Panorama: Warum Automarken verschwinden

Nun also doch: Zwei Jahrzehnte schaute die Autowelt Lancia bei einem aussichtslosen Überlebenskampf zu. Bis kürzlich aus Italien gemeldet wurde, man wolle die Marke in allen Märkten außerhalb der Heimat sterben lassen. Doch das ist nur die jüngste Todesnachricht. In den vergangenen Jahren wurde eine ganze Reihe von Marken zu Grabe getragen. Bei einigen wird das Verschwinden bis heute bedauert, bei anderen kam das Ende unbemerkt, weil sich längst niemand mehr um die Modelle scherte. Denn wenn Automarken eingestampft werden, verbergen sich dahinter sehr unterschiedliche Gründe: Mal machten potenzielle Käufer schlicht einen großen Bogen um die Verkaufsräume, mal setzten profilierungssüchtige Manager ihren Willen durch, ohne an geschäftliche Realitäten zu denken – nicht selten allerdings wurden Autobauer Opfer der unfassbaren Langweiligkeit ihrer Produkte.

Proton: Klingt irgendwie nach Waschmittel, ist aber die Abkürzung für Perusahaan Otomobil Nasional – übersetzt Nationale Automobil-Gesellschaft. Die Marke aus Malaysia ging 1995 in Deutschland an den Start. Das Versprechen einer sechsjährigen Garantie sollte damals Kunden davon ablenken, dass man eigentlich nur Lizenzmodelle auf Mitsubishi-Basis anbot. Was nicht funktionierte: 2001 gab Proton in Deutschland wieder auf. „Das größte Problem einer Marke wie Proton war die Beliebigkeit“, sagt Automobil-Experte Andreas Bremer vom IfA-Institut für Automobilmarktforschung. „Ich kann mich heute an kein Modell von denen mehr erinnern.“ Nichtssagende Modellbezeichnungen wie Proton 300 oder 400 beschleunigten das Vergessen.

Saab: Bei den Schweden lief es genau umgekehrt: Die Marke war dafür berühmt, dass ihre Autos etwas Besonderes darstellten – daran änderten auch die ebenfalls nichtssagenden Modellbezeichnungen wie 900, 9000 oder 9-3 nichts. „Saab war die Marke für Individualisten – doch dann kam General Motors“, fasst Bremer das Problem zusammen. Nach dem Beginn der sogenannten Partnerschaft mit dem US-Konzern wurde Saab zum Schatten seiner selbst: Man baute leidlich getarnte Abklatsche von Großserienmodellen wie dem Opel Vectra – die Kunden blieben aus. Später stieß GM Saab wieder ab, Ende 2011 stellte der Autobauer in Schweden Insolvenzantrag. Seit Herbst 2013 werden in den Werkshallen zwar in kleinster Kleinstserie wieder Saab gebaut, wirklich sicher erscheint die Zukunft jedoch nicht.

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Lancia: Noch im Herbst 2013 wurde ein Sprecher damit zitiert, dass es Wahnsinn wäre, diese Marke sterben zu lassen. Doch Lancia existiert im Grunde schon seit Jahren nicht mehr wirklich. Was einst als Synonym für fortschrittliche Technik und begeisterndes Design stand, war zum Schluss – mit Ausnahme des Kleinwagens Ypsilon – nicht viel mehr als ein Typenschild auf Chrysler-Blech. Trotz des langen Siechtums mag Experte Bremer ein Lancia-Comeback in der Zukunft nicht ausschließen: „Diese Marke hat so einen Namen, so einen Klang – die wird nicht ewig verschwinden.“

Maybach: Eine Marke mit großer Geschichte – die jedoch längst vergessen war, als sich Daimler 2002 zur Wiederbelebung von Maybach als Luxussparte entschloss. „Das war eine Marke, nach der niemand gerufen hat“, fasst Bremer zusammen. Vor allem enttäuschte das Design der Autos, die zudem noch als „gepimpte S-Klasse“ von Mercedes wahrgenommen wurden. Letzte Fahrzeuge verkaufte man 2013, das war’s dann. Böse Zungen behaupten, dass der Ursprung des Maybach-Plans ohnehin darauf zurückzuführen sei, dass sich ein ehemaliger Konzernchef damit ein Denkmal setzen wollte. Das allerdings bröckelte schnell.

