Peking Motor Show 2010: Chinesisches Muskelspiel

Es ist heiß, ohrenbetäubend laut und derart voll in den Hallen der Peking Motor Show, dass man kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann. Auf ihrer Heimmesse lässt die Autoindustrie der Volksrepublik China eindrucksvoll ihre Muskeln spielen und die europäischen Hersteller machen gute Miene zum bösen Spiel. Schließlich will sich niemand den Zukunftsmarkt Nummer eins entgehen lassen.

Der chinesische Automarkt

War der chinesische Automarkt vor 15 Jahren weltweit noch ohne jede Bedeutung, gab es im vergangenen Jahr mehr als zehn Millionen Neuzulassungen. Tendenz stark steigend. Beim Design haben sich die fast 30 [foto id=“292858″ size=“small“ position=“right“]chinesischen Hersteller in den letzten Jahren bereits mächtig bei der europäischen Konkurrenz bedient. Das zeigt die „Auto China 2010“ in Pekings Messecenter so deutlich wie eh und je. Doch Plagiate wie der Brilliance A 0, der BAIC C 70 EV oder der Huanghai Landscape sind in den meisten Fällen nicht mehr derart plump abgekupfert wie noch vor drei oder vier Jahren. Stattdessen bringen sich die Chinesen technisch und wirtschaftlich immer besser in Position. Die Chinesen haben längst erkannt, dass sie den Vorsprung von Traditionsherstellern aus Japan, Europa und den USA nicht über Nacht aufholen können – zumindest wenn es um konventionelle Antriebskonzepte geht. So setzen sie bei ihrer turbulenten Heimmesse wie kein anderes Land auf das Thema Elektromobilität. Stromkabel, Steckdosen und imaginärer Funkenflug, so weit das Messeauge schaut.

„Viel bringt viel“

Die Klänge der 90er-Jahre-Band Enigma lassen in der Messehalle E4 jedes Gespräch im Keim ersticken. Ein paar Meter weiter spielt ein Shanty-Chor lautstark maritime Klassiker. Die chinesischen Aussteller haben sich den Leitsatz „viel bringt viel“ imposant verinnerlicht. Gleißend helle Scheinwerfer, Messehallen, die aus allen Nähten platzen und scharenweise lächelnde Models prägen das Bild. Die Auftritte der Konzernverantwortlichen erinnern an Staatsbesuche. [foto id=“292859″ size=“small“ position=“left“]Besonders feierlich gelingt die Enthüllung der neuen chinesischen Präsidentenlimousine von Honqi. 6,40 Meter lang, 300 kW/402 PS stark und 240 km/h schnell ist der schwer gepanzerte Wagen, der mit deutlichen Designähnlichkeiten zu Rolls Royce, Bentley und Maybach aufwartet. Stören tut das hier keinen. Fast noch imposanter wirkt der GE von Mgrand. Die gigantische Luxuslimousine wird von einem kleinen Vierzylinder-Benziner mit 2,4 Litern Hubraum angetrieben. Tatkräftige Unterstützung gibt es von einem Plug-In-Modul, das rund 30 Kilowatt Zusatzleistung generiert. Während vorne der Chauffeur Platz nimmt, gibt es im Fond mittig nur einen riesigen Lümmel-Sessel für das Oberhaupt von der Familie oder der Firma. Wem das nicht reicht: Allein der Geely-Konzern zeigt in Peking fast 20 neue Modelle – vom Elektro-Kleinwagen mit Flügeltüren über Sportcoupés bis hin zu Hardcore-Geländewagen. Bei Konzerntochter Englon erlebt das London-Taxi seine Wiedergeburt – durchaus sehenswert und innovativ mit dem Englon TXN. Dongfeng dreht BMW eine Nase. Während Details zum 2013 auf den Markt kommenden BMW Megacity Vehicle noch auf sich warten lassen, zeigen die Chinesen das fesche „i-car“.

Die deutschen Hersteller

Auch die deutschen Hersteller lassen die Muskeln spielen, so gut sie können. Da sich angesichts der übermächtigen chinesischen Konkurrenz bei den Kleinwagen kaum etwas reißen lässt, konzentrieren sich die deutschen Hersteller auf das, [foto id=“292860″ size=“small“ position=“right“]was sie am besten können: die Premiumliga. Die Modellpflegen bei VW Phaeton und Maybach sollen die Chinesen bei ihrer Massenmobilisierung mehr denn je vom europäischen Luxussegment träumen lassen. Langversionen von Mercedes E-Klasse, Audi A8 oder 5er BMW sind dann eher schon das Alltaggeschäft. Schließlich geht ab der Mittelklasse ohne einen langen Radstand wenig. In China fährt man obligatorisch mit Chauffeur. Ein weiteres Messe-Highlight: die Design-Studie Mercedes CLS Shooting Brake. Aber es gibt auch Kleinwagen und Vans zu sehen. So zeigt Ford seine rundlich-schmucke Studie ‚Start‘ oder General Motors mit dem Chevrolet MPV5 die Vision eines elektrisch angetriebenen Volt-Vans.

Die wirklich imposanten Auftritte

Doch die wirklich imposanten Auftritte kommen von den chinesischen Firmen. Sie sind über groß angelegte Joint Ventures wie Shanghai-GM, SAIC-VW, Beijing-Hyundai oder Dongfeng-PSA mit Herstellern aus Asien, USA und Europa verbunden. Build your Dream (BYD) etwa setzt [foto id=“292861″ size=“small“ position=“left“]im 200 000 Quadratmeter großen New China International Exhibition Center Tianzhu als lokale Technologiemarke ganz auf das Thema Elektromobilität und lässt neue Modelle nur die zweite Geige spielen. Die enge Zusammenarbeit mit Daimler ist weit fortgeschritten. Beide Hersteller entwickeln speziell für den chinesischen Markt eine Limousine. Erstmals in Peking zu sehen ist auch der erste BYD-Geländewagen S6. Im Stil eines Lexus RX gestaltet, bietet der jedoch nicht mehr als automobile Hausmannskost. Doch für rund 16 000 Euro kann man kaum mehr von einem 4,70 Meter langen Crossover mit Allradantrieb und einem 125 kW/170 PS starken Mitsubishi-Triebwerk erwarten. Denn auch bei der Preisgestaltung machen die Chinesen den europäischen Herstellern so richtig etwas vor.

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