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Das fahrdynamische Potential eines modernen Sportwagens im Straßenverkehr zu verkosten, mündet augenblicklich im strafrechtlich relevanten Affront der Straßenverkehrsordnung. Bei einem zweitägigen Perfektionstraining auf der Nordschleife des Nürburgrings geht dagegen richtig was ab. Der Selbstversuch endet mit einem besseren Fahrer.
Es dauert gefühlte 2 000 Runden über die Nordschleife des Nürburgrings, bis am zweiten Trainingstag die Hände am ledernen Volant des Porsche Carrera 4S so sicher, ruhig und trocken bleiben, dass die Augen am Ende der Fuchsröhre, wenn der rechte Fuß zum Anbremsen vor dem Adenauer Forst seine Position vom durchgetretenen Gaspedal auf die Bremse wechseln muss, kurz von der Fahrbahn auf den Tacho huschen dürfen: 241 km/h! Bevor die mittig im Tacho digitalisierte Ziffer Bewusstseins-relevante Positionen erobert, fokussieren sich alle Sinne auf diesen Streckenabschnitt bei Kilometer 7. Mit ganzer Kraft auf der Bremse gilt es die 1 470 Kilo schwere Fuhre für die kommende Linkskurve so zu verzögern, dass beim Einlenkpunkt, außen am Kurvenscheitel, der allradgetriebe Elfer die abfallende fast 180 Grad umfassende Rechtskurve so perfekt nimmt, dass der Gasfuß den Kurvenradius korrekt dirigieren und die volle Breite der Strecke nutzen kann. Der nach oben gerichtete Daumen des Instruktors im vorauseilenden Fahrzeug signalisiert: Gut gemacht! Oder eher wahrscheinlich: Endlich mal nicht mehr so ganz doof angestellt![foto id=“478167″ size=“small“ position=“left“]
Seit mehr als eineinhalb Tagen laufen nun die Exerzitien des betreuten Fahrens auf der Nordschleife des Nürburgrings. Rund 120 mehr oder weniger begabte, aber durchweg bis unter die Haarspitzen motivierte Sportwagen-Enthusiasten reihen sich in Gruppen zu zwei bis sechs Fahrzeugen hinter einem erfahrenen Instruktor ein, der die Ideallinie auf der 20,828 Kilometer langen Rennstrecke mit ihren 73 Kurven und 290 Metern Höhenunterschied vorgibt. Ziel der Übung: Die Rennstrecke aller Rennstrecken so schnell und sicher wie möglich zu meistern.
Wer sich heute einen Porsche GT3 RS mit 368 kW/500 PS gönnt, eine Corvette Z06 von Chevrolet mit 376 kW/512 PS, einen Nissan GT-R mit 404 kW/550 PS oder gar einen McLaren MP4, der 460 kW/626 PS über seine Hinterräder herfallen lässt, tut gut daran, das Ausloten des Grenzbereichs dieser Sportgeräte im öffentlichen Straßenraum nicht einmal theoretisch in Gedanken in Erwägung zu ziehen. Im Rahmen eines solchen Perfektionstrainings aber, wie es beispielsweise die Fachpostille „sportauto“ zweimal pro Jahr in der Eifel veranstaltet, oder die „Scuderia Hanseat“, sind Grenzerfahrungen hinterm Steuer ausdrücklich erlaubt. Mit rund 120 Anmeldungen pro Kurs sind die zweitägigen Veranstaltungen schnell ausgebucht. Der Spaß kostet einschließlich Betreuung, Verpflegung und Abendveranstaltungen 2 290 Euro pro Teilnehmer. Dazu summieren sich mindestens zwei Übernachtungen, ein Satz Reifen, ein Satz Bremsen, sofern die Verzögerungseinrichtung nicht auf keramischen Werkstoffen basiert und mindestens zwei Tankfüllungen pro Tag.
Der Selbstversuch der Perfektion auf der Nordschleife basiert auf der Einladung von Porsche. Die Schwaben geizen in diesem Fall weder am Sportgerät, das an einem Tag einen Cayman S vorsieht, am zweiten den Carrera 4S, noch an Ausstattung mit Helm und Kameras im Fahrzeug. Von den rund zwei Dutzend Instruktoren betreuen alleine zwei die vier Gäste der Schwaben. Timo Kluck, ein Werkstestfahrer, der jüngst den [foto id=“478168″ size=“small“ position=“right“]Streckenrekord für Serienfahrzeuge mit einem neuen Carrera GT3 auf 7,25 Minuten geschraubt hat und Jürgen von Gartzen, Rennfahrer mit 30-jähriger Karriere.
Wer sich als Laie dieser komplett verrückten Strecke nicht mit Demut, trockenem Mund und Lampenfieber nähert, ist ein Narr, lebensmüde, oder beides zusammen. Profunde Streckenkenntnisse reifen tatsächlich über Jahre und hunderte von Runden. Bei Jürgen sind es viele Tausend. Um dem Neuling den Wechsel vom Spannungsmodus zum Spaßfaktor zu erleichtern, belässt er es bei knappen Anweisungen am Funkgerät und vertraut der wirksamen pädagogischen Methode: Learning By Doing. Mit der Übung wächst die Sicherheit und die Freude von Runde zu Runde. Beim ersten Anbremsen des Adenauer Forstes standen keine 200 Sachen an, am zweiten Tag versägen wir bereits die ersten Schweizer Dentisten mit ihren Porsche GT3.
Natürlich lässt sich die Veranstaltung als hedonistisches Happening abtun, frei nach dem Motto: Die wollen nur spielen. Doch schnell wandelt sich der Selbstversuch in einen persönlichen Reifeprozess am Steuer. Die beständige Konzentration auf eine präzise Linie, auf zentimetergenaues Einlenken in eine Kurve, das sichere Verzögern bei beherztem Bremsen tunt das eigene Fahrkönnen und die aktive Sicherheit von Runde zu Runde. Nach zwei Tagen bin ich vielleicht kein besserer, aber ein glücklicher Mensch, aber auf jeden Fall ein besserer Autofahrer.
geschrieben von auto.de/(tl/mid) veröffentlicht am 12.08.2013 aktualisiert am 12.08.2013
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