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Brasilien – das steht für Sonne, Spaß und heiße Rhythmen. Doch auf der Straße gibt und gab sich der größte Automarkt in Südamerika in einem tristen Einheitslook: Kleine Limousinen, handliche Geländewagen, Pick-Ups und Transporter bestimmen bis heute das Bild. Autos, die eher das Vergnügen als die Vernunft bedienen, haben es schwer in einem Land, in dem der Wohlstand für viele noch meilenweit entfernt ist.
Doch es gibt und gab Ausnahmen, die diese Regel bestätigen: Nicht umsonst zum Beispiel hat der Osnabrücker Karosseriebauer Karmann bereits 1959 ein Werk in Brasilien eröffnet und dort ab 1962 seine schmucken Coupés gebaut. Allerdings blieben die Stückzahlen bescheiden und in den ersten fünf Jahren wurden gerade einmal 10.000 Fahrzeuge produziert.
Deshalb wollte Karmann den Markt mit einem designierten Brasilien-Modell ankurbeln und hat den TC-145 entwickelt – etwas größer und praktischer als der klassische Karmann Ghia und trotzdem nicht minder elegant, sollte er zum Schmuckstück unter den Familienkutschen werden. Die technische Basis des von 1970 bis 1974 gebauten „Touring Coupé“ lieferte der Volkswagen Typ3, eine ebenso biedere wie langweilige Limousine, die vergeblich versuchte, den Käfer zu beerben. Und das [foto id=“439910″ size=“small“ position=“left“]Design war eine Mischung aus dem „kleinen“ Karmann Ghia vom Typ 14 und dem „großen“ Typ 34. Das kommt bei den Brasilianern offenbar an, denn über Nacht hat Karmann mit dem TC-145 seine Produktionszahlen verdoppelt.
Außen haben sich die Entwickler am anderen Ende der Welt viel Mühe gegeben und eine Form entworfen, die irgendwo zwischen dem frühen Porsche 911 und dem späten Audi A7 Sportback rangiert. Vorn zwei kleine, glänzende Kühlergitter zwischen den kugelrunden Scheinwerfern, an den Flanken filigrane Chromleisten, über den Rädern zärtliche Rundungen und am Heck eine große Klappe bis weit ins Dach, die heute jeden Kombi neidisch macht. Zwar muss man das Gepäck erst über eine hohe Ladekante lupfen, und über dem Motor hinter der Rückbank wird es gehörig warm. Doch reicht der Platz zur Not auch für die Reiseutensilien einer brasilianischen Großfamilie.
Innen dagegen ist der Wagen schlicht und nüchtern wie alle jene VW-Modelle aus den Sechzigern, von denen die Konstruktion abgeleitet wurde: Ein großer runder Tacho in der Mitte, die Tankanzeige links und die Uhr rechts – mehr Instrumente braucht es nicht. Dazu noch zwei, drei Drehschalter, ein Lenkstockhebel, der chromglänzende Aschenbecher und ein paar Bahnen Kunstleder, fertig ist das Cockpit mit dem Liebreiz einer Lastwagenkabine, das so gar nicht zum schwungvollen Karmann Ghia-Schriftzug passen will, der einen Hauch von Glanz und Gloria verspricht.
Man sitzt auf winzigen Sesselchen, klettert über die Klappstühle heckwärts auf eine überraschend bequeme Rückbank, zieht ein wenig den Kopf ein und fängt nach ein paar Minuten ordentlich an zu schwitzen. Zwar gab es eine Heizung damals [foto id=“439911″ size=“small“ position=“right“]nur gegen Aufpreis. Doch weil unter einer mit Schnellschrauben verschlossenen und von Hand beschrifteten Klappe im Heck ein luftgekühlter 1,6-Liter boxt, wird es im Innenraum schon nach ein paar Gasstößen von ganz alleine warm.
Der Vierzylinder treibt aber nicht nur die Temperatur in die Höhe, er macht auch warm ums Herz – auch wenn ihm nur 54 PS zu entlocken sind. Doch der TC145 ist ein Fliegengewicht, die vier Gänge der kurzen Schaltung kann man ordentlich ausdrehen, und in einem mehr als 40 Jahre alten Auto fühlen sich auch die maximal 142 km/h verdammt schnell an – erst recht, wenn der Hecktriebler in scharfen Kurven mit seiner Kehrseite wackelt wie eine Karnevalsprinzessin am Rosenmontag in Rio: „Tanze Samba mit mir, Samba, Samba die ganze Nacht“ – solche Schlager schleichen sich einem da aus der Erinnerung ins Ohr.
So faszinierend der TC145 heute auch aussieht und so neugierig ihm die Fans bei Oldtimer-Rallyes hinterher schauen – er bleibt in der Oldtimerszene ein absoluter Exot, der jedem Vorkriegs-Bentley, jedem Porsche und jedem historischen VW mühelos die Schau stiehlt. Zwar wurden damals vor den Toren von Sao Paulo über 18.000 Exemplare des Touring Coupés gebaut. Doch exportiert wurde der schmucke Zweitürer nur im Reisegepäck von Karmann- oder VW-Mitarbeitern, die ihm nach dem Ende ihrer Dienstzeit in Brasilien einfach mit nach Hause genommen haben, sagt Karmann-Experte Klaus Ulrich von der VW-Sammlung in Osnabrück: „Viel mehr als ein halbes Dutzend Autos wird es deshalb in Europa nicht geben.“
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 23.10.2012 aktualisiert am 23.10.2012
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