Panorama: Indy 500 – Das Rennen der Rekorde

Den Blick geradeaus, den Fuß aufs Gas und das Lenkrad ein kleines bisschen nach links einschlagen – viel mehr braucht es gar nicht, um die 500 Meilen von Indianapolis zu gewinnen. Wenn da nicht 32 andere Rennwagen wären, die mit Geschwindigkeiten von weit über 300 km/h das Gleiche tun. Weil das am jeweils letzten Wochenende im Mai seit mittlerweile 101 Jahren passiert und am Streckenrand rund 400.000 Zuschauer stehen, gelten die „Indy500“ ältestes und größtes Spektakel, das der Rennzirkus zu bieten hat. Kein anderes Rennen wird schon so lange ausgetragen, keines hat so viele Zuschauer und nirgends wird so schnell gefahren wie im „Oval des Wahnsinns“, das die Einheimischen wegen der feuchtschwülen Hitze gerne den „Nudeltopf“ nennen.

Schon die Strecke an sich ist eine Superlativ: Bereits 1909 gebaut, ist sie die älteste feste Rennstrecke in Amerika und Vorbild für Dutzende von Speedways im ganzen Land. Sie ist 2,5 Meilen oder knapp vier Kilometer lang und so simpel geschnitten, wie eine Rundstrecke nur sein kann: Zwei Geraden und vier leicht überhöhte Kurven – das ist alles, was der Kurs zu bieten hat. Ursprünglich vor allem als Teststrecke [foto id=“420705″ size=“small“ position=“left“]für die über 100 Autofirmen gedacht, die Indianapolis zum Detroit des frühen 20. Jahrhunderts gemacht haben, wurden die 1911 die ersten 500 Meilen ausgetragen  – und danach bislang 95 weitere Läufe. Nur in einigen Kriegsjahren haben die Amerikaner auf das große PS-Fest am Speedway verzichtet.

Selbst in vergleichsweise friedlichen Zeiten ist das Rennen wie jede große Sportveranstaltung in Amerika auch ein patriotisches Spektakel. Deshalb wird in Indianapolis nicht nur die Nationalhymne abgesungen, sondern es gibt eine Ehrenrunde mit verdienten Veteranen aus allen Bereichen der Streitkräfte, Schüler und Studenten entrollen die vielleicht größte US-Flagge aller Zeiten und pünktlich zum Start donnert eine Staffel moderner und historischer Kampfflieger zum Greifen nah über den Rundkurs.

Danach sind auch, wie in jedem Jahr am Memorial Day Weekend, auch am letzten Wochenende wieder 33 Fahrer in elf Reihen angetreten, um nach dem fliegenden Indy-Start ihren Meister zu ermitteln. Die besten Nerven hatte am Ende der Schotte Dario Franchetti, den man in Deutschland auch noch aus der DTM kennt: Als er drei Kurven vor Schluss auch noch den letzten Angriff des ehemaligen Formel1-Fahrers Takuma Sato parierte, war ihm der Sieg nicht mehr zu nehmen – und mit ihm die traditionelle Siegerehrung. Denn wo sich [foto id=“420706″ size=“small“ position=“right“]die F1-Politen am Ende eines Rennens mit Champagner duschen, gab es für Franchetti nach gut drei Stunden die traditionelle Flasche Milch, mit der die Indy-Sieger seit 1936 ihren Triumph feiern.

Danach küsste Franchetti erst allein und dann mit dem gesamten Team wie fast jeder Sieger vor ihm den genau einen Yard breiten Backstein-Streifen, der von der originalen Strecke auch nach dem Asphaltieren in den Sechzigern erhalten geblieben ist und noch immer an den alten Spitznamen der Strecke erinnert: Als er mit über drei Millionen Ziegelsteinen gepflastert war, nannte alle Welt den Speedway nur „Brickyard“, die Ziegelei. Die hat sich mittlerweile allerdings fein herausgeputzt und eine stattliche Größe erreicht. Weil jedes Jahr neue Tribünen dazu gekommen sind und die Ränge aufgestockt wurden, fasst das Oval mittlerweile 300.000 Menschen und macht den Indianapolis Motor Speedway zum größten Sportstadion der Welt.

