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VW
Wenn es um Sport geht, ist Deutschland einig Fußball-Land. Sprechen wir über Autos, sind wir alle Golfer. So könnte man zumindest meinen, wenn man über die neue Generation des Golf liest, die in dieser Woche mit viel Pomp und Aplomb in Berlin vorgestellt wurde. Bei Volkswagen selbst spricht man gerne von der „Golf-Klasse“, wenn man das C-Segment oder die untere Mittelklasse meint – was letztlich immer dasselbe ist. Gleichzeitig soll der Golf nach VW-Interpretation aber auch klassenlos sein, ein Widerspruch, den man in Wolfsburg entweder nicht bemerkt oder nicht bemerken will.
Geschichte und Geschichten ranken sich jede Menge um dieses Fahrzeug, kräftig unterstützt vom Hersteller, der ja ein Interesse am Aufbau eines Mythos hat. Dabei war und ist jeder Golf natürlich nur ein Auto, in seiner leicht unterkühlten Mischung aus Konservativität und Qualität deutscher als es der Käfer je sein konnte. Stand dieser in seiner bionischen Form für Bescheidenheit, wirtschaftlichen Aufschwung und Massenmobilisierung, ist der Golf eher Sinnbild für deutsche Präzisionsarbeit und Exportstärke. Was das Ignorieren von Fakten nicht ausschließt.
Das fängt schon mal so an: Eine völlig neue Auto-Generation definiert sich eigentlich dadurch, dass sie auf einer neuer Struktur aufgebaut wird. So gesehen sprechen wir eigentlich nicht über die siebte Generation, wie es dieser Tage überall zu lesen ist, sondern über die sechste. Denn der jetzt auslaufende Golf VI war bei seiner Einführung 2008 kein wirklich neues Modell, sondern nur eine, wenn auch umfangreiche, Überarbeitung der bei VW ungeliebten fünften Generation von 1997. Ungeliebt, weil weder der heutige VW-Vorstandsvorsitzende Martin Winterkorn, noch der jetzige Aufsichtsratsvorsitzende und VW-Übervater Ferdinand Piech mit dem in der Ägide des damaligen VW-Chefs Bernd Pischetsrieder entstandenen und vom damaligen Chefdesigner Murat Günak gezeichneten Fahrzeug wirklich zufrieden waren. Daher wurde der Golf V schon fünf Jahre nach seiner Markteinführung 2003 gründlich überarbeitet – mutierte zum Golf VI und blieb im Kern doch ein Golf V. Es spricht für VW und deren effiziente PR-Arbeit, dass der Begriff „siebte Generation“ heute in den Medien einfach so übernommen wird.
Zweifellos dagegen war und ist der Golf ein wichtiger Mosaikstein im VW-Gesamtbild. Als 1974 der von Giorgio Guigiaro in Turin entworfene erste Golf auf den Markt kam, begründete er eine neue Fahrzeugklasse. Über 6,7 Millionen Menschen kauften dieses erste Fahrzeug und retteten den damals arg schlingernden VW-Konzern vor dem Aus. Bis heute hat VW fast 30 Millionen „Gölfe“ verkauft – und trotzdem hat das Fahrzeug an Bedeutung eingebüßt.
„Weltweit ist nicht der Golf das Maß der Dinge“, sagt zum Beispiel Ferdinand Dudenhöffer, Professor am CAR Institut der Universität Duisburg-Essen. „Der Ford Focus und der Toyota Corolla sind im Kompaktsegment erfolgreicher und für VW sind heute Modelle wie der Passat oder der Santana wichtiger.“
Einen nicht unerheblichen Beitrag zum Gesamtergebnis des Konzerns und zum Ziel, der größte Automobilhersteller weltweit zu werden, leistet der Golf allerdings trotzdem. So wie der Konzern ist auch das Fahrzeug seit 1974 gewachsen: Statt 3,70 Meter streckt es sich in der neuesten Version auf 4,26 Meter, statt 750 Kilogramm wiegt es rund 1,2 Tonnen und statt knapp 8.000 Mark kostet es heute in der Basisvariante 16.975 Euro.
Damals revolutionierte der Golf mit Frontantrieb, quer eingebautem Motor und praktischem Steilheck seine Fahrzeugklasse. Seitdem wird dieser Vorsprung von Volkswagen routiniert aber erfolgreich verwaltet. Brüche sind den Golf-Generationen fremd, davon macht auch die in Länge, Breite und Radstand erneut gewachsene, in der Höhe aber abgeflachte und beim Gewicht um bis zu 100 Kilo abgespeckte neue Variante keine Ausnahme.
Ihre Stellung muss die VW-Kompaktklasse heute aber mehr denn je verteidigen – und zwar in alle Richtungen. Da gibt es zunächst Konkurrenz im eigenen Haus, durch den Audi A3, die feinere Ausgabe des Golf, oder die preiswerteren Varianten in Form des größeren Skoda Octavia bzw. des auf Sportlichkeit ausgelegten Seat Leon. Vor allem aber außerhalb des Konzerns gerät der Golf zusehends in eine Sandwichposition: Von unten wollen ihm die preiswerteren und mit langen Garantien ausgestatteten koreanischen Modelle Kia Ceed und Hyundai i30 das Leben schwer machen, von oben bedrängen Premium-Angebote wie die Mercedes A-Klasse oder der 1er von BMW den nicht gerade billigen Volkswagen. Und dann gibt es ja noch die etablierte Konkurrenz wie Opel Astra oder Ford Focus.
Gerade unter diesem Gesichtspunkt hat VW mit der neuesten Generation des Golf (zunächst) eine Chance vertan. Dies finden zumindest Kritiker zu denen auch Ferdinand Dudenhöffer gehört. „VW hätte die Möglichkeit gehabt, von Beginn an etwa eine Erdgas– oder Hybrid-Variante vorzustellen. Das wurde leider versäumt.“ Immerhin hat VW den elektrisch und auch den mit Erdgas angetriebenen Golf für 2013 angekündigt. Und auch eine Hybridvariante ist angedacht.
Richtig sorgen machen muss man sich über den Golf daher nicht: Immerhin führt er seit 1975, mit nur einer einzigen einjährigen Unterbrechung, die jährliche Verkaufsstatistik an. Und es bedarf keiner großen Prognosekunst um vorherzusagen, dass dies auch beim neuen Modell so bleiben wird. Denn bei allen Geschichten, Mythen und Übertreibungen: Der Golf ist vor allem eines – ein gutes deutsches Auto.
geschrieben von auto.de/sp-x veröffentlicht am 14.09.2012 aktualisiert am 14.09.2012
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