Daewoo/Chevrolet: Unsinn hoch zwei – so lässt sich grob die Geschichte zusammenfassen, die diese beiden Marken vom Markt fegte. In Sachen Daewoo diagnostiziert Andreas Bremer das gleiche Problem wie bei Proton: Beliebige Autos ohne Gesicht, die auch ein günstiger Preis nicht rettete. Daewoo – koreanisch für Großes Weltall – verkaufte ab 1994 zunächst angegraute Technik wie den letzten Opel Kadett in neuem Kleid in Deutschland. 1998 wurde die Marke von General Motors übernommen, wo man 2005 auf die Idee kam, die typischen Kleinwagen in Europa als Chevrolet zu verhökern. „Das hat niemand nachvollziehen können. Wenn man in Europa etwas mit dem Namen Chevrolet verbindet, dann auf keinen Fall Kleinwagen.“ Bis 2016 will sich Chevrolet nun weitgehend vom europäischen Markt zurückziehen.

MG Rover: Eine Traditionsmarke zu sein, einen fast schon historisch zu nennenden Ruf haben – das kann auch einschläfernd wirken. In den siebziger Jahren stand Rover in den Augen der Öffentlichkeit nur noch für miese Qualität und alte Technik, in den Achtzigern hielt man sich allein durch eine Kooperation mit Honda über Wasser. Dann übernahm BMW das Ruder und hatte große Ziele: Man entwickelte den neuen Rover 75 und den Roadster MG-F – doch mehr kam nicht. „Was BMW tat, das war zu wenig zu spät“, so Andreas Bremer. Im Jahr 2000 trennte sich BMW von Rover. MG Rover befand sich danach in einer jahrelangen Abwärtsspirale, die in China endete. Und während die Autowelt auf die endgültige Todesnachricht wartete, gab MG ein leises Röcheln von sich: In Großbritannien werden wieder (in China entwickelte) Neukonstruktionen wie MG 3 und MG 6 angeboten.

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Wiesmann, Artega und die anderen: Obwohl regelmäßig auch große Konzerne Marken einstampfen, versuchen immer wieder kleine Hersteller, ihr Stück vom Kuchen abzubekommen – und müssen schließlich aufgeben. Wiesmann bot luxuriöse Roadster mit BMW-Technik, Artega konstruierte einen Porsche-Konkurrenten und in den USA wollte Fisker der Welt zeigen, wie man mit einem Elektroauto die Oberklasse aufmischt. „Der Wiesmann war anfangs ein Auto zum niederknien“, schwärmt Andreas Bremer. „Aber zehn Jahre später sah er immer noch gleich aus.“ Die Marke hatte tatsächlich ihre Marktlücke gefunden, sie ausgeschöpft – dann wollte man wachsen und musste feststellen, dass mehr nicht ging. Artega wiederum ging hochprofessionell an das Thema Sportwagenbau heran, verschätzte sich aber unter anderem in der Annahme, dass Käufer einen VW-Motor in einem 80.000-Euro-Zweisitzer akzeptieren. Der Fisker Karma wiederum wurde auf der ganzen Welt hoch gelobt, doch die Finanzen gerieten in Schieflage. Es heißt, dass die Herstellung eines einzigen Autos mehr als 600.000 Dollar verschlang – was bei einem Verkaufspreis von bestenfalls 100.l000 Dollar gelinde gesagt zu Problemen führen musste. Im Oktober 2013 wurde das Unternehmen von chinesischen Investoren übernommen, Zukunft ungewiss.

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