Pascal Vasselon: Eau Rouge ist sagenhaft

(motorsport-magazin.com) Wäre es zutreffend zu sagen, dass Sie ein großer Fan von Spa-Francorchamps sind?
Pascal Vasselon: Ich wohne nahe am Kurs, es ist wirklich mein Heim-Grand-Prix und, ja, ich liebe den Ort.

Sie pendeln also jeden Tag von Spa nach Köln?
Pascal Vasselon: Ja, aber es ist nicht so schlimm; die 100 km pro Weg sind für meinen Toyota leicht zu verkraften! Ich kann den Tempomat einschalten und dann ist es eigentlich recht entspannend. Ich fahre morgens um 6:20 Uhr los und treffe abends nach 9:30 Uhr wieder ein – ein Formel-1-Arbeitstag! Zu diesen Uhrzeiten ist der Verkehr kein Problem.

Warum lebt man als Franzose in Belgien?
Pascal Vasselon: Zunächst einmal ist es gut für meine Familie, weil es ein französischsprachiger Raum ist. Es scheint auch, dass die Leute eine andere Lebenseinstellung haben. Man kann sich sehr leicht integrieren. In dem kleinen Ort in Clermont Ferrand in Frankreich, wo ich lange gelebt habe, hat es dagegen drei Jahre gedauert, bis ich mit meinen Nachbarn bekannt geworden bin. In Belgien hatten wir schon nach einigen Monaten ein gesellschaftliches Leben und eine Menge Freunde. Die Leute sind sehr gelassen, es ist eine angenehme Art zu leben, und die Region ist kulturell sehr vielfältig. Fährt man 20 km nach Osten, ist man schon im deutschsprachigen Raum; fährt man 20 km nach Norden, wird Holländisch gesprochen, und um Liege herum man ein nettes Gebiet, in dem Französisch gesprochen wird.

Und glauben Sie, dass der Kurs selbst etwas Besonderes ist?
Pascal Vasselon: Absolut, und da bin ich nicht der Einzige. Es ist einer der Orte, wo man die Begeisterung der Fahrer spürt, und dort zu sein ist einfach fantastisch. Es ist sagenhaft zu sehen, wie die Formel-1-Boliden durch die Eau Rouge jagen – diese Geschwindigkeit! – Das einzige kleine Problem ist, dass die Eau Rouge jetzt für Vollgas ausgelegt ist. Das ist nach wie vor eindrucksvoll, man weiß aber, dass die Autos eben nicht am Limit fahren. Fahrer, Ingenieure, das ganze Team liebt es, nach Spa zu gehen – auch wenn es regnen sollte. Und wenn die Sonne scheint, ist es fantastisch.

Gilt für die Eau Rouge Vollgas unter allen Bedingungen – Qualifying und Rennen?
Pascal Vasselon: Mit den V8-Motoren kann man problemlos mit Vollgas durchfahren – außer bei Regen. Bei den V10 ging es, wenn ich mich richtig erinnere, im Qualifying mit Vollgas durch. Bei den V8 ist dies immer der Fall, unabhängig von der Benzinlast und vom Reifenzustand. Was in der Eau Rouge nach wie vor überragend ist, sind die Lasten und Kräfte, die in den Kurven auftreten. Sie liegen nahe am Limit durch den Abtrieb bei hohen Geschwindigkeiten, den Grip der Reifen und die Kompression, die man hat. Wir alle konstruieren unsere Aufhängungen dafür, extremen Bedingungen standzuhalten, und die Eau Rouge in Spa ist eine extreme Kurve. Wenn wir Aufhängungsteile konstruieren, ist die Eau Rouge unser Bezugspunkt für extrem hohe Lasten. Es ist aber nicht nur die Aufhängung; auch die Reifen sind einer starken Beanspruchung ausgesetzt.

Wie würden Sie eine ganze Runde aus technischer Sicht beschreiben?
Pascal Vasselon: In Bezug auf die Streckenauslegung ist Spa ein sehr spezieller Fall. Man hat eine Menge High-Speed-Kurven, die normalerweise hohen Abtrieb verlangen, während die Strecke ansonsten wegen der langen Geraden eine hohe aerodynamische Effizienz verlangt, man also nicht auf hohen Abtrieb gehen kann. Es geht eher um einen mittleren bis niedrigen Abtrieb und unter den meisten Aspekten verlangt die einzigartige Steckenauslegung den Autos viel ab. Nur die Bremsen haben es in Spa leicht, weil gute Kühlung verfügbar ist und relativ wenig stark gebremst wird.

Was sind die Hauptüberlegungen bei den Reifen?
Pascal Vasselon: Bei beiden Hauptfaktoren des Verschleißes sind die Bedingungen streng. Sie sind streng in Bezug auf Graining wegen der langgezogenen schnellen Kurven, und streng in Bezug auf Blistering wegen der hohen Durchschnittsgeschwindigkeiten. Wir werden die beiden härtesten Mischungen aus der Bridgestone-Palette einsetzen. Auf unserer Seite würden wir bei den Reifen eher auf der weichen Seite bleiben, denn wenn die Reifen problematisch werden, kommen wir meistens besser zurecht als die anderen.

Was können Sie tun, um sich auf das unberechenbare Wetter vorzubereiten?
Pascal Vasselon: Wenn man sich die Statistik ansieht, hat es in den letzten Rennen in Spa nicht so viel geregnet, aber die Strecke hat nun einmal diesen Ruf. Man muss auch vorsichtig sein, weil nicht nur das Wetter unberechenbar ist: Wenn es regnet, ändern sich auch die Streckenbedingungen entsprechend. Zum Beispiel war es 1995 möglich, nur drei Runden nach dem Ende eines Regens auf Slickreifen die schnellsten Rundenzeiten zu fahren, weil die Oberfläche im Sonnenschein so schnell abgetrocknet ist. 2005 dagegen war es völlig umgekehrt und es dauerte ewig, bis die Strecke nach dem Regen wieder trocken war. Es gab weniger Sonne, aber man muss auch in Betracht ziehen, was in den Tagen vor dem Grand Prix gewesen ist. Wurde der Boden überflutet? Hat er sich mit Wasser vollgesogen? Wenn man diese Dinge berücksichtigt, kann man abschätzen, wie schnell die Strecke abtrocknen wird. Es ist aber schwer genau vorherzusagen, was in Spa passieren wird.

Gibt es in Spa bei Ihrem Auto etwas Neues?
Wir bringen die normalen Entwicklungen beim Aeropaket. Es handelt sich aber nicht um unser Grundlinienpaket, das ist also schon von Anfang an anders. Letzte Woche hatten wir unseren Test in Monza, dort ging es aber vor allem um Vorbereitung auf den Großen Preis von Italien, weil Monza ein ungewöhnliches Setup mit niedrigem Abtrieb erfordert.

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