Was die Strecke neben der unglaublichen Menge an Zuschauern und der langen Geschichte noch ausmacht, ist das hohe Tempo, das auf dem Oval gefahren wird: Schon im allerersten Rennen 1911 lag die Durchschnittsgeschwindigkeit bei 120 km/h. Heute fahren die Piloten Rundenschnitte von 350 km/h und Sieger Dario Franchetti hatte an diesem Pfingstwochenende nach seinen 200 Runden einen Schnitt von 270 [foto id=“420707″ size=“small“ position=“left“]Sachen erreicht. Vor fast 20 Jahren waren die Autos sogar noch schneller: Damals raste Al Unser im Training mit einer Rekordgeschwindigkeit von 412 km/h über die Zielgerade.

Gefahren wird in der Indy-Serie in diesem Jahr mit einem völlig neuen Auto, das der Rennwagenhersteller Dallara an alle Teams liefert. Auch die Motoren und zwei von drei der Lieferanten sind neu: Die in dieser Saison erstmals eingesetzten V6-Turbo-Direkteinspritzer mit 2,2 Litern Hubraum und bis zu 700 PS stammen von Lotus, von Honda und zum ersten Mal seit vielen Jahren Pause wieder von Chevrolet.

Damit kehrt die GM-Marke zurück auf eine Strecke, die mit der eigenen Geschichte aufs Engste verbunden ist. Denn noch bevor Louis Chevrolet 1911 seine eigene Firma gegründet hatte, war es als Rennfahrer auch [foto id=“420708″ size=“small“ position=“right“]auf dem Indianapolis Motor Speedway unterwegs. Und als Gaston Chevrolet 1920 dort sein erstes Rennen gewonnen hat, saß er in einem von seinem Bruder Louis konstruierten Rennwagen hat.

Damals war das Rennen noch Bewährungsprobe für die Autos und Hersteller aus aller Herren Länder. Selbst Peugeot, Mercedes und Delage haben sich so in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg in die Siegerlisten eingetragen. Heute dagegen hat sich die Autoindustrie aus Indianapolis fast abgemeldet. Nicht nur die Region lebt längst von anderen Wirtschaftszweigen. Auch die Indycar-Serie taugt offenbar kaum zur Reklameschlacht. Von Lotus und Honda jedenfalls sieht man an diesem Wochenende kaum mehr als die Aufkleber auf den Rennwagen, die mit ihren Motoren fahren.

Chevrolet dagegen hat die Indy fest in der Hand. Nicht nur die Safety-Crews fahren feuerrote Pick-Ups aus Detroit. Vor dem Feld geht ein halbes Dutzend Camaro Cabrios auf die Strecke, in denen Promis, Veteranen und besonders treue Fans um den Kurs kutschiert werden. Und wann immer einer der Piloten das Steuer [foto id=“420709″ size=“small“ position=“left“]verreißt und mit über 300 Sachen in den weißen Wänden einschlägt, schießt als Safety Car werbeträchtig eine Corvette ZR1 in das Oval und fängt die 33 rasenden Milchbubis ein.

Heute ist die Indy-Serie ist nicht nur die amerikanische Antwort auf die Formel1. Die Indy500 sind auch ein Sammelbecken der Formel1-Rentner. Der verhinderte Beinahe-Sieger Sato kommt ebenso aus der Formel1 wie Rubens Barrichello, der bei seinen ersten Indy500 auf Platz 11 ins Ziel fuhr und es so zum besten „Rookie“ im Feld gebracht hat. Aber nicht für alle Formel1-Veteranen lief es so gut. Keiner weiß das besser als Jean Alesi. Er war schon nach elf Runden aus dem Rennen. Aber dafür war er der einzige, der den Zieleinlauf bei der Hitzeschlacht im Hexenkessel frisch geduscht anschauen konnte.

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