. Später, als alles vorbei war, berichtete „Der Spiegel“, dass aus öffentlichen Mitteln fünf Millionen Mark in das Projekt Autofabrik geflossen sein sollen.
Die Firma Treser bezog 1985 die Räume einer Konkurs gegangenen Maschinenfabrik im Berliner Stadtteil Wittenau. In den folgenden Jahren arbeiteten bis zu 130 Mitarbeiter in den Hallen in der Lübarser Straße an dem Auto. Beziehungsweise an den Autos – denn es ging um drei Modellvarianten. Als T1 wurde ein Sportwagen mit geschlossenem Coupédach bezeichnet, das Modell mit dem Klappdach bekam die Bezeichnung T1 Cabrio.
Und dann gab es noch den TR1. Um das Interesse an dem neuartigen Auto zu schüren, sollten die TR1 in einer eigens initiierten Rennserie im Rahmen der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) gegeneinander antreten. Die Rennversion für diesen „Hydro Aluminium Cup“ hatte weder eine festes noch ein klappbares Dach, war vielmehr schutzlos offen unterwegs.
Im Herbst 1987 schließlich war es soweit: Das Ergebnis jahrelanger Entwicklung erlebte seine Premiere auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt. Zu diesem Zeitpunkt war von der Idee des Jugendautos nicht mehr viel übrig. Der mittlerweile angepeilte Verkaufspreis lag bei mehr als 60.000 Mark, ein fabrikneuer Golf GTI kostete nicht einmal die Hälfte. Also nahm man statt der Jugend die Junggebliebenen als Zielgruppe für den 220 km/h schnellen Zweisitzer ins Visier. Die konnten neben einem höheren Alter auch deutlich höhere Einkommen vorweisen. Interesse war tatsächlich vorhanden: „Wir hatten etwa 1.000 Vorbestellungen“, erinnert sich der heute 73-jährige Walter Treser. Allein der Autovermieter Sixt soll 99 Fahrzeuge geordert haben.
Das neue Marken-Motto lautete „Das Autovergnügen“, ergänzt von den Worten „Fuß vom Gas, Dach auf, Musik – und das Autovergnügen beginnt.“ Es blieb bei den Worten. Nur ein Auto erfüllte das Versprechen – das einzig gebaute Musterfahrzeug des T1 Cabrio. Auch vom Coupé erlangte nur eines den Zustand der Fahrbereitschaft. Fast wie eine Großserie mutet da schon der TR1 an. Obwohl bereits in Schwierigkeiten steckend, baute Treser zwanzig Fahrzeuge der dachlosen Rennversion. Und im Mai 1988 fand tatsächlich das erste Rennen statt.
Das jedoch sollte die letzte gute Nachricht sein. Die Millionen waren aufgebraucht, für den Anlauf einer Serienproduktion wurde weiteres Geld benötigt. Von noch einmal 4,5 Millionen war die Rede. Im August 1988 war es vorbei, die Fabrik wurde geschlossen.[foto id=“494981″ size=“small“ position=“left“] Das Abenteuer Autobau riss Tresers erfolgreiche Tuningfirma in Ingolstadt mit in den Abgrund. Walter Treser selbst wurde in den neunziger Jahren von Opel als Motorsportchef angeheuert, blieb bei der Marke, bis er sich 2003 in den Ruhestand verabschiedete.
Einige der gebauten Autos wurden von Liebhabern gepflegt, andere gerieten in Vergessenheit und tauchten erst Jahre später verstaubt wieder aus dunklen Garagen auf. Bis heute kann niemand exakt sagen, wie viele Fahrzeuge wirklich gebaut wurden und wie viele es noch gibt. „Wir wissen von 17 oder 18 noch existierenden Fahrzeugen“, sagt Carsten Nitzsche, Vorsitzender des Treser-Clubs. Es können aber auch mehr Autos existieren, als jemals offiziell gebaut wurden. So berichtet Walter Treser von einem halbfertigen Auto, das ehemalige Mitarbeiter nach der Pleite komplettierten, drei weitere sollen aus Restteilen zusammengesetzt worden sein.
Bleibt die Frage: Was wäre wenn? Wenn[foto id=“494982″ size=“small“ position=“right“] Treser das nötige Geld bekommen hätte, wenn der T1 in Serie gegangen wäre? Auf jeden Fall hätte auch dann die Chicago Auto Show stattgefunden, auf der jenes Auto vorgestellt wurde, das den Trend zum Offenfahren neu befeuerte. Ein zweisitziger Sportwagen mit Stoffverdeck und Klappscheinwerfern, 90 bis 131 PS stark. Mit dem MX-5 zeigte Mazda jenes Jugendauto, das Walter Treser skizzierte, bevor alles ganz anders kam.
„Ich bin mir trotzdem sicher, dass wir eine Chance gehabt hätten“, betont Walter Treser. Allein schon, weil der T1 eben kein Massenprodukt sein sollte. „Es gab schon immer Autos, deren Besitz etwas Besonderes darstellte.“ Immerhin: Wenn auch sonst alles schief gegangen ist, etwas Besonders ist der Treser-Sportwagen auf jeden Fall.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 20.12.2013 aktualisiert am 20.12.2013
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